Kaum zu glauben, aber wahr: Mit Erscheinen dieser Ausgabe bin ich offiziell zu alt für das QYVIE-Jugendteam. Ja, du hast richtig gelesen – ausgerechnet ich, dessen jugendlicher Charme eigentlich die Zeit stillstehen lassen sollte. Ein unsichtbarer Timer ist abgelaufen, und plötzlich stehe ich vor der Schwelle zur „Ü29-Riege“. Was jetzt? Orthopädische Schuhe statt Fetischgear? Anti-Aging Creme statt Poppers? Muss ich endlich “Twink” aus meiner Grindr Bio nehmen?
Jung, frisch, frech – Jugend als Fetisch
Auch für die queere Community, die sich von Göttern alter Pantheons abgewandt hat, gibt es weiterhin eine Religion mit einer unzählbaren Schar Anhänger*innen: Die Jugend. Damit soll nicht etwa die sogenannte „Jugend von heute“ gemeint sein, mit ihren komischen TikToks und Avocado-Toasts.
Nein, gemeint ist frisches, saftiges, haarlos-glattes Fleisch. Die jugendlichen Körper, die sexuell begehrt, künstlich verjüngt, frisch geschlüpft sind. Mit ihnen möchte man sich identifizieren, mit ihnen möchte man schlafen. Man sieht sie im Fernsehen, in Szenen, die in Nachtclubs spielen oder auf perfekt kuratierten Social Media-Kanälen.
Versteht mich nicht falsch: Der Jugend soll die Jugend gegönnt sein, jedoch müssen wir als Community unsere Obsession anerkennen. Wir (als Community) haben einen ungesunden Fetisch mit jungen Körpern. Es gibt die (un)ausgesprochene Regel, vielleicht nicht für die ewige Jugend aber für den ewig jungen Körper.
Selbst wenn man Begriffe wie “Daddy” ins Spiel bringt, die ja vermeintlich dieses Muster aufbrechen, so setzt sich hier doch auch der Altersfetisch fort. Nicht nur gibt es hier einen fragwürdig inzestuösen Beigeschmack, sondern auch eine Fetischisierung der eigenen Jugend – gegenüber dem gealterten, väterlichen Lustobjekt. Man stelle sich vor, es ginge bei der Bezeichnung “Daddy” um eine aufrichtige Wertschätzung des Alters einer Person. “Daddy” beschreibe die Lebensweisheit und den Erfahrungsreichtum. “Daddy” ist, wer das Privileg genoss, als queerer Mensch alt zu werden – wie wir wissen eine recht neue Errungenschaft, und selbst da kämpfen wir noch mit erhöhten Sterblichkeitsraten junger queerer Menschen.
Alt und ungeliebt
Leider lässt sich auch nicht auf mediale Vorbilder verweisen. Queere Liebesgeschichten sind vermehrt im Bereich der Jugend angesiedelt – ein Problem, das wir uns vielleicht auch mit den cis-Heten teilen. Alter ist gesamtgesellschaftlich selten die Bühne für reißerische Liebesgeschichten. Und dennoch – es fehlt ja oft an realen Vorbildern dafür – gibt es kaum Geschichten, in denen das alte Ehepaar, die alten Nachbar*innen einfach queer sind. Das A in LGBTIQA steht definitiv nicht für Alt, aber es könnte sich die Abkürzung mit Aromantischen und Asexuellen teilen, so wenig wie man all diese in Film und Fernsehen zu Gesicht bekommt.
Was jetzt, Opa?
Auch wenn es einem manchmal so vorgehalten wird: Die Dreißiger sind definitiv noch nicht der Lebensabend. Für die meisten gehöre ich noch nicht zur Senior*innen-Riege des Vereins (und wehe, jemand sagt was anderes). Und dennoch bedeutet es für mich, Abschied zu nehmen von der (Vereins-)Jugend. Älterwerden ist manchmal ein Ende und das ist auch in Ordnung so. Es ist an der Zeit, uns auf alle Phasen des Lebens einzulassen und die Fülle der Vielfalt zu feiern, die unsere Gemeinschaft ausmacht.
Ich werde wirklich nicht mehr jünger und das freut mich. Älterwerden ist mit jedem Jahr eine weitere Befreiung: Von Schönheitsnormen, schlechten Lernerfahrungen und dem unfassbaren Druck, „jung geblieben“ zu bleiben. Man ist so alt, wie man sich fühlt, und ich fühl mich richtig alt und das ist super geil. Wer weiß, vielleicht fang ich an auf Dating-Apps mit meinem Alter zu lügen. Vielleicht werde ich 35? 42? Vielleicht Deinstallieren und ein örtliches Kryptid im Wald werden.
So blicken wir also nach vorne, mit Stolz auf das, was wir bereits erreicht haben, und voller Neugier auf das, was noch kommen mag. Denn das Leben, und insbesondere das queere Leben, wird niemals alt – es wird nur noch besser.