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Vor den Vorhang

Barbara und Brigitte

Denjenigen, die im Vordergrund tätig sind, wird in der Regel der meiste Ruhm zuteil. Zum Beispiel wird ihnen öffentlichkeitswirksam der Dank für die Arbeit des Teams ausgesprochen. Das ist nicht weiter schlimm, schließlich geht mit solchen Ämtern meist sehr viel Verantwortung und ehrenamtliche Arbeit einher, und dies verdient Anerkennung. Nur ist es immer schade, wenn diejenigen vergessen werden, die mehr im Hintergrund wirken – vor allem dann, wenn sie außerordentlich lange und konsequent mitarbeiten und diese Arbeit dazu noch oftmals belastend und wenig prestigeträchtig ist.

Barbara Fröhlich und Brigitte Zika-Holoubek gehören zu jenen Menschen, die in der HOSI Wien eher im Hintergrund – oft auch belastende – Arbeit leisten, und das seit Jahrzehnten. Und das gehört ordentlich gewürdigt, gerade jetzt, da mehrere Jubiläen zusammenfallen: Barbara hat unlängst ihren 60. Geburtstag und ihr 30. Dienstjahr in der HOSI Wien gefeiert, und Brigitte wird im Sommer 75. Im Rahmen der Weihnachtsfeier 2022 hat Brigitte dazu noch den ersten HOSI Wien Award für ihr Engagement erhalten.

Barbara Fröhlich ist in Niederösterreich geboren und aufgewachsen und kam zum Studium der Japanologie nach Wien. 1991 stieß sie zur HOSI Wien-Lesbengruppe – in einer in mehrerlei Hinsicht schwierigen Zeit: Die AIDS-Krise hatte dem Verein enorme Kraft und vielen ihrer männlichen Aktivisten das Leben gekostet, Trauer und Schmerz waren allgegenwärtig. Dadurch sind auch viele Aktivistinnen müde geworden. Somit war Barbaras Aufgabe, 1994 die Hauptverantwortung für die Lesbengruppe zu übernehmen und sie wiederzubeleben, alles andere als leicht und oft auch frustrierend. Viele hätten wohl bald aufgegeben, doch Barbara bewies außerordentliches Durchhaltevermögen und leitete die Gruppe schließlich 23 Jahre lang – und das mit regelmäßig nur zwei Stunden Schlaf mittwochnachts. Mittwochs hat sie den im HOSI-Zentrum stattfindenden Lesbenabend betreut, inkl. Bardienst und einem offenen Ohr für jede Sorge, und dabei eine diverse Gruppe zusammengehalten, in der u. a. alle Altersgruppen und viele soziale Schichten vertreten sind. Barbara gelang auch eine Pionierleistung, indem sie die Lesbengruppe (inzwischen die HOSI Wien LesBiFem-Gruppe) als eine der europaweit ersten auch für trans Frauen öffnete.

Waltraud Riegler und Barbara Fröhlich (Foto: Martin Witzmann)
Waltraud Riegler und Barbara Fröhlich (Foto: Martin Witzmann)

In dieser Funktion war sie auch darüber hinaus vielseitig aktiv, u.a. verfasste sie Gastbeiträge in Zeitschriften und Büchern, hielt Redebeiträge und engagierte sich ab 1998 beim „HOSI-Lesbenradio“, einer monatlichen Sendung auf Radio Orange 94.0 (ausführlicheres dazu im Buch SICHTBAR – 40 Jahre HOSI-Wien-Lesben*gruppe).

Daneben hat sich Barbara stets mit Herzblut für den Gesamtverein eingesetzt: So ist sie bis heute (mit Unterbrechungen) längst­dienende Schriftführerin und hat etliche internationale Konferenzen mitorganisiert, deren Gastgeberin die HOSI Wien war, darunter die ILGA-Osteuropakonferenz 1993, die ILGA-Welt- und ILGA-Europa-Tagungen 2008 sowie die EPOA-Jahreskonferenz 2018. Bei der Organisation der European Lesbian* Conference 2017 in Wien arbeitete Barbara ebenfalls tatkräftig mit.

Ein wichtiges Anliegen ist Barbara zudem stets das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus gewesen: Auch auf diesem Gebiet hat sie sich intensiv eingebracht und an zahlreichen einschlägigen Aktionen des Antifaschistischen Komitees der HOSI Wien teilgenommen, zuletzt bei einer Gedenkfeier am Heldenplatz am 27. Jänner anlässlich des Tages zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.

