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Porno ist mÀnnlich

Porno ist mĂ€nnlich. Zumindest aus historischer Perspektive war er das die lĂ€ngste Zeit, erst in jĂŒngster Zeit gibt es eigenstĂ€ndige feministische und/oder lesbische Pornoproduktionen, die aber nach wie vor Nischenprodukte sind und im milliardenschweren Pornomarkt eine geringe Rolle spielen. So bestĂ€tigte auch das Schwule Museum (SMU) in Berlin in einer Einladung zu einem „Porn Film Archive Workshop“, dass in ihrer mehr als 3.000 Objekte umfassenden Pornosammlung „nur wenige lesbische und trans* Pornofilme registriert“ sind. Auch QWIEN, das Zentrum fĂŒr queere Geschichte, besitzt eine umfangreiche, wenn auch wesentlich kleinere Pornosammlung als das SMU. Diese aus Super 8-Filmen, ­Videos und DVDs bestehende Sammlung wurde aber bislang nur ĂŒberblicksmĂ€ĂŸig gesichtet, bestĂ€tigt aber den Befund der Kolleg:innen aus Berlin.

Porno ist mĂ€nnlich. Egal ob heterosexuell oder gleichgeschlechtlich. Es ist entweder der mĂ€nnliche Blick auf den weiblichen Körper, der auch in den zahlreichen lesbischen Mainstreampornos dominiert, die MĂ€nner fĂŒr MĂ€nner produziert haben. Es ist aber auch der Blick auf den mĂ€nnlichen Körper, den schwule MĂ€nner auf MĂ€nner richten. Ausnahmen dieser Blick- und Rezeptionsregie sind rar. So prĂ€sentierte das Transition Film Festival in Wien ab 2015 unter dem Label „Fucking Different“ ein Reihe von Filmen, bei denen lesbische Regisseur:innen schwule Pornos inszenierten und umgekehrt.

Porno ist mĂ€nnlich. Nicht nur die relative junge Pornoproduktion auf Film, Video oder digital reprĂ€sentiert einen mĂ€nnlichen Blick, auch in der Geschichte der bildlichen Darstellungen und von pornographischen Texten ist die weibliche Position praktisch nicht existent. Darstellungen gleichgeschlechtlicher Handlungen zwischen MĂ€nnern sind seit der griechischen und römischen Antike bekannt. Auch aus dem Mittelalter und der Renaissance sind einzelne Bilder und auch Texte bekannt, aber eine erste BlĂŒte erlebt die Pornographie im 18. Jahrhundert vor allem in Frankreich. BerĂŒhmt und bis heute rezipiert sind die Schriften von Marquis de Sade, es gab aber daneben eine Flut pornographischer Publikationen, die oft auch mit expliziten Kupferstichen illustriert waren. Doch verfolgten manche dieser Publikationen auch eine politische Agenda, sie sollten ein Beleg fĂŒr die Dekadenz und sittliche Verwahrlosung des Adels sein. So wurde Maria Antoinette, die Tochter Maria Theresias und Königin von Frankreich, lesbischer Beziehungen bezichtigt und diese in Wort und Bild deutlich dargestellt. Doch war Pornographie damals weit davon entfernt, von einer breiten Masse konsumiert zu werden. Aufgrund der teuren Produktionsbedingungen war sie auf einen kleinen, vermögenden Kreis beschrĂ€nkt.

Erst mit der Erfindung der Fotografie wurde Pornographie massentauglich. Wobei es im Auge des Betrachters lag, was als pornographisch gelesen wurde. Ja, im Auge des Betrachters, denn Pornographie war nach wie vor mĂ€nnlich. Gemacht fĂŒr heterosexuelle und in seltenen FĂ€llen homosexuelle MĂ€nner. Von der Jahrhundertwende bis zum Beginn der 1910er-Jahre blĂŒhte in Wien eine vielfĂ€ltige sexuelle Subkultur, die durch den Zuzug und das damit verbundene rasante Wachstum Wiens zur Großstadt sowie die multikulturelle Durchmischung befeuert wurde.

Die weite Verbreitung von Bildern, die als unsittlich empfunden wurden, rief auch SittenwĂ€chter auf den Plan, wobei pornographische Darstellungen genauso wie Fotografien, die wir heute als erotisch bezeichnen wĂŒrden, unter das Verdikt der Unsittlichkeit fielen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Wien neben Paris das Zentrum erotischer Bildproduktion in Europa, sodass sich dafĂŒr sogar das Label „Wiener Bilder“ etablierte. Die erste professionelle Filmproduktionsfirma Österreichs, die Saturn Film, drehte ab 1906 ausschließlich heute recht harmlos wirkende erotische Filme, die zu einem Exportschlager wurden. Beschwerden aus dem Ausland, dass es die Behörden in Wien zuließen, dass pornographische Produkte europaweit vertreiben wurden, fĂŒhrten schließlich 1910 zu einem Verbot der Saturn-Filme. Aber auch gegen den Handel in Wien wurde vorgegangen; im selben Jahr fand eine Razzia in der fĂŒr den Vertrieb erotischer und pornographischer Druckwerke bekannten Buchhandlung C.W. Stern statt, bei der angeblich mehr als 30.000 StĂŒck beschlagnahmt wurden.

