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Besondere Bedürfnisse der queeren Community in der gesundheitlichen Altersversorgung

Queer und (un)gesund

Diskriminierung ist schlecht für die Gesundheit. Als ‚Minderheitenstress‘ beschreibt Ilan Meyer den spezifischen Stress durch Diskriminierungen und Vorurteile, welcher sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirkt. Erst 1990 wurde Homosexualität und erst 2019 (!) Transgender von der Liste psychischer Krankheiten der Welt-Gesundheits-Organisation gestrichen. Alleine aufgrund dieser heteronormativen Ausrichtung der Gesellschaft haben queere Menschen in der Gesundheitsversorgung spezielle Bedürfnisse. Gibt es außerdem einen Unterschied der Bedürfnisse zwischen den Altersgruppen? Wenn ja – wie sieht dieser aus?

Queere Gesundheit und Wissenschaft

Grundsätzlich gibt es zur gesundheitlichen Versorgung von LGBTIQ+ Personen in Österreich bislang noch kaum wissenschaftliche Daten und Informationen. Die internationale Literatur zeigt allerdings, dass Diskriminierung zu Ungleichheiten bei Zugang, Qualität und Verfügbarkeit von Gesundheitsleistungen führt.

2022 wurde in Österreich erstmals ein Gesundheitsbericht über LGBTQ+ Personen veröffentlicht. In diesem Rahmen wurde eine Umfrage durchgeführt, bei der Teilnehmer*innen eine subjektive Gesundheitseinschätzung abgegeben haben. Hauptaussagen der Studie waren beispielsweise, dass vor allem das psychische Wohlbefinden von LGBTIQ+ Personen beeinträchtigt ist, was sich in gesundheitsschädigendem Verhalten wie etwa vermehrtem Substanzkonsum als Ausgleichsmechanismus äußern kann. Außerdem besteht Bedarf an sensibilisiertem und geschultem Gesundheitspersonal sowie Gesundheitsförderungsprogrammen für Coming-out- und Transitionsprozesse. Ein spezieller Fokus auf Unterschiede zwischen den Altersgruppen wurde in der Studie nicht gelegt, es sind aber kleine altersspezifische Differenzen in den Angaben herauszulesen. Der allgemeine Gesundheitszustand wurde interessanterweise umso positiver bewertet, je älter die Teilnehmer*innen waren. Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass vor allem junge Menschen die letzten Jahre mit der Pandemie als Krisensituation sehr (psychisch) belastend empfunden haben. Außerdem wurde vor allem von jungen queeren Personen zwischen 15 und 29 angegeben, selbstverletzendes Verhalten und suizidale Gedanken zu haben. Speziell in der Selbstfindungszeit junger queerer Menschen kommt es oft zu psychischen Belastungen oder Erkrankungen.

In einer weiteren Studie aus Deutschland wurden die aktuelle Situation und Erfahrungen von trans* Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern abgefragt. Folgende Unterschiede wurden zwischen den Altersgruppen erfasst: in der Bewertung der psychotherapeutischen Gespräche waren minderjährige trans* Personen eher zufrieden und die Therapeut*innen wurden als einfühlsamer und vor allem fachkundiger empfunden als von Erwachsenen. Sowohl die psychotherapeutischen als auch die medizinischen Gespräche mit Ärzt*innen wurden von erwachsenen trans* Personen eher bzw. etwas mehr pathologisierend (also als krankhaft bewertend) empfunden als von minderjährigen trans* Personen. Interessant auch der Unterschied, an welchen Stellen sich die Personen mehr Unterstützung gewünscht hätten: Kinder und Jugendliche vor allem in Bildungseinrichtungen und bei Ärzt*innen, Erwachsene vor allem bei der Krankenversicherung (z. B. Kostenerstattung).

