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Dykes on Bikes Austria

Am Wachau Ring und im Schritttempo am Wiener Ring

Die motorradfahrenden Mitgliederinnen des Vereins WIMA Austria, Women‘s International Motorcycle Association Österreich, treffen sich einmal im Monat bei ihrem Stammtisch in Wien-Meidling. Dort tauschen sie Erfahrungen und Wissen über das Motorradfahren aus und vernetzen sich. WIMA Austria ist eine der vierzig nationalen Unterorganisationen der WIMA International. Die Frauen setzen sich dafür ein, selbstbewusst als Frau auf dem Motorrad unterwegs zu sein. Dabei gilt es, öffentlich Flagge zu zeigen, um als Frau mit der Maschine aktiv sichtbar zu sein, im immer noch männerdominierten Motorradsport.

WIMA Austria besteht aus einer kleinen Gruppe von 36 Mitgliedern, die gemeinsame Fahrvergnügen für und mit Frauen sowie Frauen im Amateur Motorsport fördern und den Frauen einen leichteren Zugang zum Motorradsport anbieten. Dabei organisieren sie auch Motorsport- und andere Sportveranstaltungen mit Mitgliedern der WIMA International oder anderen WIMA Landesorganisationen. Letztendlich vertritt WIMA Austria die Interessen von motorradfahrenden Frauen in Österreich. Chris Baumer ist aktuell Vereinspräsidentin und Susanne Scharf Schriftführerin des WIMA Austria, der seit dem Jahr 1996 bei WIMA International Mitglied ist. Neben verschiedenen nationalen Aktivitäten gibt es auch einmal im Jahr einen Fixpunkt, die sogenannte Rally. Seit dem Jahr 1950 vernetzen sich rund viertausend Motorradfahrerinnen weltweit bei WIMA International. Susanne ist eine der wenigen geouteten Lesben bei WIMA Austria und ebenfalls Mitglied bei WIMA International, wo sie im Jahr 2017 ihre Partnerin kennengelernt hat. Bei WIMA International wird stets versucht die Vereinsstatuten zu aktualisieren, besonders in den letzten Jahren waren die Mitglieder vom Verein WIMA International gefordert, den Begriff Frau korrekt neu zu definieren, wie lesbisch, queer oder nonbinär die Motorradfrauen sich sehen. Aber die geschlechtliche oder Genderorientierung von Frauen spiele eine untergeordnete Rolle bei WIMA Austria und WIMA International, sagt Susanne Scharf, vielmehr seien die emanzipatorischen Aspekte, also Sichtbarkeit und Unabhängigkeit der Frau an sich relevant.

Die ehemalige Obfrau von Dykes on Bikes Austria Susanne Scharf beim Anführen der Wiener Regenbogenparade. (Foto: HOSI Wien Archiv)
Die ehemalige Obfrau von Dykes on Bikes Austria Susanne Scharf beim Anführen der Wiener Regenbogenparade. (Foto: HOSI Wien Archiv)

Susanne Scharf war von November 2008 bis Februar 2017 Obfrau des Vereins Dykes On Bikes Austria. Motorradfahren war ihr Jugendtraum. Da es in ihrer Herkunftsfamilie weder Motorrad noch Auto gab, musste sie sich sozusagen selbst erfinden, wie sie sagt. Bereits in den 1970er Jahren wurde eine Motorradmarke mit dem Slogan „Freiheit für den Mann“ beworben, was die im Jahr 1962 geborene Motorradfahrerin schon damals provoziert habe. Infolge fährt sie bereits seit dem Jahr 1980 Motorrad. Knapp zwei Jahrzehnte später, im August 2002, gründeten ein paar Dykes den Verein Dykes On Bikes Austria, um die traditionelle Regenbogenparade am Wiener Ring mit geschmückten Motorrädern anzuführen. Damit haben sie jahrelang ein Zeichen der lesbischen Sichtbarkeit gesetzt. Das Ziel des Vereins Dykes On Bikes Austria war auch motorradsportinteressierte Frauen zusammenzuschließen, um gemeinsame Unternehmungen zu machen und sich fachspezifisch auszutauschen. Jedoch sind ihre Motorräder durch das ständige „Stopp-and-Go“ und im Schritttempo fahren, immer wieder, eingegangen, teilweise während der Parade, was Ärger und Frust für die motorradfahrenden Dykes bedeutete. Infolge hat sich im Jahr 2017 der Verein Dykes on Bikes Austria aufgelöst, zudem haben sich einzelne Biografien der Motorradfahrerinnen verändert. Manche zogen fort, verkauften ihre Maschine, andere bevorzugten das unverbindliche vereinsfreie Zusammentreffen und die gelegentlichen gemeinsamen Ausfahrten.

