Warum Rainbow-Washing abnimmt â und das keine gute Nachricht ist
Mit dem Beginn des Pride Month stehen eigentlich Regenbogenflaggen, queere Sichtbarkeit und Diversity-Kampagnen auf dem Programm. Und der Juni ist auch die Zeit des Pinkwashings. Doch in den letzten Jahren ist es stiller geworden. Immer mehr Unternehmen ziehen sich von der Pride zurĂŒck â und offenbaren damit einen kulturellen Wandel.
Die westliche Welt rĂŒckt nach rechts. Donald Trump ist zurĂŒck im WeiĂen Haus (helpâŠ), in Europa gewinnen rechtsextreme und christlich-reaktionĂ€re KrĂ€fte zunehmend an Einfluss. Queeres Leben wird wieder vermehrt zum Feindbild erklĂ€rt, insbesondere trans* Jugendliche geraten zunehmend ins Fadenkreuz politischer KulturkĂ€mpfe. Mit diesem globalen rechtskonservativen Backlash vollzieht sich auch eine leise, aber spĂŒrbare Distanzierung der Wirtschaft von der queeren Bewegung. Man sieht immer weniger Regenbogen-Logos, immer weniger Pride-Kampagnen, immer weniger Haltung. Der einst so bunte Kapitalismus verblasst. Der RĂŒckgang von Rainbow-Washing ist eine direkte Folge dieses Backlashes â und zeigt, wie brĂŒchig die vermeintliche SolidaritĂ€t war und ist. Dieser politische Klimawandel wurde mit der Wiederwahl Trumps nun noch einmal verschĂ€rft und hat auch Auswirkungen auf die europĂ€ische Community.
2023 und 2024 zogen Konzerne wie Starbucks, Target oderAnheuser-Busch (Bud Light) ihre Pride-Produkte nach konservativen Boykottaufrufen zurĂŒck, passten Kampagnen an oder beendeten Kooperationen mit queeren Influencer*innen. Auch in Europa zeigen sich die Auswirkungen dieser Entwicklung: Im April wurde bekannt, dass sich wichtige US-Sponsoren vom CSD Köln zurĂŒckziehen. Mit Hinblick auf die guten Wahlergebnisse von offen queerfeindlichen Parteien wie der AfD (Bundestagswahl 2025: 21%) und der FPĂ (Nationalratswahl 2024: 29%) ist zu erwarten, dass Pride-Veranstalter*innen auch hier immer gröĂere Schwierigkeiten haben könnten, Sponsor*innen zu finden.
Klar, viele Konzerne und Persönlichkeiten, die mit Queerness werben, kĂŒmmern sich nicht um unsere LebensrealitĂ€ten (GrĂŒĂe an Katy Perry). Aber so oberflĂ€chlich und profitgetrieben viele Pride-Kampagnen sind â sie sind auch ein Indikator fĂŒr eine gesellschaftliche Offenheit. Viele Unternehmen erhoffen sich durch die UnterstĂŒtzung der Pride eine Verbesserung des eigenen Images und erhöhte UmsĂ€tze. Dass immer mehr Firmen offenbar das Risiko von solchen Kampagnen höher als ihren Nutzen einschĂ€tzen, ist beunruhigend. Besonders fĂŒr junge Queers kann es auĂerdem viel bedeuten, wenn die Lieblingsmarke in ihrer Werbung ein queeres Paar zeigt oder wenn der*die eigene Arbeitgeber*in die Regenbogenflagge hisst. Gerade dann, wenn Schule, Familie oder Religion wenig RĂŒckhalt bieten, schaffen solche Gesten Sichtbarkeit und ein GefĂŒhl der Zugehörigkeit.
Dass Unternehmen heute seltener queere Themen aufgreifen, liegt nicht daran, dass unsere Community leiser geworden wĂ€re â sondern daran, dass der gesellschaftliche Gegenwind stĂ€rker geworden ist. Rainbow-Washing verschwindet nicht, weil Konzerne sich plötzlich der Kritik aus der Community angenommen hĂ€tten, sondern weil queere Themen wieder als Risiko fĂŒr ihren Profit gelten. Der Markt reagiert auf MachtverhĂ€ltnisse â und die verschieben sich gerade spĂŒrbar nach rechts. Umso wichtiger ist es jetzt, andere Formen der SolidaritĂ€t weiter zu stĂ€rken: Community-Arbeit, queere Jugendarbeit, Bildungsarbeit, die Schaffung von mehr Safer Spaces, politische Interessenvertretung und mediale ReprĂ€sentation. Es liegt an uns als Community, diese SolidaritĂ€t jenseits des Marktes zu leben, fĂŒreinander einzustehen und uns politisch einzubringen. Es ist an der Zeit, aktiv Organisationen zu unterstĂŒtzen, die sich fĂŒr unsere Rechte einsetzen, damit queere Themen nicht wieder in den Hintergrund gedrĂ€ngt werden. Unternehmen können dabei VerbĂŒndete sein, aber nur wenn sie das auch in schwierigen Zeiten bleiben.
Text von Daniel Scheibner