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Sozialarbeit: Veränderungen mit Aids

Schon seit der Aids-Krise in den 1980er Jahren spielen Sozialarbeiter*innen eine wichtige Rolle in der Betreuung von Menschen mit HIV. Damals mussten neue Methoden entwickelt werden, um den Kranken zu helfen. Erst ab Mitte der 1990er Jahre wurde es durch neue Therapiemöglichkeiten erkrankten Personen wieder möglich, eine Lebensperspektive zu bekommen. Der Fokus der Sozialarbeit verlagerte sich folglich von palliativer Betreuung und Invaliditätspension-Anträgen für Menschen mit HIV zu deren Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Durch die hochwirksame antiretrovirale Therapie konnten ehemals Todkranke nun in der Wiedererlangung des eigenen Lebens unterstützt werden.

Der Umgang mit der Krankheit wurde seither zunehmend normaler, wenn auch die Stigmatisierung von Menschen mit HIV bis heute nicht verschwunden ist. Zudem wirken sich gesellschaftliche und medizinische Veränderungen immer auf die Sozialarbeit und ihre Klienten aus: Dazu gehören einerseits Ereignisse wie Krieg und Migrationswellen (etwa in der Ukraine, wo der Krieg die HIV-Epidemie verstärkt hat), und andererseits auch medizinische Fortschritte. Menschen mit HIV müssen deutlich weniger Medikamente schlucken wie früher, wodurch sich auch die Arbeit mit marginalisierten Klient*innen in herausfordernden Lebenssituationen leichter gestaltet. Anderseits kann bei genau diesen Klient*innen eine optimale Medikamenteneinnahme (Therapieadhärenz) nach wie vor eine große Herausforderung darstellen, wenn etwa ein Krankenversicherungsschutz nicht besteht oder die Person aus diversen psychosozialen Gründen (z.B. Suchterkrankung, Obdachlosigkeit) die Medikation nicht richtig einnehmen kann. Auch moderne Phänomene wie ChemSex/sexualisierter Substanzkonsum stellen neue Herausforderungen in der HIV-Therapieadhärenz dar.

Welche Aufgaben übernimmt die Sozialarbeit in der Aids Hilfe Wien?

Die Sozialarbeiter*innen bieten kostenlose Beratung und Unterstützung bei der Sicherung der Grundbedürfnisse wie Finanzen und Wohnen sowie Kontakt mit Behörden. Außerdem sind sie auch Ansprechpartner*innen für Diskriminierungserfahrungen. Sie begleiten Menschen mit HIV in schwierigen Lebenssituationen und beraten zu sozialen, rechtlichen und gesundheitlichen Fragen. Dazu gehört auch die Vermittlung von passenden Jurist*innen oder Ärzt*innen.

In Rahmen meines Praxissemesters im Studium der Sozialen Arbeit durfte ich ein Tagespraktikum in der Aids Hilfe Wien verbringen. Ich interessierte mich dafür, welche speziellen Herausforderungen sich in der sozialarbeiterischen Beratung heute ergeben. Die beiden Sozialarbeiterinnen dort erzählten mir etwa, dass die Geschichten ihrer Klient*innen heutzutage häufig im Zusammenhang mit Migration stehen. Oft sei die Flucht vor der Diskriminierung aufgrund der Infektion oder sexuellen Orientierung ein Mitgrund dafür, warum Menschen mit HIV nach Österreich ziehen. Ansonsten geht es in der sozialarbeiterischen Beratung öfters um den Bezug von Sozialleistungen, Klärung von Schulden und Beihilfen sowie sprachliche Probleme.

Eine häufige Problemstellung sind vor allem Klient*innen ohne Krankenversicherungsschutz. Da es für diese Menschen in Österreich keine rechtlich abgesicherten Versorgungsmöglichkeiten gibt, sind sie auf private Einrichtungen angewiesen. Für nicht-versicherte HIV-Positive ist die Aids Hilfe Wien die einzige Anlaufstelle, wo sie vorübergehend die erforderliche Behandlung erhalten. Dieses Angebot existiert dank finanzieller und Medikamenten-Spenden und ist zumeist temporär, bis der Versicherungsschutz wieder gegeben ist. Die Expertise der Sozialarbeiter*innen ist hierbei besonders wichtig, um die Möglichkeiten der Eingliederung ins Krankenversicherungssystem zu explorieren. Sie sind somit in der Lage, auch Klient*innen in besonders komplexen Multiproblemlagen zu helfen.

Michael Stromenger

Von Michael Stromenger

Sozialarbeiter in Wien