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Unsichtbare Held*innen

Queere Menschen im Alter aus lesbischer Perspektive

Die Diskussion über die Lebensbedingungen älterer Menschen hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. In diesem Kontext ist es wichtig, auch die spezifischen Herausforderungen zu betrachten, denen queere Menschen im Alter gegenüberstehen. Dieser Artikel ist der Versuch einer Liste mit Anregungen, die es sich lohnt, vor, während und im Prozess des Alterns als queerer Mensch, als lesbische Frau, zu bedenken:

Unsichtbarkeit im Alter

Lesbische Frauen, egal welchen Alters, sind oft mit der Unsichtbarkeit ihrer Identität als queere Menschen und ihrer Anliegen als Lesben, aber auch als Frauen, konfrontiert. Die vorherrschende heteronormative Erzählung in der Gesellschaft trägt dazu bei, dass lesbische Frauen im Alter oft übersehen werden, was zu einem Mangel an geeigneten Unterstützungsstrukturen führt.

Soziale Isolation und Unterstützungssysteme

Im Alter nimmt die soziale Isolation oft zu, und dies betrifft auch queere Menschen. Lesbische Seniorinnen haben möglicherweise nicht die gleichen Unterstützungsnetzwerke wie ihre heterosexuellen Altersgenossinnen. Dies kann die Gefahr der sozialen Isolation erhöhen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass die traditionellen Familienstrukturen nicht für alle queeren Menschen im Alter gültig sind, und alternative Gemeinschaftsmodelle sollten gefördert werden.

Gesundheitsversorgung und Diskriminierung

Die Gesundheitsversorgung ist ein weiterer kritischer Aspekt für queere Senior*innen, insbesondere für lesbische Frauen. Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung kann den Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung erschweren. Gesundheitsdienstleister*innen müssen sensibilisiert werden, um sicherzustellen, dass queere Menschen im Alter respektvoll und gleichberechtigt behandelt werden, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.

Wohnsituation und Sichtbarkeit

Die Wohnsituation ist ein weiterer Bereich, der die Lebensqualität älterer Lesben beeinflusst. Die Wahl eines Wohnortes, an dem queere Menschen akzeptiert und respektiert werden, ist von entscheidender Bedeutung. Gemeinschaften, die sich auf die Bedürfnisse von queeren Senior*innen spezialisiert haben, können dazu beitragen, ein unterstützendes Umfeld zu schaffen und die Sichtbarkeit dieser Gemeinschaft im Alter zu stärken. Sie sind leider, gerade in Österreich, eine große Seltenheit.

Rechtliche Aspekte und Vorsorge

Die rechtlichen Aspekte im Alter sind für queere Menschen von besonderer Relevanz. Lesbische Paare stehen, wie viele queere Paare, möglicherweise vor besonderen Herausforderungen, wenn es um erbrechtliche Angelegenheiten, Patientenverfügungen und andere Vorsorgemaßnahmen geht. Es ist wichtig, frühzeitig rechtliche Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die individuellen Wünsche und Bedürfnisse respektiert werden.

Fazit

Die Herausforderungen, denen queere Menschen im Alter gegenüberstehen, dürfen nicht ignoriert werden. Insbesondere lesbische Seniorinnen erfahren oft eine doppelte Unsichtbarkeit und müssen mit spezifischen Diskriminierungen umgehen. Um entsprechende Unterstützungssysteme zu etablieren, müssen Gesellschaft und Gesundheitsdienstleistende für die Bedürfnisse queerer Menschen im Alter sensibilisiert werden. Nur durch ein umfassendes Verständnis und die Förderung von inklusiven Strukturen können wir sicherstellen, dass queere Seniorinnen ihre goldenen Jahre in Würde und Respekt genießen können. Vielleicht ist es an der Zeit, in der HOSI Wien eine Arbeitsgruppe zum Thema queeres Altern zu etablieren. Wenn wir es nicht selbst tun, wer soll sonst dafür sorgen, dass wir unser queeres Leben auch in vielen Jahren altersgerecht genießen können?

Von Lisa Hermanns

LesBiFem*referentin HOSI Wien
(Foto: © Marie Dvorzak)