Seit fast 20 Jahren setzt sich der Klagsverband für die Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern und Verbesserungen im Antidiskriminierungsrecht ein. Die HOSI Wien ist nicht nur bis heute ein wichtiges Mitglied des Klagsverbands, sondern hat den Verein 2004 gemeinsam mit der Anti-Rassismus-Organisation ZARA und dem Selbstbestimmt-Leben-Verein BIZEPS gegründet. Heute ist der Klagsverband das Dach über 60 Mitgliedsorganisationen.
Rechtsdurchsetzung, Rechtsveränderung & Vernetzung
Das ist die dreifache Zielsetzung des Klagsverbands. Seit der Gründung verfolgen wir das Ziel, mit strategischer Prozessführung das Recht weiterzuentwickeln. Ein Gerichtsurteil zu einem bestimmten Diskriminierungsthema kann auch für andere Bereiche wichtig sein und die unterschiedlichen Communitys können so voneinander profitieren. Der Rechtsdurchsetzung dient aber auch die Stärkung unserer Mitgliedsorganisationen in ihrer Beratungs- und Unterstützungskompetenz, unter anderem durch unsere Schulungen und Workshops.
Durch die erwirkte Rechtsprechung zielen wir über den Einzelfall hinaus auf Verbesserungen des Diskriminierungsschutzes ab – so zum Beispiel in einem der ersten Verfahren des Klagsverbands im Jahr 2005: Ein offen schwuler LKW-Fahrer wurde in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit von zwei Lagerarbeitern einer Spedition wiederholt schwulenfeindlich beschimpft. Der Klagsverband klagte wegen einer Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Das Gericht erkannte in einem richtungsweisen Urteil eine Belästigung und verurteilte die Täter zu einer Schadenersatzzahlung. Mit 400 Euro pro Person war der zugesprochene Schadenersatz zwar gering, doch die zentrale Botschaft war unmissverständlich: Schwulen-, bi- und lesben-feindliche Belästigung und Diskriminierung sind verboten. Den Fall hatte damals die HOSI Wien beim Klagsverband eingebracht.
Allein heuer hat der Klagsverband Verfahren zum Diskriminierungsschutz von Menschen mit HIV beim Zahnarztbesuch und von muslimischen Frauen bei der Berufsausbildung ebenso gewonnen, wie eine Verbandsklage gegen den Bildungsminister wegen Diskriminierung von Schüler*innen mit Behinderungen.
Viele offene Forderungen
Mit Rechtsveränderung ist aber auch unsere politische Arbeit gemeint, zum Beispiel das Einbringen von Stellungnahmen und Rechtsexpertise in Gesetzgebungsprozessen. Die aktuelle Bundesregierung hat sich in ihrem Regierungsprogramm zur „Stärkung der Schutzmöglichkeiten gegen Diskriminierung in unterschiedlichen Lebensbereichen“ verpflichtet. Was darunter zu verstehen ist, ist bis dato offen. Zu tun gäbe es viel, angefangen von der Einführung eines Mindestschadenersatz für alle Diskriminierungsformen, der tatsächlich abschreckend wirkt, so wie es die Vorgaben der EU vorsehen. Auch eine bessere Finanzierung von niederschwelligen Beratungs- und Klagemöglichkeiten würde den Diskriminierungsschutz stärken, ganz zu schweigen von der längst überfälligen Harmonisierung des Antidiskriminierungsrechts (auch „Levelling-up“ genannt) – denn bis heute gibt es keinen gleichen Schutz für alle Diskriminierungsmerkmale.
Beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen sind derzeit nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) nur Diskriminierungen wegen Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit und nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) wegen Behinderung verboten. Für alle anderen Diskriminierungsmerkmale fehlt der rechtliche Schutz in einem großen Lebensbereich, zum Beispiel bei Kaufverträgen oder Mietverhältnisse. Eine wesentliche Forderung des Klagsverbands und vieler unserer Mitgliedsorganisationen ist das „Levelling-up“: Auch vor Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung, des Alters und der Religion oder Weltanschauung muss es einen rechtlichen Schutz geben!
Paul Haller und Theresa Hammer
Geschäftsführungsteam des Klagsverbands
www.klagsverband.at