Angesichts der aktuellen Änderungen zu den Rechten von trans Menschen in Großbritannien und J. K. Rowlings Beitrag dazu, steht ein Thema wieder im Raum: Kann man gleichzeitig queer sein und Harry Potter Fan? Auf der einen Seite geht es in der Bücherreihe um Freundschaft, Liebe und den Kampf gegen unterdrückende Systeme – Themen, die besonders für queere Leser*innen relevant sind. Auf der anderen Seite äußert sich die Autorin J. K. Rowling seit ein paar Jahren immer deutlicher gegen die Rechte von trans Menschen und nutzte ihren Einfluss und ihr Geld um sich gegen sie einzusetzen. Dieser Widerspruch macht ratlos. Ist es möglich Werk von Autorin zu trennen? Oder wird eine Welt, die für alle da sein sollte, durch ihre Macherin unwiderruflich beschädigt?
Die queeren Themen in Harry Potter
In den Büchern an sich gibt zwar keinen offenen Umgang mit LGBTQ+ Personen, das Thema wurde, wie im Großteil der populären Literatur zu der Zeit, großteils ignoriert, aber dennoch gibt es Analogien zu queeren Themen. Die magische Welt zeigt Diskriminierung, soziale Ungleichheit und politische Unterdrückung – und vermittelt zugleich, dass es wichtig ist, sich dagegen zu wehren. Eine Studie von 2014 zeigte sogar, dass junge Menschen durch das Lesen von Harry Potter tendenziell weniger Vorurteile gegenüber queeren Menschen, Geflüchteten und Minderheiten hatten, als vor dem Lesen.
Die queere Zielgruppe von Harry Potter
Abgesehen von den inhaltlichen Bezügen ist auch die Fangemeinde sehr von der LGBTQ+ Gemeinschaft geprägt. Das könnte daran liegen, dass die Welt der Fiktion eine willkommene Flucht vor der Realität bedeuten kann. Wenn man sich im echten Leben, gerade als Teenager, nicht mit Beziehungen und seiner Sexualität auseinandersetzen kann oder will, bieten Bücher und Filme einen sicheren Raum um sich mit den eigenen Gefühlen und Interessen zu beschäftigen. Zudem wuchs das Fandom mit dem Aufkommen des Internets. Fanfictions, queere Ships (das sind von Fans geschaffene Geschichten zu romantischen Beziehungen, die in den Büchern so nicht vorkommen) und eigene Interpretationen haben die Welt von Hogwarts mitgestaltet. So werden queere Geschichten erzählt, die im Originalwerk nie explizit erwähnt werden.
Die fehlende Repräsentation von queeren Figuren
Offiziell gibt es nur eine queere Figur: Albus Dumbledore. Doch seine Homosexualität wurde erst nach der Veröffentlichung der Bücher in einem Interview erwähnt. Dass seine Beziehung zu Gellert Grindelwald, dem mächtigsten dunklen Magier vor Lord Voldemort, in seiner Jugend nicht nur freundschaftlich sondern romantisch war, wurde im letzten Film der fantastischen Tierwesen Reihe offiziell bestätigt. Die Reaktion darauf war gespalten: Für manche ein längst überfälliger Schritt, für andere ein halbherziger Versuch, Repräsentation nachzuliefern. Schon am Beispiel von Albus Dumbledore zeigt sich also die Ambivalenz zwischen Fandom und Autorin.
J. K. Rowlings Einsatz gegen trans Menschen
Ernster ist jedoch J. K. Rowlings Haltung gegenüber trans Personen. Obwohl sie in ihren Tweets anfangs noch von Unterstützung ihnen gegenüber sprach, wurde klar, dass sie deren Identitäten nicht anerkennt und ihre transfeindlichen Aussagen wurden progressiv schlimmer. Unter anderem verbreitet sie das Narrativ, dass trans Frauen eine Bedrohung für cis Frauen darstellen bzw. dass cis Männer sich als Frauen verkleiden würden, um Frauen in Schutzräumen zu belästigen. Diese Haltung hat die Beziehung zwischen der Autorin und weiten Teilen ihres Fandoms nachhaltig beschädigt. Die Frage steht im Raum: Wie viel ihrer Ansichten finden sich in ihren Werken wieder?
Wie soll man damit umgehen?
Es gibt keine einfache Antwort. Manche versuchen Werk und Autorin zu trennen. Andere wollen Harry Potter gar nicht mehr konsumieren oder zumindest keine Produkte kaufen, an denen Rowling Geld verdient. Nicht zu unterschätzen ist, wie prägend die Geschichten für viele waren, wie schwierig es ist, dass sie nicht mehr die gleiche Sicherheit wie früher bietet. Trotzdem ist das Bedürfnis da, Stellung zu beziehen, zu protestieren. Auch wenn die Autorin es anders sieht, vielleicht können wir kollektiv beschließen, dass Hogwarts ein sicherer Ort für LGBTQ* Schüler*innen ist.