Queer und Ageism

In der Gesellschaft wird oft der Eindruck vermittelt, dass nur junge Menschen queer sind, und dass, weil sich in den letzten Jahren immer häufiger Menschen outen, Queer-Sein ein Phänomen der jüngeren Generationen sei. Ältere LGBTQ+ Personen, die jahrzehntelang mit Ablehnung und Diskriminierung zu kämpfen hatten, werden somit (un)bewusst unsichtbar gemacht. Einerseits durch Diskriminierung der Sexualität bzw. des Geschlechts, andererseits durch Diskriminierung des Alters (Ageism). Ageism bedeutet ins Deutsche übersetzt Altersdiskriminierung und findet statt, wenn Menschen in gewissen Situationen aufgrund des (meist höheren) Alters benachteiligt werden. In der Gesundheitsversorgung kann sich Ageism zum Beispiele darin äußern, dass Symptome nicht oder nicht ernst genug genommen werden und durch das fortgeschrittene Alter erklärt werden.

Aber auch in der queeren Community sind ältere Personen oft unsichtbar oder werden in den Hintergrund gedrängt. Wo Image und das körperliche Erscheinungsbild im Vordergrund stehen, werden Menschen mit Alterserscheinungen ausgeschlossen. Community-Aktivitäten sind oft auf die Interessen der jüngeren Generationen ausgelegt und auf Inklusion älterer queerer Menschen wird tendenziell vergessen.

Ältere queere Menschen sind somit einer doppelten Diskriminierung ausgesetzt, und wenn beispielsweise eine ethnische Minderheit oder eine chronische Krankheit dazukommt, umso mehr. Dieser Druck erschwert es älteren queeren Personen noch zusätzlich, ihre Identität zu kommunizieren.

Queere Identitäten und Pflege

Das Unsichtbar-halten oder -halten-müssen der eigenen Lebensrealität kann schwere negative psychosoziale Folgen haben, vor allem in einem so vulnerablen Abhängigkeitsverhältnis wie der Pflege. Pflegeeinrichtungen haben oft Leitsätze wie ‚Wir pflegen alle gleich‘ – ‚gleich‘ bedeutet jedoch in unserer hetero- bzw. cisnormativen Gesellschaft nicht für jede*n dasselbe.

Studien zeigen, dass ältere queere Menschen ein Umfeld, welches sexuelle und geschlechtsspezifische Minderheiten einschließt und ihnen gegenüber auch freundlich ist, einer LGBTIQ+ exklusiven Einrichtung bevorzugen. Qualitäten wie Kompetenz, Fürsorge und Akzeptanz werden vorausgesetzt. Wenn LGBTIQ+ spezifische Wohnmöglichkeiten präferiert wurden, erhofften sich diese Personen, aufgrund Vulnerabilität eine ‚normale‘ Pflegeeinrichtung meiden zu können bzw. in einem separaten Stockwerk für LGBTIQ+ Bewohnerinnen und Bewohner gemeinsam leben zu können, da sie sich dort sicherer fühlen würden. Andere Studienteilnehmer*innen bevorzugen die Hauskrankenpflege aus Angst, die Sexualität nicht ausleben zu können und dass Partner*innen nicht anerkannt werden würden. Speziell trans* Menschen zeigen Bedenken und Angst, sich nicht ausdrücken zu können und befürchteten mangelhafte Beratungen, schlechtere medizinische Versorgung oder fehlende Informationen bezüglich Transgenderfragen.

Zusammenfassend lässt sich somit sagen, dass sich queere Menschen in Gesundheitseinrichtungen und mit ärztlichem und Pflegepersonal dann wohl fühlen, wenn ein Fokus auf Sensibilisierung bezüglich LGBTIQ+ Themen gesetzt wird. Dies kann zum Beispiel durch den Gebrauch gendersensibler Sprache des Personals umgesetzt werden. Außerdem leisten Fortbildungen, in denen auf die Bedürfnisse von Inter- und Transpersonen sowie auf die besondere Vulnerabilität von HIV-positiven Menschen eingegangen wird, einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung für gesundheitsspezifische Anliegen von (älteren) queeren Personen.

Text von Carina Kapeller

Von Carina Kapeller

arbeitet im Gesund-
heitswesen