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Meilensteine im Kampf um LGBTIQ-Rechte

Ein Rückblick auf die Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte darf uns insgesamt zufrieden stimmen. Seit Aufhebung des Totalverbots vor knapp mehr als 50 Jahren folgte (vor allem in jüngerer Zeit) ein Meilenstein nach dem anderem. Daher ein kurzer Rückblick:

Bis 1971 waren also sexuelle Beziehungen zwischen gleichgeschlechtlichen Personen gemäß §§ 129 und 130 des alten Strafgesetzes verboten (Totalverbot) und wurden mit bis zu fünf Jahren Kerker bestraft. Bei der Reform des Strafrechts 1971 blieben als Kompromiss vier ins neue Strafgesetzbuch aufgenommene Anti-LGBTIQ+-Bestimmungen noch jahrzehntelang bestehen – bis 1997 etwa noch das Verbot der „Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts“ (§ 220) sowie das Verbot von „Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht“ (§ 221). Als letzte dieser vier Bestimmungen wurde der „berüchtigte“ § 209 (höheres Schutzalter im Vergleich zu heterosexuellen Verbindungen) im Jahr 2002 durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben.

Aus Anlass des Schwerpunktthemas „Gedenkkultur“ in dieser Lambda möchte ich auf folgenden Meilenstein detaillierter eingehen: Durch eine 2005 erfolgte Novelle des Opferfürsorgegesetzes wurden endlich die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgten NS-Opfer anerkannt, rehabilitiert und erhielten einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Da aber bereits im Jahr 2005 die zu entschädigenden Verbrechen 60 Jahre in der Vergangenheit lagen, war kaum von noch lebenden Opfern auszugehen, die einen Entschädigungsantrag im Lichte der Gesetzesreform hätten stellen können. Jedenfalls alle Personen, die in den Jahrzehnten zuvor einen abgewiesenen Entschädigungsantrag bereits gestellt hatten, als es die Klarheit schaffende Novelle noch nicht gegeben hatte, waren mittlerweile verstorben. Grundsätzlich ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass das Totalverbot von Homosexualität (gemäß § 129 I b)) des damaligen Strafgesetzes kein typisch nationalsozialistisches Unrecht war. So galt die Bestimmung bereits vor und auch noch nach der NS-Diktatur. Jedoch sind die spezifischen Verfolgungsmaßnahmen des Regimes wie Deportation in ein Konzentrationslager oder Zwangskastration/Zwangssterilisation sehr wohl typisch nationalsozialistisches Unrecht. Die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgten Personen wurden durch die Novelle ausdrücklich als Opfer dieser typischen NS-Verfolgungsmaßnahmen anerkannt.

Die Verabschiedung des Gesetzes über die eingetragene Partnerschaft (EPG) im Dezember 2009 stellte für Österreich einen großen Schritt in Richtung tatsächlicher Gleichstellung homosexueller gegenüber heterosexuellen Paaren dar. In Deutschland wurde das Pendant dazu – die Eingetragene Lebenspartnerschaft – bereits 2001 eingeführt. Seit 2013 ist die Stiefkindadoption möglich, d.h., die*der gleichgeschlechtliche Partner*in kann das leibliche Kind der anderen Partnerin bzw. des anderen Partners adoptieren. Seit 2015 ist eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung auch außerhalb einer Ehe erlaubt. Seit 2016 ist auch die Fremdkindadoption möglich, da einmal mehr der Verfassungsgerichtshof zuvor eine entsprechende Entscheidung getroffen hatte. Seit 2016 müssen homophob motivierte Gewaltverbrechen vom Gericht strafverschärfend bei der Strafbemessung berücksichtigt werden. Seit 2019 ist die Schließung der Ehe unabhängig vom Geschlecht der Eheleute möglich. Seit 2019 besteht die Möglichkeit der Eintragung des „Dritten Geschlechts“ im Personenstand.

Dennoch gibt es nach wie vor Handlungsbedarf: Noch ist es nicht zum „Levelling-Up“ gekommen – also die Erweiterung des Diskriminierungsschutzes. Noch immer nicht verboten sind nicht-konsensuelle unnötige medizinische oder chirurgische Behandlungen von intergeschlechtlichen Kindern,, die eine Geschlechtsfestlegung zum Ziel haben. Eine generelle Modernisierung des Eherechts ist ausständig. Begrüßenswert wären authentische Interpretationen an geeigneten Stellen in Verfassung und Gesetzen, wonach der Begriff/Schutzgrund „Geschlecht“ auch „Geschlechtsidentität und Intersexualität“ umfasst. Aktivismus ist also weiterhin angesagt.

Von Günther Menacher

Jurist mit Schwerpunkt Wohn- und Immobilienrecht
(Foto: © mb_artsss)