Ein Priesterpaar über Queerness und Religion
Ein Interview von Sebastian Brandstätter.
Zu Gast bei Peter und Peter im Pfarrhaus der evangelischen Kirche Hallein in Salzburg. Bei Kaffee und Kirschkuchen sprechen die beiden mit mir über den Zusammenhang zwischen Religion und queeren Thematiken, gesellschaftliche sowie politische Entwicklungen und Meilensteine, die sie in den Jahren ihrer kirchlichen Tätigkeit miterlebt haben.
SB: Ihr beide seid ein Paar und habt auch noch den gleichen Vornamen? Um Verwirrungen vorzubeugen, könnt ihr euch beide erstmal vorstellen?
PP: Ich bin der Peter Pröglhöf. Ich bin Fachinspektor für den evangelischen Religionsunterricht in Salzburg, Tirol und Vorarlberg und das seit dem Jahr 2000. Davor war ich evangelischer Pfarrer in Saalfelden.
PG: Ich bin Peter Gabriel. Ich bin seit 2006 evangelischer Pfarrer in Hallein. Ich war davor Pfarrer in Salzburg. Wir beide sind seit 33 Jahren ein Paar. Wir haben im Jahr 2001 kirchlich und standesamtlich geheiratet.
SB: Queer sein und Religion wird von einigen Menschen ja als ein Widerspruch angesehen. Kommen Menschen häufig zu euch, um euren Rat in dieser Thematik einzuholen?
PG: In dieser Gemeinde hier eher selten, weil es mittlerweile mit uns einfach selbstverständlich ist. Es gibt halt immer wieder fundamentalistische Tendenzen, also Menschen, die die Bibel wortwörtlich nehmen. Mit diesen Menschen sind Diskussionen oft auch nicht einfach. Ich hatte vor Kurzem ein Gespräch mit einem 15-jährigen Schüler, der ein Pamphlet geschrieben hat. Das hat er an zig Pfarrer und Pfarrgemeinden verschickt. In dem steht dann beispielsweise, dass queere Menschen Sünder seien und auf der anderen Seite auch, dass Frauen nicht Pfarrerinnen sein dürften.
SB: Wie hast du darauf reagiert?
PG: Ich habe gesagt, dass wir uns mal zusammensetzen und jetzt reden wir mal. Da wurde aber dieses Verständnis „Aber das steht doch da in der Bibel“ des Jungen klar. Aber auch mit einer Doppelbotschaft, weil er sagte, dass er wüsste, dass ich mit meinem Partner zusammenlebe und er mich damit nicht verletzen wollte. Er bezeichnete es aber trotzdem als Sünde.
SB: Wie argumentiert man dann am besten mit Leuten, die sagen: „In der Bibel steht aber dieses und jenes“?
PG: Eine Argumentation von mir ist: „Das Wort Gottes ist nicht die Bibel, sondern Jesus Christus.“ Wenn ich sage, dass ich an das Wort Gottes glaube, dann glaube ich an die Person Jesus Christus. Die Bibel ist lediglich die Grundlage, in der die Geschichten drinnen stehen, aber das ist nicht das Entscheidende. Wenn man sich Jesus Christus als jemand vorstellt, der auf die Menschen zugeht und die bedingungslose Liebe verkörpert, fallen mit diesem Bild gewisse Bibelstellen eigentlich raus. Viele Leute nehmen sich bei ihrer Argumentation auch die für sie passenden Bibelstellen raus. Sie argumentieren dann mit dem Alten Testament und mit der Stelle, dass „ein Mann nicht bei einem Mann liegen“ dürfe. Andere Stellen der Bibel werden in ihrem Leben gar nicht berücksichtigt. Es ist auch immer eine Frage, wie die Bibel ausgelegt und interpretiert wird.
SB: Ihr seid ja jetzt schon länger als queere Pfarrer aktiv und habt viele Entwicklungen mitbekommen. Was ist eurer Meinung nach politisch und gesellschaftlich der größte Meilenstein, den ihr miterlebt habt?
