Queere Lebensereignisse feiern
In der Gesellschaft gibt es für viele Ereignisse Handlungsrichtlinien, nach denen wir uns richten können: Geburtstagspartys, Glückwunschkarten zur Geburt oder Geldgeschenke zur Hochzeit. Für queere Lebensereignisse fehlen solche Handlungsrichtlinien oft. Zum Beispiel werden bei queeren Hochzeiten oft traditionelle Elemente wie der Ringtausch adaptiert. Aber was ist mit den Ereignissen, die nur queere Menschen feiern? Sei es Zufriedenheit und Erleichterung über Coming-out, oder ein wichtiger Schritt in der Transition. Beim Herumfragen haben die Wenigsten Ideen für angemessene Unterstützung oder Geschenke als Ausdruck der Freude, teilweise wird überhaupt nicht darüber nachgedacht. Dabei sind diese Ereignisse genauso wichtig wie eine Geburt und es liegt an uns, ein Bewusstsein dafür zu schaffen und uns Unterstützungsmöglichkeiten für Angehörige zu überlegen, beispielsweise wenn sie eine gute Erfahrung bei einem Coming-out machen durften oder die Personenstandsänderung beantragt haben.
Wir können uns damit unsere eigenen Traditionen schaffen. Wir können eine Form der Spiritualität leben, die von der heteronormativen, traditionellen Denkart abweicht – die unsere eigene Lebensrealität widerspiegelt. Spiritualität ist als Begriff schwierig zu fassen und kann für jede Person auch etwas anderes bedeuten. Manche Menschen empfinden es als spirituell, nach dem eigenen Daseinszweck zu suchen. Andere sehen eine Verbindung zu etwas Größerem als das Selbst und der Gesellschaft. Oft wird Religion mit Spiritualität verbunden, dies ist aber nicht zwangsweise so. Besonders in der queeren Community kann Spiritualität eine Form von innerer Heilung und Wohlbefinden sein, die uns hilft, uns selbst zu akzeptieren und unsere Identität zu feiern. Indem wir eigene spirituelle Traditionen entwickeln, schaffen wir Räume der Selbstermächtigung und Gemeinschaft.
Im Gugg schaffen wir einen Safer Space, welchen wir miteinander teilen, in dem wir beisammen sein können, die Gemeinschaft genießen und Ansprechpersonen für die Themen haben, die uns bewegen. Ich habe schon Gespräche über Religion, einen 1-jährigen Geburtstag einer erwachsenen Person und verschiedenste kulturelle Ansichten am LesBiFem-Abend geführt. Auch Tarotkarten wurden mir dort das erste Mal gelegt und die Gespräche an diesem Abend waren auf allen Seiten sehr intensiv. Wir müssen es uns selbst vor Augen halten:
Selbst wenn wir aus konservativen religiösen Gemeinschaften ausgeschlossen werden, selbst wenn Menschen mit vermeintlicher Heilung für queere Menschen uns im Fußballstadion begegnen und uns bedrängen, selbst wenn wir nach Ansicht des Papstes nicht den gleichen Hochzeitsritus empfangen dürfen wie heterosexuelle Menschen – wir haben uns. Als Community sind wir stark. Wir erschaffen uns Traditionen, teilen Spiritualität und begleiten uns auf unseren Wegen. Damit können wir innere Harmonie, (Selbst-)Liebe und Akzeptanz finden. Spiritualität kann einen Prozess von Selbstakzeptanz umfassen, der uns zeigt, dass wir genau so, wie wir sind, richtig und großartig sind.
Als eines der wichtigsten Rituale kann wohl die Vienna Pride inklusive der Regenbogenparade betrachtet werden. Nicht nur feiern wir dort unsere Vielfalt, wir zeigen auch Präsenz in der Gesellschaft. Wir gedenken der Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr bei uns sein können. Das Names Project (eine Arbeitsgruppe der HOSI Wien) bietet einen größeren Raum für gemeinsame Trauer und Heilung. Durch das Fertigen und Auslegen der AIDS-Memorial-Quilts wird nicht nur Trost gespendet und die Heilung der Angehörigen unterstützt, sondern auch das Andenken an die Verstorbenen lebendig gehalten. Diese Quilts sind ein kraftvolles Symbol dafür, dass die Menschen, die wir verloren haben, niemals vergessen werden. Solche Traditionen zeigen, wie wichtig es ist, unsere Geschichte zu bewahren und zu zelebrieren, während wir gleichzeitig neue Wege und Rituale schaffen, um unsere Identität und Gemeinschaft zu stärken.