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Queer around the world

Gefahren und Chancen von spezifischen Reiseangeboten an unsere Community

Reisen eröffnet uns die Welt, doch für viele LGBTIQ Personen ist jede neue Destination auch ein Risiko. Menschen, deren Identität von heteronormativen Gesellschaften abweicht, müssen sich permanent mit Gesetzeslagen, kulturellen Tabus und latenter Gewalt auseinandersetzen.

Während in Metropolen wie Berlin, London oder San Francisco ein weitgehendes Maß an Akzeptanz herrscht, gilt Homosexualität in über 60 Staaten als Straftat, in einigen gar mit der Todesstrafe bedroht. Binäre und nicht-binäre trans Reisende stehen hierbei oft noch stärker im Fokus von Anfeindungen: Selbst dort, wo gleichgeschlechtliche Beziehungen toleriert werden, werden geschlechtliche Vielfalt und Ausdrucksformen jenseits von „Mann“ und „Frau“ explizit ausgegrenzt. Ein scheinbar harmloser Besuch auf öffentlichen Toiletten kann zur Konfrontation mit Behörden oder Gewalttätern führen.

Doch nicht nur die Gesetzeslage stellt eine Bedrohung dar: Alltägliche Diskriminierung und struktureller Rassismus verstärken das Risiko für queere Reisende, Opfer von Übergriffen zu werden. Schwarze LGBTIQ-Reisende oder solche mit Migrationsgeschichte berichten über doppelte Ausgrenzung. Sei es in Unterkünften, bei Taxis oder in Clubs, in denen Türsteher willkürlich entscheiden, wer hineindarf und wer nicht. In einigen Ländern agieren queerfeindliche Gruppen oder religiöse FundamentalistInnen offensiv gegen queere Tourist*innen, manchmal unterstützt von staatlichen Stellen. Gewaltbereitschaft, Erpressung und sexuelle Übergriffe gehören für manche Geflüchtete und Aktivist*innen zum traurigen Alltag.

Schon bei der Reiseplanung beginnt deshalb das Sicherheitsrisiko: Online-Portale und Social-Media-Gruppen können zwar helfen, queer-freundliche Unterkünfte und Veranstalter zu finden, doch auch sie sind nicht unfehlbar. Manche vermeintlich „LGBTIQ-freundliche“ Hotels werben mit Regenbogenlogo, aber dulden queerfeindliche Mitarbeitende oder geben sensible Daten an Behörden weiter. Deshalb raten Expert*innen dazu, sich auf die Hilfsangebote internationaler Community-Organisationen wie ILGA World oder lokale NGOs zu stützen, welche aktuelle Informationen zu Rechtslage, medizinischer Versorgung und Notrufnummern bereithalten. Reisekrankenversicherungen sollten auf LGBTIQ-Freundlichkeit geprüft werden – etwa, ob sie Behandlungen von HIV oder Hormontherapien im Ausland im Notfall übernehmen können. Gerade trans Personen sehen sich bisweilen mit verweigerten ärztlichen Leistungen konfrontiert, wenn sie außerhalb ihrer Heimat ärztliche Hilfe benötigen.

Selbst vor Ort können vermeintlich harmlose Aktivitäten zur Gefahr werden. Ein Kuss auf die Wange, Händchenhalten, Regenbogenbutton am Rucksack, all das kann in konservativen Regionen als Provokation gelten. In Staaten, in denen Politik und Gesellschaft queerfeindliche Stimmungsmache befeuern, wird die queere Community in logischer Folge oft kriminalisiert: Pride-Teilnehmende werden festgenommen, Gegenveranstaltungen von fanatischen Gruppen geduldet. Reisende berichten, dass sie an Kontrollpunkten von Militär oder Polizei nach ihrem Sexualleben befragt wurden, teils unter Androhung von Gefängnis. Eine beleidigende Bemerkung kann im Extremfall in Polizeigewahrsam oder im schlimmsten Fall in einem „ehrenmordähnlichen“ Angriff enden.