PP: Ich würde sagen die rechtliche Absicherung. Die eingetragene Partnerschaft und dann die Ehe für Alle. Das ist für mich immer wieder erschütternd, dass in Österreich das alles immer nur über Gerichtsurteile zustande gekommen ist und nie als politischer Wille des Parlaments. Die Nationalratsabgeordneten wurden letztlich nur gerichtlich zu solchen Entscheidungen gezwungen. Wenn man darüber nachdenkt, ist das eigentlich furchtbar.
PG: Also im gesellschaftlichen Kontext würde ich schon sagen, das Adoptionsrecht. Das hängt ja mit dem Thema Partnerschaft und Ehe zusammen. Das eröffnet queeren Paaren ganz andere Perspektiven. Für uns beide war das damals klar, dass wir als Schwule zusammenleben, heißt kinderlos zu sein. Wir sind natürlich nicht kinderlos. Ich habe eine Gemeinde mit vielen Kindern und auch drei entzückende Patenkinder. Wir haben aber eben auch ein Freundespaar: Die beiden sind Anfang 40 und die haben ein Kind adoptiert. Es ist schon nochmal eine neue Perspektive für queere Paare.
SB: Und für euch als Pfarrer und ehemaliger Pfarrer, was ist der größte kirchliche Meilenstein und wo seht ihr bestehende Ungerechtigkeiten?
PG: Sehr entscheidend ist, dass für evangelische Kirchen gilt, dass eine Pfarrperson queer sein kann, dass das möglich ist. Für die evangelische Kirche ist das im Jahr 1996 so entschieden worden. Das ist in der katholischen Kirche nach wie vor nicht möglich. Ich kann als katholische Kirche beispielsweise sagen, dass queere Menschen oder Frauen nicht Priester*innen sein dürfen.
PP: Es gibt leider auch nach wie vor noch viele Gemeinden, wo ich als queeres Paar nicht kirchlich heiraten kann, auch evangelisch nicht. Jede Gemeinde entscheidet, ob sie das machen möchte oder nicht. Es gibt den Beschluss in der evangelischen Kirche, dass queere Paare heiraten können, aber jede Gemeinde entscheidet selbst, ob sie das machen möchte. Wir argumentieren beim Thema Ehe für Alle damit, dass das die Ehe zwischen einem heterosexuellen Paar überhaupt nicht entwertet. Also wenn queere Menschen nach ähnlichen Leitmotiven leben wie ein Heteropaar, dann ist es ja eine Aufwertung dieser Institution Ehe.
SB: Peter (Pröglhöf), Du hast mit deinem beruflichen Werdegang sicher genauer Einblicke in Schulen. Wie würdest du dieses Dreieck aus queer Sein, Religion und Schule beschreiben?
PP: Im schulischen Kontext begegnen wir nach wie vor besonders orthodoxe Schülerinnen und Schüler, wobei es meistens Schüler sind. Viele davon bekommen die familiäre Prägung sehr stark mit und stempeln queere Menschen deshalb konsequent als Sünde ab. Hier kamen und kommen manchmal auch queere Schüler*innen auf mich zu und erzählen mir, dass sie von ihren orthodoxen Schulkolleg*innen als Sünder bezeichnet wurden. Das gibt es nach wie vor. Es gibt mittlerweile Gruppen, die man nicht mehr wirklich erreicht und mit denen eine konstruktive Diskussion sehr schwer geworden ist. Wir brauchen aber diese Diskussion, um Schritte aufeinander zugehen zu können.
SB: Zum Abschluss möchte ich euch beide noch etwas fragen. Was möchtet ihr den Leser*innen der Lambda persönlich noch mitgeben?
PP: Ich mache es einfach: Trau dich du selbst zu sein.
PG: Es ist nicht selbstverständlich, dass queere Menschen toleriert oder noch besser akzeptiert werden. Es ist nach wie vor wichtig, dass wir, die wir queer sind, dafür arbeiten und kämpfen. Wir müssen weiter gemeinsam für unsere Rechte und Gleichberechtigung einstehen.