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Transmedizin

Zwischen eigenem Leben und Stigmatisierung

Über Jahrzehnte hinweg wurde Geschlechtsinkongruenz (Anm.: Das empfundene Geschlecht einer Person stimmt nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenem biologischen Geschlecht überein) im ICD-Code (International Classification of Diseases) als „psychische Erkrankung“ geführt. Diese Klassifizierung trug maßgeblich zur Stigmatisierung und Diskriminierung von trans Personen bei. Trotz der offiziellen Entpathologisierung in medizinischen Klassifikationen sind trans Personen weiterhin erheblichen Hürden ausgesetzt. Auch Unsicherheit im Umgang mit der richtigen Terminologie und das korrekte Wording sind dabei besonders bedeutsam. Für viele trans Personen ist die Sprache mehr als nur ein Mittel zur Kommunikation – sie ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität und ihres täglichen Kampfes gegen gesellschaftliche Vorurteile.

Die tief verwurzelte Stigmatisierung von Transidentität, die durch diese historische Klassifizierung gefördert wurde, hat eine nachhaltige Auswirkung auf die Lebensqualität von trans Personen. Diese Stigmatisierung führt oft zu einem Gefühl der Isolation und Entfremdung, sowohl im sozialen Umfeld als auch in der Familie. Es ist nicht nur die gesellschaftliche Akzeptanz, die fehlt, sondern auch die notwendige Unterstützung, die ihnen ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass viele trans Personen das Gefühl haben, ständig um ihre Existenzberechtigung kämpfen zu müssen. Diese Kämpfe erstrecken sich über alle Lebensbereiche und machen deutlich, dass ein tiefgreifender Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Transidentität notwendig ist.

Diskriminierende Behandlung im Gesundheitswesen

Ein weiteres zentrales Problem für trans Personen ist die Diskriminierung, die ihre medizinische Behandlung häufig kennzeichnet. Art und Ausmaß der verpflichtenden Behandlungen werden oft von Ärzt*innen, Psycholog*innen und anderen Fachkräften bestimmt, ohne dass die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der betroffenen Personen ausreichend berücksichtigt werden. Diese Fremdbestimmung kann sich in langwierigen, oft erniedrigenden Begutachtungsprozessen äußern, die trans Personen durchlaufen müssen, um Zugang zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen zu erhalten. Das Gefühl, über den eigenen Körper und die eigene Identität nicht selbst bestimmen zu können, verstärkt das Leid und die Frustration vieler trans Personen.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass trans Personen im Gesundheitswesen auf Fachkräfte stoßen, die entweder unzureichend informiert sind oder Vorurteile gegenüber Transidentitäten hegen. Diese Unkenntnis oder Abwehrhaltung kann dazu führen, dass trans Personen nicht die angemessene und notwendige medizinische Versorgung erhalten. Oftmals müssen sie sich für medizinische Leistungen rechtfertigen, die für cisgeschlechtliche Personen selbstverständlich und leicht zugänglich sind. Die mangelhafte Anerkennung, dass Transidentität eine Facette menschlicher Vielfalt ist, kann nicht nur den Zugang zu medizinischen Behandlungen erschweren, sondern auch das Vertrauen in das Gesundheitssystem untergraben. Viele trans Personen zögern deshalb, sich überhaupt in medizinische Betreuung zu begeben, was langfristig negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben kann.

Darüber hinaus erleben trans Personen oft diskriminierende und unangemessene Fragen oder Kommentare, die dazu führen, dass viele trans Personen den Gang zum Arzt oder zur Ärztin so weit wie möglich vermeiden und Medikamente über das Internet bestellen. Dieser Kreislauf der Diskriminierung und Angst vor Diskriminierung ist ein wesentlicher Faktor, der zur marginalisierten Position von trans Personen im Gesundheitssystem beiträgt.

Richtungswechsel

Ziel in der Transmedizin ist es deshalb, eine zunehmende Sensibilisierung für die Problematik der Diskriminierung zu schaffen, Beratung und Unterstützung durch einen „Transbuddy“ zu ermöglichen und Einfühlungsvermögen in allen Belangen zu zeigen. Jedes Anliegen wird ernst genommen und nicht bewertet. Vielfalt muss nicht nur propagiert, sondern gelebt werden. Durch eine medizinisch-soziale Beratung, Peergroups, Zusammenarbeit der Gesundheitsdienstleister*innen und Erfahrungsaustausch in der Community können wir auf allen Ebenen begleiten und helfen, um gemeinsam Barrieren abzubauen.

