Kategorien
Editorial

Grußwort

Bodyshaming, das ist unser Überthema für die vorliegende Ausgabe der Lambda. Ein deutsches Pendant zum Begriff lässt sich scheinbar schwer finden. „Körperscham“, was soll das sein? Gemeint sind beim Bodyshaming vor allem gezielte negative Äußerungen zum Körper einer Person. Gerade zum Gewicht wird sich da im ursprünglichen Verständnis des Wortes ungefragt und übergriffig geäußert. Wer kennt sie nicht, die unerbetenen Kommentare bei der Familienfeier oder beim Grillfest im Bekanntenkreis. Lange gab es dafür kein richtiges Wort, weshalb sich nun mit dem Begriff aus dem Raum online beholfen wird. „Du hast aber ganz schön zugelegt. Wenn du so weiter machst, findest du nie eine Beziehung“, oder „Du fällst ja fast vom Fleisch, iss doch mal etwas!“ sind berüchtigte Beispiele. Während das für manche von uns harmlose Bemerkungen sind, können sie für andere auf Dauer eine starke Belastung bedeuten. Besonders dann, wenn sie ohnehin nicht akut etwas an ihrem Körper ändern können. Deshalb leben viele nach dem Leitsatz, „wenn du es nicht innerhalb von fünf Minuten ändern kannst, merke ich es höchtens auf explizite Nachfrage an, oder eben garnicht erst“. Soll heißen, einen Fleck vom Essen kann jemand vielleicht übersehen haben und noch schnell rauswaschen, die Form der Nase hingegen ist eher schwer schnell zu ändern, warum also überhaupt erst anmerken, dass sie einem nicht gefällt!?

Jetzt fragen sich sicher einige, wer so ein emotionaler Elefant im Porzellanladen sein könnte, solche Gedanken ungefragt zu teilen. Es ist jedoch nicht verwunderlich, dass es vielen Menschen nicht auffällt, wie unangebracht negative Kommentare zum Körper anderer sein können, wenn uns in den Medien vorgelebt wird genau das zu teilen sei erstrebenswert. Ganze Zeitschriften und Klatsch-Sendungen basieren auf dem Konzept, die Körper, Kleidung und das Liebesleben unserer Lieblingsstars zu kommentieren, bzw. einzuteilen in „gut“ und „schlecht“.

Eine neue Qualität hat allerdings die Besessenheit von PolitikerInnen und Meinungsmachenden erreicht, die es scheinbar mitunter als ihre wichtigste Aufgabe sehen, unsere Körper negativ zu kommentieren. Dabei spielen Machtgefälle immer eine große Rolle. Der Mann möchte durch Bodyshaming die Frau dazu bringen, seinen Vorstellungen eines richtigen Körpers zu entsprechen, um die erdachte natürliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Die cis Person erklärt der trans Person, dass sie entweder zu viel oder zu wenig von etwas hat oder nicht hat, um einen Raum zu betreten, oder einfach nur an den falschen Stellen. Lesbischen Frauen wird ungefragt von heterosexuellen erklärt, dass sie nur schön seien, wenn sie auch lange Fingernägel hätten, obwohl das für manche eher unpraktisch wäre.

Wichtig zu sagen ist: Bodyshaming hört nicht mit dem privaten Raum auf, es ist Teil der Politikdebatten. Es endet nicht, nur weil ich mein Handy zur Seite lege, sondern passiert auch auf den Straßen, bei der Arbeit, überall wo Menschen miteinander sind. Es ist immer eine gewisse Ausübung von Macht, oder zumindest der Versuch, sich gegenüber dem, was als Falsch gilt, abzugrenzen, und das möchten wir doch bitte noch selbst für uns entscheiden. Unsere Körper sollten uns gehören!

Von Mo Blau

HOSI Wien transgender Referat, früher Coming-Out-Team
(Foto: © Marie Dvorzak)