Bei alledem schafft sie es immer, sich mit allen auf Augenhöhe auseinanderzusetzen, dabei zwar ihre wichtigen Anliegen mit Nachdruck zu vertreten, aber auch zu akzeptieren, wenn sie einmal nicht Teil der Mehrheit ist. Dabei bleibt sie immer herzlich und nimmt sich, wann und wo immer möglich, Zeit für ein Gespräch. Mit dieser liebevollen Art und Weise hat sie viel dazu beigetragen, auch den Verein zusammenzuhalten.

1997 lernte Barbara im Rahmen der Vorbereitungen zur zweiten Wiener Regenbogenparade ihre künftige Lebenspartnerin Brigitte kennen und lieben.

Brigitte stammt aus dem Wiener Umland und kam durch ihr Engagement für AIDS-Kranke zur HOSI Wien. Seit den späten 1980er-Jahren hatte sie an AIDS erkrankte Menschen auf der AIDS-Station „Annenheim“ (in der heutigen Klinik Penzing) ehren­amtlich betreut – zu einer Zeit, als die Krankheit am meisten Todesopfer forderte, noch schlecht erforscht und mit erheblicher Stigmatisierung verbunden war.

Viele Menschen hatten damals noch große Berührungsängste und weigerten sich, mit AIDS-Kranken zu arbeiten. Doch nicht so ­Brigitte – ganz im Gegenteil: Sie setzte sich an ihre Betten, hielt ihre Hände, hörte sich ihre Ängste und Sorgen an und begleitete sie auf diesem unvorstellbar schweren Weg. Für manche war sie sogar die einzige Bezugsperson – vor allem für jene, die von ihren Familien aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verstoßen wurden, die keinen Partner (mehr) hatten, weil dieser womöglich selbst schon verstorben war.

Im Rahmen dieser Tätigkeit kam Brigitte auch mit HOSI-Aktivisten in Kontakt, die an AIDS erkrankt waren. Auch einige von ihnen begleitete Brigitte mit großer Empathie und Unterstützung in ihren letzten, meist sehr schwierigen und qualvollen Lebensmonaten. Diese mit großer seelischer Belastung verbundene Arbeit ist nicht mit Gold aufzuwiegen und war deshalb ein Beitrag von unschätzbarem Wert in diesen schwersten Jahren der Vereinsgeschichte.

Und nicht nur das: Seit dieser Zeit kämpft Brigitte gemeinsam mit Friedl Nussbaumer, dessen Partner Michael 1992 den Kampf gegen AIDS verloren hatte, mit dem Names Project Wien (namesproject.at) dafür, dass die an AIDS verstorbenen Menschen nicht vergessen werden, sondern Gedenktücher mit ihren Namen an sie erinnern. Im Laufe der Jahre hat Brigitte den österreichischen Memorial Quilt an viele Orte in Österreich zur Aufbereitung begleitet, eine Form der Präventionsarbeit, die besonders für Schulklassen gedacht und geeignet war. Im Mai 1999 präsentierte sie Quilt-Gedenktücher sogar in Moskau und wurde dazu von drei russischen TV- bzw. Radiosendern interviewt (vgl. LN 3/1999, S. 28 ff). Noch heute zeigt Brigitte den Quilt gerne der HOSI-Jugend, erzählt seine Geschichte auf berührende Weise und sorgt damit dafür, dass das Gedenken an die Opfer von HIV und AIDS fortbesteht – zuletzt wieder letzten November am HOSI Wien Jugend­abend.

Brigitte hat sich ebenfalls stets sehr um die HOSI als Ganzes bemüht, sich an vielen Aktionen beteiligt, darunter an vielen Veranstaltungen der Lesbengruppe, des Antifaschistischen Komitees, aber beispielsweise auch an Protestaktionen, wie der friedlichen Besetzung der Botschaft Portugals in Wien, um das damalige EU-Vorsitzland davon zu überzeugen, beim Druck auf die schwarz-blaue Regierung nicht nachzulassen. Und auch Brigitte hat sich mit ihrer liebevollen mütterlichen Art nach Kräften um alle gekümmert und damit einen wichtigen Beitrag für das soziale Gefüge des Vereins geleistet.

Liebe Brigitte, liebe Barbara,
Danke für eure immerwährende Herzenswärme, euer offenes Ohr und eure liebevolle Art – ohne euch hätte ich mich niemals in dem Umfang engagieren können!

Von Andreas Stefani

Lambda Autor, Community & Politik