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Regenbogenbunter ESC

Oder nur Kalkül?

Der ESC; Quell der Götter, das Blut der Erde aber auch Fressen für die queeren Leute.

Diesen Monat ist es schon wieder so weit gewesen: der Eurovision Song Contest fand statt. Ein Jahr ist vergangen und wir feierten die 69. Auflage. Der ESC wird stark mit der queeren Kultur in Verbindung gesetzt, doch wie hat sich das mit der Zeit ergeben? Und ist die ESC-Szene tatsächlich so inklusiv oder ist das Teil des Rainbow-Washings?

Rainbow-Washing ist eine Werbestrategie, in der Unternehmen sich als queer und progressiv darstellen, ohne ernsthaftes Interesse an der LGBTQIA+ Community zu haben. Dieses Phänomen ist besonders gut im Pride-Monat Juni zu beobachten.

Der 1956 entstandene ESC hat schlicht angefangen, doch mit der Zeit wurde er bunter und ausgefallener. Queere Künstler*innen gaben sich nur selten preis: Der erste offiziell schwule Sänger war Páll Óskar, der 1997 für Island antrat. 1998 gewann die erste trans Frau – Dana International – für Israel, was eine neue Ära des Wettbewerbs einläutete. Der ESC wurde immer offener und toleranter. Das zeigt sich unter anderem in der Zunahme von auftretenden Drag-Queens wie Verka Serduchka und Conchita Wurst, aber auch an bunten Interval-Acts.

t.A.T.u: Eine Kontroverse nach der anderen

Das russische Popduo t.A.T.u, das im Jahr 2003 beim ESC antrat, sorgte für einen riesigen Aufruhr: Die zwei Bandmitglieder Jelena Katina und Julija Volkova waren schon seit jeher dafür bekannt, sich bei ihren Auftritten körperlich sehr nahe zu kommen und ihr Gimmick war es, sich auf der Bühne zu küssen. Obwohl offiziell nichts über Kuss-Vorschriften in den Richtlinien des Song Contest verzeichnet ist, war durchgesickert, dass, sollte es zu einem Kuss kommen, die Liveübertragung abgebrochen werden und zu der Aufzeichnung einer Probe gewechselt werden würde. Wenngleich heute ein lesbischer Kuss nicht mehr dieselbe Reaktion hervorrufen würde, hat es dennoch eine Vielzahl an Fans verblüfft, wie dies gehandhabt wurde. Am Ende küssten sie sich nicht und der Sender musste nicht eingreifen. Alles ging reibungslos über die Bühne – beinahe.

Es kam heraus, dass die Sängerinnen nichts mit ihren lesbischen Bühnen-Personas gemein hatten. In Interviews gaben sie sogar zu, alles sei nichts mehr als eine PR-Masche, die sie sich zugunsten ihres Images ausgedacht hatten.

Etwas Doppelmoral gefällig?

„Ein Mann hat kein Recht eine Schwuchtel zu sein. Entschuldigung!“

Diese Worte ließen langjährige Fans sprachlos zurück. Doch Julija Volkova war noch nicht fertig: Weiters äußerte sie in einer Fernsehsendung, dass sie ihren Sohn verurteilen würde, wäre er schwul. Gott hätte die zwei Geschlechter aus einem guten Grund geschaffen: der Fortpflanzung willen. Im Gegensatz zu ihrem Sohn, würde Volkova ihrer Tochter die Freiheit geben lesbisch zu sein. Das Publikum klatschte zustimmend und ein Shitstorm begann.

„Die Werte des Eurovision Song Contests sind Universalität und Inklusion sowie die stolze Tradition, Vielfalt mit der Musik zu feiern.“ – European Broadcasting Union

Dieses Zitat begreift den eigentlichen Geist des Eurovision Song Contest sehr gut – die gewollte Stimmung und ebenfalls das erstrebte Gedankengut seiner Teilnehmer und des Publikums, doch wie es scheint, kann dem nicht jeder gerecht werden.

Zum Ende hin muss man sagen, dass der ESC keine dramafreie Zone ist, doch es wird besser. Vielleicht wird es in der Zukunft noch mehr Kandidat*innen geben, die sich auf der Bühne küssen wollen, doch diese sollen weder gehasst noch gefeiert werden, denn es sind nur Küsse.

Text von Edda Eggs

Von Gastautor*in

Unter diesem Tag versammeln sich verschiedene Gastautor*innen der Lambda.