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COVID-19, Impfungen und HIV

Das Jahr 2020 wird als „das Corona-Jahr“ in die Geschichte eingehen. Neben Virus und Pandemie selbst hat auch eine unfassbare Flut an Informationen zu Corona das Jahr dominiert. Dementsprechend kann man durchaus nachvollziehen, wenn es bei einem weiteren Info-Event heißt „schon wieder?“. Doch tatsächlich gibt es immer noch viele ungeklärte Fragen. Und es gibt Bereiche, bei denen sehr spezifische Fragen in Bezug auf SARS-CoV-2 im Raum stehen, so z. B. auch in Zusammenhang mit HIV. Mit etwa 40 Millionen HIV-positiven Menschen weltweit, ist dies kein Nischenthema und zu Recht befassen sich viele Expert*innen mit Aspekten zu Corona und HIV.

HIV und Risiko für schweren COVID-19 Verlauf

Schwere COVID-19-Erkrankungen können zwar bei allen auftreten, bekannt sind jedoch bestimmte Faktoren, die das Risiko für problematische Verläufe deutlich erhöhen. Hierzu zählen vor allem höheres Alter, aber auch Übergewicht und bestimmte Vorerkrankungen, wie z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder chronische Lungenproblematiken.

Eine HIV-Infektion wird nicht grundsätzlich als Risikofaktor für einen schwereren COVID-19-Verlauf gesehen. Allerdings bezieht sich diese Aussage auf eine effektiv therapierte HIV-Infektion mit einer CD4-Zellzahl über 200/µl, bzw. besser über 350/µl. In Österreich trifft dies zum Glück auf fast alle diagnostizierten HIV-positiven Menschen zu.

Ausschlaggebend sind somit auch in der HIV-positiven Bevölkerung die allgemeinen Risikofaktoren. Diese darf man aber nicht unterschätzten, wie folgende Punkte zeigen: Nachdem auch das Lebensalter eine Rolle spielt, fallen natürlich auch viele HIV-positive Menschen in die Risikogruppe, da dank der Therapie die Lebenserwartung massiv angestiegen ist. Gerade beim Beispiel Alter sieht man es schön an den Zahlen: Fast die Hälfte aller positiven Patient*innen in Österreichs HIV-Ambulanzen ist älter als 50 Jahre, mehr als jede 3. Person davon ist älter als 60 Jahre. Zusätzlich treten bestimmte Vorerkrankungen in der HIV-positiven Bevölkerung etwas häufiger auf und der Anteil an Raucher*innen ist signifikant höher als in der Gesamtbevölkerung. Rein statistisch gesehen, werden also HIV-positive Personen häufiger zur Risikogruppe zählen. Da aber diese Faktoren ja nicht auf jede Person zutreffen, ist die tatsächliche Situation selbstverständlich ganz individuell.

HIV und Impfung gegen COVID-19

Für HIV-positive Menschen besteht die gleiche eindeutige Empfehlung zur Corona-Impfung, wie für die Gesamtbevölkerung. In Zusammenhang mit HIV gibt es zwar einzelne wenige Punkte, die beim Thema Impfungen zu beachten sind, aber diese haben nichts mit den jetzt verfügbaren Impfstoffen gegen COVID-19 zu tun.

Die internationalen Impfempfehlungen der Europäischen Gesellschaft von HIV-Ärzt*innen (EACS, European Clinical AIDS Society) inkludieren etwa folgende Punkte:

Bei einer hohen Viruslast sollte mit einer Impfung zugewartet werden, bis sie durch effektive Therapie unterdrückt ist. Eine hohe Viruslast liegt ja dann vor, wenn keine Therapie eingenommen wird. Im Regelfall ist dies aber nur dann der Fall, wenn die HIV-Infektion noch gar nicht diagnostiziert ist und man dementsprechend noch keine Maßnahmen treffen kann.

Liegt die CD4-Zellzahl unter 200/µl, sollten keine Lebendimpfstoffe (wie Masern, Mumps, Röteln) gegeben werden. Keiner der aktuell in Europa zugelassenen bzw. demnächst erwarteten Corona-Impfstoffe, gehört in die Gruppe dieser Lebendvakzine.

Bei einer CD4-Zellzahl unter 200/µl sollte übrigens auch der Impfstatus von engen Kontaktpersonen überprüft werden, um hier eine Infektionsquelle zu vermeiden. Durch eine eventuell verringerte Immunantwort kann es sinnvoll sein, häufiger eine Titerbestimmung durchzuführen und unter Umständen muss eine Impfung wiederholt werden. Insgesamt ist es einfach vorteilhaft, wenn beim Impfen die CD4-Zellzahl über 200/µl liegt. Ansonsten gelten die allgemeinen nationalen Impfpläne.

In Bezug auf Corona empfiehlt die EACS dementsprechend die Impfung für alle HIV-positiven Personen. Weder auf Basis der verfügbaren (wenn auch bislang wenigen) Daten zu bereits geimpften HIV-positiven Menschen, noch in Anbetracht der Funktionsweise der neuen Vakzine, sind Aspekte bekannt, warum HIV-bezogene Besonderheiten zu erwarten wären.

EACS empfiehl zusätzlich, dass zumindest alle HIV-positiven Personen mit einer CD4-Zellzahl unter 350/µl priorisiert geimpft werden sollen, da hier das Risiko eines schwereren COVID-19-Verlaufs erhöht sein kann. Da die nationalen Impfpläne und die Priorisierung der zu impfenden Bevölkerungsgruppen in den Ländern unterschiedlich gehandhabt werden, gibt es auch zu HIV keine europäische einheitliche Vorgehensweise.

In Österreich werden laut der Priorisierungs-Liste des Nationalen Impfgremiums (V.3., Januar 2021) Menschen mit HIV in die Gruppen 2 und 3 inkludiert. In diesen beiden Gruppen sind Menschen im Alter zwischen 70 und 79, sowie altersunabhängig mit bestimmten Vorerkrankungen zusammengefasst. Wie sich die konkreten Abläufe und Durchimpfungsraten dann aussehen, wird sich im Laufe des Frühjahres zeigen. Es ist zu hoffen, dass nach den anfänglichen Schwierigkeiten, die Impfpläne auch zeitnah umgesetzt werden.

Insgesamt wird das Jahr 2021 vermutlich als „das Jahr der Impfung“ in Gedächtnis bleiben. Und damit hoffentlich auch langfristig und rückblickend betrachtet, als „Jahr der Corona-Trendwende“. Die Chancen dafür sind mehr als gut.

Ein Überblick zum Thema „HIV und COVID-19“, bietet ein Team aus HIV-Expert*innen in einem Online-Talk der Serie „stay connected – stay informed“. Das Video steht auf dem YouTube Kanal der Aids Hilfe Wien zur Verfügung.
Für Fragen zu Corona und HIV, hat das Team vom Online-Talk eine eigene Info-Mail eingerichtet. Fragen können jederzeit an hiv@vielgesundheit.at gestellt werden.

Von Birgit Leichsenring

Mikrobiologin und biomed. Wissenschaftskommunikatorin (www.med-info.at)