Ein wichtiger Aspekt der Unterstützung ist die Aufklärung und Weiterbildung von Fachkräften im Gesundheitswesen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass medizinisches Personal nicht nur über die medizinischen, sondern auch über die sozialen und psychologischen Bedürfnisse von trans Personen informiert ist.

Ein weiterer entscheidender Schritt ist die Einbeziehung von trans Personen selbst in die Entwicklung und Gestaltung von Gesundheitsdienstleistungen. Ihre Erfahrungen und Perspektiven können wertvolle Einblicke bieten und dazu beitragen, dass Angebote tatsächlich bedarfsgerecht und respektvoll gestaltet werden.

Hormontherapie und Beratung

Es benötigt eine spezialisierte Beratung und Versorgung für trans Personen, die eine Hormontherapie beginnen oder fortsetzen möchten, mit einem geschulten Team, um die speziellen medizinischen und psychologischen Bedürfnisse der Patient*innen zu verstehen und zu unterstützen. Patient*innen müssen sich gut informiert und sicher fühlen, wenn sie eine solche Therapie in Erwägung ziehen.

Psychosoziale Unterstützung

Die psychosoziale Unterstützung sollte ein integraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung sein, da viele trans Personen nicht nur körperliche, sondern auch psychische Belastungen erfahren. Diese Belastungen können durch Diskriminierung, Ablehnung oder die Herausforderungen des Transitionsprozesses verstärkt werden. Dabei empfiehlt sich eine enge Zusammenarbeit mit lokalen LGBTQIA+ Organisationen und Therapeut*innen, um Patient*innen ein umfassendes Unterstützungsnetzwerk zu bieten.

Sensibilisierte Mitarbeiter*innen

Wie schon erwähnt sind die Mitarbeiter*innen in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung, inklusive Ärzt*innen und Apotheker*innen, ein wichtiger Aspekt. Durch regelmäßige Sensibilisierungs- und Fortbildungsmaßnahmen muss sichergestellt werden, dass sie die neuesten Entwicklungen und Herausforderungen in der Transmedizin verstehen, damit sie auf Bedürfnisse und Anliegen aller Kund*innen wertfrei eingehen können.

Transbuddy-Programm

Bei solch einem Programm, das wir auch in unserer Apotheke integriert haben, wird trans Personen ein „Transbuddy“ zur Seite gestellt, der vor Ort emotionale Unterstützung und praktische Hilfe anbietet. Der Transbuddy, welcher selber eine trans Person ist, fungiert dabei als sicherer Hafen und Vermittler, um den Zugang zu wichtigen Ressourcen zu erleichtern. Das Transbuddy-Programm ist ein besonders wertvolles Angebot, da es in einer oftmals herausfordernden Situation Unterstützung und Solidarität bereitstellt. Der Transbuddy steht nicht nur für medizinische Fragen zur Verfügung, sondern bietet auch emotionalen Beistand und hilft, Barrieren abzubauen, die im Alltag auftreten können.

Diskriminierung im Gesundheitswesen ist für viele trans Personen eine alltägliche Herausforderung. Um diesen Missständen entgegenzuwirken, bedarf es eines tiefgreifenden Wandels in der gesellschaftlichen und medizinischen Wahrnehmung von Transidentität. Durch spezialisierte Angebote und eine enge Zusammenarbeit mit der Community können wir einen Beitrag leisten, um die Diskriminierung zu verringern und die Lebensqualität von trans Personen nachhaltig zu verbessern. Der Weg zu einer diskriminierungsfreien Transmedizin ist noch lang, doch mit gezielten Maßnahmen und Sensibilisierung kann dieser Prozess beschleunigt und erleichtert werden.

Mag. pharm. Manuel Wendl

Von Gastautor*in

Unter diesem Tag versammeln sich verschiedene Gastautor*innen der Lambda.