Kategorien
Schwerpunkt

Biphobie innerhalb der LGBTIQ* Community

BisexualitĂ€t außerhalb der LGBTIQ*-community

Über BisexualitĂ€t gibt es außerhalb der Community viele Vorurteile. Gerade heterosexuelle MĂ€nner sehen queere Frauen, darunter auch bisexuelle Frauen, oft als Lustobjekt. Da bisexuelle Frauen MĂ€nner und Frauen attraktiv finden, wird hier ein potenzieller Dreier manchmal als selbstverstĂ€ndlich gesehen. Wenn ich mit meiner Partnerin auf Partys gewesen bin, haben wir öfter als einmal aus dem nichts kommende VorschlĂ€ge fĂŒr Dreier von heterosexuellen MĂ€nnern, die wir kaum kennen, bekommen. Die BisexualitĂ€t von Frauen wird somit oft nicht ernst genommen, denn heterosexuelle MĂ€nner setzen voraus, dass der Mann in der Beziehung fehlt. Bei bisexuellen MĂ€nnern hingegen ist das Gegenteil der Fall. Viele bisexuellen MĂ€nnern haben mir erzĂ€hlt, dass Frauen, mit denen sie sich romantisch getroffen hatten, nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollten, nachdem sie von der BisexualitĂ€t ihrer Dates erfahren hatten. BegrĂŒndung dafĂŒr seien oft ein Ekel vor Analverkehr zwischen MĂ€nnern gewesen. WĂ€hrend weibliche BisexualitĂ€t von heterosexuellen Menschen also fetischisiert wird, wird jene von MĂ€nnern von Homophobie ĂŒberlagert.

BisexualitÀt innerhalb der LGBTIQ*-community

Umso wichtiger ist es, dass auch bisexuelle Personen einen Safe Space haben, in dem sie ohne Angst vor Diskriminierung Zeit verbringen können. Das sollten im Idealfall LGBTIQ*-Lokale und -Veranstaltungen sein. Doch obwohl Bisexuelle laut einer großen Meta-Analyse des Robert Koch Instituts aus dem Jahr 2020 die grĂ¶ĂŸte Gruppe innerhalb der Community sind, werden sie dennoch schwer anerkannt und akzeptiert. Das ist besonders schade, da gerade Personen der LGBTIQ*-community aufgrund der eigenen Diskriminierungserfahrungen aufgeschlossener sein sollten.

Immer wieder höre ich von Personen aus der Community, dass Bisexuelle eigentlich homosexuell sind und nur heterosexuelle Privilegien genießen wollen, beziehungsweise, dass Bisexuelle zu feige sind, sich „vollstĂ€ndig zu outen“. Manchmal wird BisexualitĂ€t also als Vorstufe zur HomosexualitĂ€t anstatt als eigenstĂ€ndige sexuelle Orientierung gesehen. Oft geht das Vorurteil auch in die andere Richtung und es wird geglaubt, dass Bisexuelle in Wirklichkeit heterosexuell sind und ihre Neugierde nur fĂŒr kurze Zeit ausleben wollen. So lĂ€sst sich eventuell auch das oftmalige Misstrauen erklĂ€ren, mit dem viele bisexuellen Personen aus meinem Bekanntenkreis konfrontiert werden. Denn immer wieder gibt es in der Community auch das Vorurteil, dass Bisexuelle sowieso wieder zum anderen Geschlecht zurĂŒckgehen und sich eine Beziehung deshalb gar nicht lohne. In diesem Zusammenhang wird BisexualitĂ€t als Phase abgetan und als vorĂŒbergehende Abweichung der HeterosexualitĂ€t gesehen. Wenn bisexuelle Freunde oder ich interessiert nachfragen, woher diese Vorurteile kommen, stellt sich oft heraus, dass solche Personen in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Bisexuellen gemacht haben und diese schlechten Erfahrungen nun generalisieren.

Was all diese Vorurteile, sowohl innerhalb als auch außerhalb der LGBTIQ*-community gemein haben, ist die Überzeugung, dass BisexualitĂ€t in Wahrheit nicht existiert. Denn es ist natĂŒrlich so, dass man BisexualitĂ€t nicht mit freiem Auge sieht. Wer mit jemanden des gleichen Geschlechtes in einer Beziehung ist, wird als homosexuell wahrgenommen, und wer mit jemanden des anderen Geschlechtes in einer Beziehung ist, wird in der Community als heterosexuell beziehungsweise als straight ally wahrgenommen. BisexualitĂ€t bleibt unsichtbar, bis man sich aktiv als bisexuell outet.

