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Der Schreck des Coming-outs

Der Puls steigt. Die HandflĂ€chen fĂŒhlen sich schwitzig an. Die Anspannung kriecht den RĂŒcken rauf. Die Umgebung fĂŒhlt sich plötzlich ein wenig zurĂŒckgesetzt an, das GefĂŒhl im Scheinwerferlicht zu stehen. Der Schreck im Magen, das Ein- und Ausatmen bewusst spĂŒren. Den Herzschlag in der Brust plötzlich ĂŒberdeutlich wahrnehmen. Die Frage – hab ich das jetzt grad wirklich gesagt? Jetzt ist es raus.

So erinnere ich mich an mein Ă€ußeres Coming-out. Und genau so, wenn auch etwas abgeschwĂ€chter, empfinde ich es noch heute, wenn ich mich vor jemandem oute und die Person kennt mich noch nicht besonders gut. AbhĂ€ngig ist die IntensitĂ€t davon, ob ich mein GegenĂŒber als tolerant oder nicht einschĂ€tze.

Das diesmalige Schwerpunkt-Thema der Lambda finden wir immer wieder am LesBiFem-Abend. Menschen in den unterschiedlichsten Phasen dieses Prozesses kommen zu uns, tauschen sich darĂŒber aus und holen sich UnterstĂŒtzung, die ganz unterschiedlich aussehen kann. Nicht selten fĂ€llt beim Austausch die Frage – seit wann bist du geoutet? Aus einer bestimmten Perspektive kann man ein Coming-out wohl als abgeschlossen betrachten. Es wird unterschieden in inneres und Ă€ußeres Coming-out, wobei das innere meint, dass man sich selbst ĂŒber die eigene SexualitĂ€t und/oder IdentitĂ€t klar wird. Das Ă€ußere bezieht sich auf das eigene Coming-out vor anderen Menschen, wenn man mit ihnen darĂŒber spricht, dass man nicht in das heteronormative, cisgeschlechtliche und binĂ€re Denkschemata vieler Menschen passt. Also könnte man meinen, dass aus der Perspektive des ersten Coming-outs ein Abschluss erreicht werden kann. Vergeht dann jedoch Zeit – Monate, Jahre – dann erschließt sich fĂŒr manche eine andere Perspektive. Der Prozess findet Wiederholungen. Vielleicht Ă€ndert sich etwas in der GeschlechtsidentitĂ€t oder der eigenen SexualitĂ€t. Vielleicht bleibt es auch unverĂ€ndert, aber es werden neue Menschen kennengelernt. Und dann kann es diesen Moment geben des Innehaltens und Überlegens – sage ich etwas?

Und auch 15 Jahre nach der ersten Coming-out-Situation kann der Schreck in die Glieder fahren und die Angespanntheit den RĂŒcken hinauf kriechen. Ob es vor neuen Arbeitskolleg*innen ist, vor Kommiliton*innen oder neuen potenziellen Freund*innen. Da lĂ€sst es sich wohl unterscheiden – sind es Menschen, die uns wichtig sind? Oder rechnen wir mit einer gewissen Reaktion und wollen etwas im Vorfeld klarstellen? Manchmal kann es sich auch um eine solidarische Bekundung handeln, wenn jemand anderes Support braucht. Es gibt so viele GrĂŒnde fĂŒr ein Coming-out und so viele Situationen, in denen wir uns die Frage stellen können, ob wir unserem GegenĂŒber jetzt etwas so Intimes mitteilen wollen.

Aber abgesehen von dem Ă€ußeren Coming-out kann sich auch im Inneren viel bewegen. Durch viele Punkte, wie zum Beispiel AnstĂ¶ĂŸe von außen, VerĂ€nderungen im eigenen Leben oder das Kennenlernen neuer Menschen, kann sich die eigene IdentitĂ€t und SexualitĂ€t verĂ€ndern. Das kann viel Sicherheit geben, versuchen Menschen sich doch oft anzupassen und können sich so bewusst sein, dass solche VerĂ€nderungen passieren dĂŒrfen und es vielen so geht, dass VerĂ€nderungen immer wieder aufkommen. Der Austausch in Safer Spaces wie dem Gugg kann dazu beitragen, sich selbst solche VerĂ€nderungen zu erlauben. Er unterstĂŒtzt aber auch im Prozess, wenn verschiedenste Probleme wĂ€hrend des Coming-outs aufkommen können. Das kann von unguten Reaktionen des Umfelds ĂŒber Probleme am Arbeitsplatz bis hin zu eigenen Unsicherheiten reichen. Auch im Umgang mit der Situation selbst kann dieser Austausch helfen, um im Nachhinein aufzufangen oder im Vorfeld vorzubereiten.

Von Patricia Stromitzki

LesBiFem-Team
HOSI Wien