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Kultur

It’s gonna be …. LOUDER

Die Nachricht verwunderte uns alle, als mit Ende Juni der schwule Chor der Uni Wien „die MĂ€nnersache“ aufgelöst wurde. Die begeisterte Gruppe hat aber beschlossen ihn weiterzufĂŒhren: Sie haben einen Verein gegrĂŒndet und dadurch ist der Vienna Gay Men’s Chorus entstanden. Aus diesem Anlass wurde der Chorleiter Dr. Casey J. Hayes interviewt.

Casey Hayes
Casey Hayes

ErzĂ€hl ĂŒber dich: Wie hast du mit LGBTIQ+ Chören in den USA angefangen?

Ich hatte mein Coming-out vor meinen Eltern, als ich neun war. Ihre Reaktion war sehr ruhig: Wir wissen das schon seit du sieben warst. Ich war immer ein offen schwuler Mann, und habe nie schreckliche Coming-out Geschichten erlebt. Mein Leben war normal und akzeptiert von den meisten: Ich war also bereit, mit klaren GefĂŒhlen und Selbstbewusstsein in die LGBTIQ+ Gemeinschaft einzutreten.

JĂ€nner 2000 trat ich meinem ersten Schwulenchor bei. Damals lebte ich in Seattle, zog aber nach Indianapolis zurĂŒck. Ich war auf der Suche nach Gesellschaft. Der Indianapolis Men’s Chorus war die perfekte Entscheidung: Als Musiklehrer in einem Gymnasium wurde ich Begleiter und stellvertretender Leiter dieses Chors, bevor ich mit meinem Mann nach New York zog, um in MusikpĂ€dagogik zu promovieren. In meiner Dissertation konzentrierte ich mich auf die pĂ€dagogische Arbeit in schwulen MĂ€nnerchören in Zusammenhang mit ihrer einzigartigen Geschichte, KĂ€mpfen und Kultur.

WĂ€hrend meines Aufenthalts in New York wurde ich der musikalische Leiter des New York City Gay Men’s Chorus, des bekanntesten und Ă€ltesten schwulen MĂ€nnerchors der Welt. Das hat mein ganzes Leben verĂ€ndert! Hier wurde mir klar: obwohl die Gesellschaft dazu neigt, die Teile unserer Gemeinschaft [LGBTIQ+] zu verbinden und vermischen, sind wir historisch, sozial und kulturell recht unterschiedlich. Wir haben mit Ă€hnlichen Problemen zu kĂ€mpfen, aber unterscheiden uns in unserem Wachstum und unserer Entwicklung als eigenstĂ€ndige Gemeinschaften.

Als unsere Eltern krank wurden, zogen wir zurĂŒck nach Indiana und ich ĂŒbernahm den Cincinnati Men’s Chorus, ein Schwulenchor, den ich innerhalb von sechs Jahren von knapp 30 auf 80 SĂ€nger vergrĂ¶ĂŸert habe. Wegen der Entfernung ĂŒbernahm ich dann einen Chor in Bloomington, Indiana der viel nĂ€her an meinem Wohnort lag, wo ich bis zu meinem Umzug nach Wien blieb.

Was sind deine positiven oder negativen Erfahrungen? Was unterscheidet euch von einem Hetero-Chor?

Meiner Meinung nach ist der grĂ¶ĂŸte Unterschied die Mission des Chors: Wenn ein LGBTIQ+ Chor die BĂŒhne betritt, noch bevor die SĂ€nger*innen einen einzigen Ton gesungen haben, gibt er eine politische, soziale und kulturelle ErklĂ€rung ab. Er reprĂ€sentiert eine grĂ¶ĂŸere Gemeinschaft und nicht nur sich selbst! Das bedeutet eine riesige Verantwortung! Deshalb glaube ich, dass die Musik tadellos und das Aussehen des Ensembles so einheitlich und makellos wie möglich sein mĂŒssen. Die Menschen kritisieren gerne, aber das ist viel schwieriger, wenn die Musik kraftvoll und das Aussehen professionell sind. Das beschrĂ€nkt sich aber nicht nur auf schwule Chöre oder andere Chöre mit Ă€hnlichen Zielen.

Warum glaubst du, dass es wichtig ist, so einen Chor (oder mehrere Chöre) der LGBTIQ+-Community in Wien zu haben?

Es ist kein Alleinstellungsmerkmal, einen solchen Chor in Wien zu haben: Es gab schon seit langem einen schwulen Chor in Wien, der erst vor kurzem aufgelöst wurde. Aber Wien ist eine Weltstadt der Kultur! Warum sollte es denn ein solches Ensemble NICHT geben?