Sich aktiv als bisexuell zu outen birgt jedoch ganz eigene Probleme. Denn mit BisexualitĂ€t kommt relativ oft auch das Thema PromiskuitĂ€t auf. Nach einem Outing gegenĂŒber einem neuen Partner / einer neuen Partnerin wurde ich schon unzĂ€hlige Male nach einer offenen Beziehung oder einem Dreier gefragt. Irgendwie scheint es noch immer in den Köpfen der Menschen verankert zu sein, dass bisexuelle Menschen nicht in einer glĂŒcklichen monogamen Beziehung leben können / wollen und zwingend beide Geschlechter brauchen, um glĂŒcklich zu sein. Als Grund dafĂŒr wurde Bekannten und mir bereist öfters das Vorurteil genannt, dass Bisexuelle ihre Partner*innen sowieso frĂŒher oder spĂ€ter betrĂŒgen, da bisexuelle Personen einfach nicht treu sein könnten. Dass die FĂ€higkeit, mehr als ein Geschlecht zu lieben (=BisexualitĂ€t) und mehrere Sexualpartner zu haben (=PromiskuitĂ€t) zwei komplett verschiedene Dinge sind, wird leicht vergessen. Trotzdem ist dies nicht die schlimmste Reaktion, die bisexuelle Personen nach einem Outing bekommen können. Es passiert zwar zum GlĂŒck relativ selten, aber trotzdem haben vereinzelt bisexuelle Personen in meinem Bekanntenkreis nach einem Outing gegenĂŒber einer*einem potenziellen Partner*in schon einmal den Satz „Oh, ich date keine Bisexuellen“ gehört. Das passiert bei weitem öfter innerhalb der Community als außerhalb. Manche homosexuellen Personen haben BisexualitĂ€t noch immer als Ausschlusskriterium fĂŒr potenzielle Partner*innen in ihren Köpfen verankert, was natĂŒrlich sehr verletzend fĂŒr Betroffene ist.

Internalisierte Biphobie und ihre Auswirkungen

Doch BisexualitĂ€t kann nicht nur beim Dating ein großes Thema werden. Die vielen Vorurteile, denen Bisexuelle konstant ausgesetzt sind, können sich mitunter negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Aufgrund der eigenen internalisierten Biphobie fĂ€llt es Bisexuellen gerade zu Beginn oft schwer, ihre BisexualitĂ€t zu akzeptieren. Viele Bisexuelle in meinem Bekanntenkreis berichten, dass sie lange zwischen den IdentitĂ€ten „homosexuell“ und „heterosexuell“ geschwankt seien, je nachdem, mit wem sie gerade ausgingen, weil es einfach so viele Vorurteile gegenĂŒber der bisexuellen IdentitĂ€t gibt. Das Robert Koch Institut hat 2020 hat eine große Meta-Analyse zum Thema „LGBTIQ* und psychische Gesundheit“ gemacht und laut dieser haben Bisexuelle hĂ€ufiger als Heterosexuelle und gleich oft wie Homosexuelle psychische Probleme, wie beispielsweise Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen. Dies wurde in der Meta-Analyse auf die internalisierte Biphobie zurĂŒckgefĂŒhrt, was ich auch in meinem Bekanntenkreis beobachte.

Beim Label BisexualitĂ€t angekommen ist der Prozess der Selbstakzeptanz oft noch nicht vorbei. Viele Bisexuelle in meinem Bekanntenkreis sind sich auch nach vielen Jahren immer wieder mal unsicher bezĂŒglich ihrer sexuellen IdentitĂ€t und fragen sich, ob das Label denn wirklich das richtige fĂŒr sie ist, vor allem, wenn sie in Langzeitbeziehungen leben. Gerade wegen der stĂ€ndigen HerabwĂŒrdigung der Gesellschaft, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Community, fĂŒhlen sich Bisexuelle verunsichert und unter stĂ€ndigem Druck, sich beweisen zu mĂŒssen oder „eine Seite zu wĂ€hlen“. Bin ich immer noch bisexuell, wenn ich mich eine Weile nur zu einem Geschlecht hingezogen fĂŒhle? Was, wenn die Gesellschaft Recht hatte und es wirklich nur eine Phase war? Vielleicht sollte ich mich lieber nicht outen, um unangenehmen Fragen auszuweichen? Dies sind nur einige Beispiele fĂŒr Fragen, die sich Bisexuelle im Laufe ihres Lebens oft immer wieder stellen.

Was ich mir als bisexuelle Frau von der LGBTIQ*-community wĂŒnsche

Eigentlich wĂŒnsche ich mir nur eines von der Community: dieselbe Akzeptanz bezĂŒglich meiner sexuellen Orientierung, die auch Homosexuelle so selbstverstĂ€ndlich empfangen. Ich will mich nicht dauernd rechtfertigen mĂŒssen, sondern fĂŒhlen, dass ich innerhalb der Community willkommen bin und auch hierhergehöre. Ich möchte nicht je nach Partner*in in die Schublade „homosexuell“ oder „heterosexuell“ gesteckt werden, sondern erreichen, dass auch bisexuell als eigenstĂ€ndige Kategorie infrage kommt. Ich möchte nicht stĂ€ndig ĂŒber alle möglichen Vorurteile diskutieren, sondern als Individuum gesehen und akzeptiert werden. Denn BisexualitĂ€t ist weder eine Vorstufe zur HomosexualitĂ€t noch eine Phase innerhalb der HeterosexualitĂ€t. BisexualitĂ€t ist eine vollstĂ€ndige und eigenstĂ€ndige sexuelle Orientierung, die akzeptiert und ernst genommen werden sollte.

Von Marlene

Lambda Autorin