Schließlich bevorzugen die Dykes on Bikes als freiheitsliebende Lesben auf ihren Motorrädern unterwegs zu sein. Die Motorradfrauen vom Verein WIMA Austria fahren im Pride-Monat Juni lieber zum Ladiescamp auf dem Wachau Ring. Es ist eine Veranstaltung von vielen, die jährlich von WIMA Austria frequentiert wird, jedoch für alle Motorradfahrerinnen frei zugänglich ist. Beim Ladiescamp werden Fahrsicherheitstraining und Testfahrten mit Motorrädern unterschiedlicher Marken sowie mit Elektro-Motorrädern angeboten. Im Rahmen dieser Veranstaltung besteht die Möglichkeit auf der Rennstrecke des Wachau Rings die eigenen Grenzen zu erproben, was ein großartiges Gefühl, aber auf der öffentlichen Straße nicht ratsam ist. „Da mit dem eigenen Motorrad gefahren wird, habe ich die psychische wie auch die finanzielle Angstschwelle im Hinterkopf. Tatsächlich weiß ich, dass die Kurven wesentlich mehr Schräglage vertragen als ich selbst“, sagt Susanne, die an Motorradsportbewerben noch nie teilgenommen hat. Aber der Motorradrennsport ist auch eine teure Sportart, so kostet eine Motorcross-Maschine ab viertausend Euro aufwärts. „Es macht Spaß ein Elektro-Motorrad zu fahren, weil dabei der Antrieb ausgezeichnet funktioniert“, sagt Chris Baumer, die Präsidentin von WIMA Austria, nur die Technik bei einem Elektro-Motorrad sei noch nicht optimal für längere Ausfahrten ausgereift. Zum Beispiel reiche die Kapazität des Akkus nicht aus, um ein Motorradrennen zu bestreiten oder eine Tagestour bis zu 800 Kilometer zu fahren. Doch seien die Elektro-Motorräder zumindest für den Stadtverkehr und für die sogenannten Stopp-and-Go-Fahrten beim Anführen der Wiener Regenbogenparade problemlos geeignet, sagt Susanne.

Aber eine Regenbogenparade möchte sie nicht mehr anführen. Grundsätzlich könne sie es sich vorstellen, an der Wiener Regenbogenparade mit einem Elektro-Motorrad teilzunehmen, aber nicht mit ihrer paradefahrtauglichen Honda 750 Shadow, eine Oldtimermaschine 1997. Während sie mit ihrer Kawasaki Versys 650, als sogenannte Reise-Enduro, auf längeren Tagestouren unterwegs ist. Jedoch ein Elektro-Motorbike persönlich anzuschaffen sei derzeit eine zu kostenintensive Angelegenheit, abgesehen davon stelle sie sich die Frage, wie umweltfreundlich und realistisch so ein E-Bike ist, in Bezug auf die Strom- und Akkuerzeugung und das Problem der Endlagerung, wie bei allen Elektro-Fahrzeugen, sagt Susanne. Auf die Frage, wie zeitgemäß es noch ist, in Zeiten des Klimaschutzes den motorisierten Radsport weiterhin zu forcieren, sagen die Motorradfahrerinnen beim Stammtisch von WIMA Austria, neue Motorräder seien nicht umweltschädlicher als Autos. Schließlich ist es für die freiheitsliebenden Motorradfahrerinnen wichtig, selbstbewusst und unabhängig auf ihre Maschinen zu steigen, um das Gefühl der Freiheit bewusst wahrzunehmen, sowohl auf gemeinsamen Adventure-Touren wie auch alleine als motorradfahrende Frauen unterwegs zu sein.

Last but not least bleibt es spannend zu beobachten, ob sich im Rahmen des Klimaschutzes in den nächsten Jahren Dykes on E-Bikes & Bicycles als ein neuer Verein etabliert, um in Zukunft wieder die Regenbogenparade am Wiener Ring sichtbar anzuführen, aber das ist eine andere Story.

Von Veronika Reininger

Freiberufliche Journalistin (Foto: © Bettina Frenzel)