Ein weiteres Phänomen, das die Sicherheit queerer Reisender erschwert, ist „Rainbow-Washing“ auf staatlicher Ebene: Manche Länder inszenieren sich als LGBTIQ-Oasen, um touristische Einnahmen zu steigern, während hinter der glänzenden Fassade repressive Strukturen und Ausgrenzung Alltag bleiben. So wirbt ein Golfstaat mit schillernden Pride-Partys in exklusiven Resorts und verspricht volle Reisefreiheit, während kritische Stimmen von willkürlichen Festnahmen queerer Gäste berichten, sobald sie abseits der ausgewiesenen Tourismuszonen unterwegs sind. Auch in einigen Mittelmeerländern feiert man in Strandclubs Regenbogenpartys, während lokale Initiativen gegen Queerfeindlichkeit im besten Fall ignoriert oder im schlimmsten Fall kriminalisiert werden.

Dieses gezielte Marketing auf Kosten marginalisierter Gruppen macht deutlich: Regenbogenflaggen allein sind kein Garant für Sicherheit und Respekt.

Doch wie lässt sich diesen Gefahren begegnen? Neben der klassischen Reisewarnung durch Außenministerien lohnt es sich, queere Reise-Apps und Chatplattformen von lokalen Aktivist*innen zu nutzen, die oft schneller über plötzlich verschärfte Maßnahmen oder Razzien informieren als offizielle Stellen. Peer-to-Peer-Netzwerke bieten zudem sichere Kontakte für den Notfall, von der anonymen Hotline bis zur Vermittlung von „Safe Houses“. Notfall-Apps, die auf Knopfdruck lokale LGBTQ+-freundliche Anlaufstellen anzeigen, können mitunter Leben retten.

Gerade für trans und intergeschlechtliche Menschen ist es wichtig, Dokumente wie Pass oder Personalausweis in einer Form mitzuführen, die zu ihrem gelebten Geschlecht passt, um staatlichen Repressionen vorzubeugen. Hier ist es in jedem Fall wichtig, sich bereits vor der Reise mit den momentan geforderten Dokumenten auseinanderzusetzen. Gerade sehen wir auch in Regionen, die wir bisher eher als sicher und menschenrechtsfreundlich eingestuft hätten, wie den USA, dass von Personen, die als gendernonkonform oder trans gelesen werden, zusätzlich Geburtsurkunden verlangt werden, die eine Übereinstimmung zum bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht nachweisen sollen. Wenn der Personenstand also nach der Geburt angepasst, also geändert, wurde, kann es zu Befragungen bis hin zur Verweigerung des Einreisevisums kommen. Da diese Überprüfung erst nach Ankunft im Einreiseland erfolgt, ist nicht vorauszusehen, ob die Einreise letzlich bewilligt werden wird. Dadurch entstehen hohe Kosten, welche mit der Begründung der Fahrlässigkeit nicht von Reisenotfall­ver­sicherungen übernommen werden. Der Versuch zur Einreise in ein Land erfolgt somit auf eigene Gefahr, wodurch weitere strukturelle Hürden für uns queere Menschen geschaffen werden, zusätzlich zum emotionalen Stress natürlich.

Eigenverantwortung allein genügt jedoch nicht: Die Reiseindustrie ist gefordert, Verantwortung zu übernehmen! Statt nur Regenbogen-Logos abzubilden, müssen Veranstaltende ihre Partner*innen vor Ort sorgfältig prüfen, Mitarbeitende schulen und transparent über Sicherheitsstandards informieren. Regierungen müssten internationale Menschenrechtskonventionen stärken und bei Verletzungen durch andere Staaten reagieren. Nur wenn politische und wirtschaftliche Hebel gemeinsam wirken, können queere Reisende weltweit wirklich sicher unterwegs sein.

Reisen für LGBTIQ-Personen ist nicht nur ein annehmbares Maß an spaßigem Abenteuer, sondern oft ein Balanceakt zwischen Entdeckungslust und existenziellen Ängsten. Sichtbarkeit ist in vielen Fällen ein Privileg, das mutig verteidigt werden muss. Jede Reise birgt die Hoffnung auf Gemeinschaft und Freiheit, aber auch die Verantwortung für eigene Sicherheit. Wer heute bunter und mutiger aufbricht, hofft auf eine Zukunft, in der queere Identitäten überall mit Offenheit und Respekt begegnet wird. Bis dahin gilt es, wachsam zu bleiben, Verbündete zu suchen und solidarisch für das Recht zu kämpfen, überall ohne Furcht man selbst sein zu dürfen.

Von Mo Blau

HOSI Wien transgender Referat, früher Coming-Out-Team
(Foto: © Marie Dvorzak)