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Editorial

Liebe Leser*innen

In einem Verein sind sich nicht alle immer einig. Dass Einigkeit noch nicht einmal vorhanden sein muss, wenn es um die Sache geht, für die man sich überhaupt im Verein zusammenfindet, zeigt die Geschichte der HOSI Wien sehr anschaulich. Wofür wir gemeinsam stehen, und was als Privatmeinung von Aktivist*innen der HOSI Wien geäußert wird, gilt es aus aktuellem Anlass zu unterscheiden.

Die gemeinsame Sache, das ist im Falle der HOSI Wien der Kampf für die Rechte aller LGBTIQ-Personen und gegen jegliche Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität, Geschlechtsmerkmalen oder Geschlechtsausdruck. Wir kämpfen für diese Sache auf allen gesellschaftlichen Ebenen, nicht zuletzt auf der rechtlichen. Oftmals ringen wir mit den Gesetzgebenden um eine Verbesserung von Gesetzen, die uns in unserer Identität als queere Menschen betreffen. Dabei sind wir mit dem Staat in Kontakt, auf den wir, zu einem nicht unerheblichen Maße, beim Erreichen von Akzeptanz angewiesen sind. Staaten weltweit verhindern aktiv die Gleichstellung von LGBTIQ-Personen, oder sind ihren Rechten gegenüber passiv. Auch wenn wir in Österreich sowohl de facto als auch de jure weit entfernt sind von echter Gleichstellung, leben wir doch in einer privilegierten Situation, in der unser Leben und unsere Freiheit (im Sinne der physischen Freiheit) im Allgemeinen nicht bedroht sind. In anderen Staaten stellt sich aufgrund von Krieg und Verfolgung eine ganz andere Lage dar.

In der letzten Ausgabe der Lambda Nachrichten ist ein Kommentar unseres Vereinssekretärs mit dem Titel „Gänse für Martini“ erschienen, in dem er den Krieg in Gaza und Reaktionen aus der queeren Community in Österreich darauf aus seiner Perspektive kommentiert. Dieser Kommentar entspricht keiner gefassten Beschlusslage der HOSI Wien, sondern es handelt sich um eine Privatmeinung, die als solche gekennzeichnet gehört hätte. Wir stehen unumstößlich an der Seite aller zivilen Opfer auf beiden Seiten des Konflikts und verurteilen jeglichen Terror vehement. Allerdings betrachten wir es nicht als unsere Aufgabe, den Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas, zu bewerten, denn dies ist weder unser Vereinszweck noch halten wir Expertise auf diesem Gebiet. Wir verbitten uns jegliche Instrumentalisierung queerer Gruppen auf allen Seiten des Konflikts. Queere Menschen dürfen nicht Spielball der Interessen von Terrorgruppen und Staaten sein, ihre Meinung, Sicherheit oder Solidarität darf nicht als Ausrede genutzt werden, um Gewalt gegen unschuldige Menschen zu rechtfertigen. Als Verein stehen wir unmissverständlich an der Seite aller Unterdrückten, insbesondere derjenigen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität angegriffen werden. Für uns spielt es keine Rolle, ob queere Menschen jüdisch, muslimisch, christlich oder atheistisch sind. Wir wollen Gleichstellung – überall und für alle.

Von Ann-Sophie Otte

Obfrau HOSI Wien (Foto: © Marie Dvorzak)