Ich wĂ€re der GlĂŒcklichste, wenn es einen Lesbenchor, einen Queer-Chor, einen Trans-Chor gĂ€be. Jeder Buchstabe von LGBTIQ+ steht fĂŒr eine eigene Kultur, und bei jeder Kultur gibt es eine Verantwortung, die Öffentlichkeit aufzuklĂ€ren. Meiner Meinung nach ist die Musik der am wenigsten bedrohliche Weg dafĂŒr. Es gibt viele Chöre auf der Welt, die als kulturelle Botschafter fĂŒr die schwulen, lesbischen, trans, usw. Communities dienen. Ich werde den Tag begrĂŒĂŸen, an dem solche Ensembles auch in Wien gegrĂŒndet werden. Aber bis dahin konzentriere ich mich auf meine Aufgabe: schwule MĂ€nnerchöre zu dirigieren und dadurch unsere Mission zu erfĂŒllen, BrĂŒcken zu bauen durch Gesang. Aber ich werde jederzeit allen helfen, mit Ermutigung und UnterstĂŒtzung, die ein Ensemble mit solchem Ziel grĂŒnden wollen.

Was hat euch motiviert, einen eigenen Chor zu grĂŒnden?

Meine Motivation war, einen harten Kern von SĂ€ngern zu versammeln auf Grund meiner frĂŒheren Erfahrungen als SĂ€nger im schwulen MĂ€nnerchor hier in Wien. 2021 kam ich nach Wien als Fulbright Stipendiat: Covid war noch hier! Ich wandte mich an den damaligen Dirigenten; ich erinnere mich noch daran, wie wir in dicke MĂ€ntel eingemummelt bei kaltem Wetter im Arkadenhof der Uni probten. Dort lernte ich einige meiner besten Freunde kennen. Sie sangen gerne, verbrachten die Zeit gerne zusammen und glaubten an die Mission eines schwulen MĂ€nnerchors. Als sich der Chor auflöste, beschlossen wir, dass wir noch immer einen Chor haben wollen, der betont schwul ist, Musik singt geschrieben direkt fĂŒr traditionelle MĂ€nnerchöre, aber unsere Geschichte, Kultur und Kameradschaft reprĂ€sentiert. Die GrĂŒndung dieses Chors ist wirklich eine Teamleistung! Ich bin nur der Dirigent, nicht wichtiger als alle anderen, die auf der BĂŒhne stehen.

Wie definiert ihr den Chor? Warum gerade ein schwuler MĂ€nnerchor? Habt ihr auch an einen offenen Queer-Chor mit allen Stimmlagen gedacht?

Der Vienna Gay Men’s Chorus ist ein Ensemble, das BrĂŒcken zwischen der schwulen Gemeinschaft und den nicht-schwulen Gemeinschaften Wiens baut: Wir feiern und teilen durch die Musik unsere einzigartige Geschichte, Kultur, KĂ€mpfe und Triumphe. Alle können mitmachen, die ĂŒber die entsprechenden musikalischen FĂ€higkeiten verfĂŒgen (d.h. in der Stimmlage eines traditionellen MĂ€nnerchors zu singen, wie Tenor 1-2, Bass 1-2) und die Leidenschaft haben, musikalische und kulturelle ReprĂ€sentanten der schwulen Gemeinschaft zu sein. Warum ein „Gay“ Chor? Weil das ist, was ich kenne, worĂŒber ich recherchiere, schreibe und, was am wichtigsten ist, wer ich bin! Meiner Meinung nach wĂ€re es unaufrichtig von mir ein Ensemble zu leiten, das eine Kulturgemeinschaft reprĂ€sentiert, die nicht zu meinem Fachgebiet gehört. Meine Lebenserfahrungen formten meine kreative Stimme und als schwuler Mann mit einem starken IdentitĂ€tsgefĂŒhl muss ich dem treu bleiben, was ich bin.

Was sind eure PlĂ€ne fĂŒr die nĂ€here und fernere Zukunft?

Da wir gerade den Verein gegrĂŒndet haben, werden wir noch im August ein Treffen fĂŒr unsere KernsĂ€nger*innen abhalten und sofort danach damit beginnen Sponsor*innen zu suchen. Unser Marketing-Material ist entworfen und ist ERSTAUNLICH! Das Vorsingen wird im September sein! Haltet alle die Augen nach Plakaten fĂŒr weitere Informationen offen! Die Proben finden dienstagabends von 19:00 bis 21:30 Uhr statt und werden sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch abgehalten. Ich plane ein Konzert im Dezember und ein Pride-Konzert in Juni. Der genaue Kalender vom VGMC wird im Laufe des Sommers noch von unserer Gruppe entwickelt. Ich werde erst zufrieden sein, wenn wir auf der BĂŒhne der Vienna Pride singen dĂŒrfen! In der ferneren Zukunft werden wir uns dem Gala-Netzwerk von LGBTIQ+ Chören der Welt anschließen, zu ihrem viermal im Jahr stattfindenden Festival reisen und dort als die Stimme der schwulen Community Wiens auftreten.

Wie kann ich mich bei euch bewerben?

Alle, die Interesse haben, dem Vienna Gay Men’s Chorus beizutreten, sollten mir, Dr. Casey J. Hayes, eine E-Mail an [email protected] senden. Ich werde mit allen den Kontakt aufnehmen und alle Informationen zum Vorsingen und Proben vor Beginn der Proben im September mitteilen. Wir mĂŒssen als Gemeinschaft sichtbar und laut sein
 Also: Make it LOUDER!

Von Zoltån Török