Bereits im Strafgesetzbuch von 1852 gab es den § 516 StG, mit dem „unzĂŒchtige“ Verhaltensweisen und Produkte verboten wurden, wenn die „Sittlichkeit und Schamhaftigkeit gröblich“ verletzt wurde. Der Kampf gegen die Pornographie wurde zudem mit weiteren gesetzlichen Regelungen im Pressegesetz und in Jugendschutzgesetzen verstĂ€rkt und 1910 und 1923 im internationalen „Abkommen zur BekĂ€mpfung obszöner Schriften“ völkerrechtlich verankert. Im Austrofaschismus kam es zu weiteren VerschĂ€rfungen „zum Schutz der Sittlichkeit und der Volksgesundheit“.

In Strafakten aus der NS-Zeit finden sich immer wieder Hinweise, dass bei Hausdurchsuchungen einschlĂ€giges Material beschlagnahmt wurde, doch ist dieses leider nie den Akt beigelegt oder im Lauf der Zeit aus ihnen verschwunden. In einem großen Verfahren ging es um die Produktion pornographischer Fotos. Jene Frauen, die auch lesbische Szenen darstellten – es ist eindeutig, dass diese fĂŒr heterosexuelle MĂ€nner hergestellt wurden –, wurden außerdem nach § 129 Ib StG wegen Unzucht wider die Natur angeklagt und teilweise auch verurteilt.

Auch in der Nachkriegszeit findet der Kampf konservativer Kreise gegen die „Verwahrlosung“ der Jugend ihren legistischen Niederschlag. 1950 wird das Pornographiegesetz „zum Schutz der Jugend gegen sittliche GefĂ€hrdung“ erlassen. Der Kampf gegen „Schmutz und Schund“ fĂŒhrte dabei zu aus heutiger Sicht skurrilen BlĂŒten. So wurde 1951 das Urteil gegen den Hersteller von Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Grey“ nach dem Pornographiegesetz letztinstanzlich vom Obersten Gerichtshof (OGH) bestĂ€tigt. Zwar reagierte der Gesetzgeber auch auf gesellschaftliche VerĂ€nderungen (Stichwort sexuelle Revolution in der 1960er-Jahren), gleichgeschlechtliche Darstellungen blieben aber weiterhin tabuisiert.

Auch die Strafrechtsreform 1971, die zu einer Abschaffung des Totalverbots homosexueller Handlungen fĂŒhrte, brachte keine Besserung. Die vier neu eingefĂŒhrten Paragrafen zeigten, dass fĂŒr den Gesetzgeber homosexuelles Verhalten gesellschaftlich unerwĂŒnscht blieb. So bestĂ€tigte der OGH 1977 in einem Urteil, dass die Darstellungen sadomasochistischer Praktiken, von Sex mit MinderjĂ€hrigen, Tieren und homosexuellem Geschlechtsverkehr als „absolut unzĂŒchtig“ gelten. Derartige Darstellungen wurden als „harte Pornographie“ grundsĂ€tzlich verboten. Hinzu kam der 1971 geschaffene § 220 StGB, das sogenannte Werbeverbot fĂŒr HomosexualitĂ€t.

Diese Gesetze wurden auch gegen Institutionen der Community angewandt: Die Frauenbuchhandlung wurde 1982 wegen eines lesbischen Sex-Ratgebers verurteilt, der Verein Rosa Lila Tipp und die Buchhandlung Löwenherz erlebten noch in der frĂŒhen 1990er-Jahren Beschlagnahmen von AIDS-InformationsbroschĂŒren oder schwulen Sex-Ratgebern. Erst seit dem Jahr 2000 ist die Darstellung homosexueller Handlungen nicht mehr durch das Pornographiegesetz eingeschrĂ€nkt.

Porno blieb mit wenigen Ausnahmen mĂ€nnlich, die feministische PorNO-Bewegung, die sich grundsĂ€tzlich gegen Pornographie aussprach, wurde auch von Teilen der Lesbenbewegung unterstĂŒtzt. Dagegen sprach sich eine sexpositive Bewegung, die auch von vielen aus queer-feministischen Communitys unterstĂŒtzt wurde, fĂŒr eine Aneignung der Produktionsmittel und damit auch des Blicks auf weibliche Körper aus. Zwar zeigt das jĂ€hrlich stattfindende ­Vienna Porn Film Festival, wie vielfĂ€ltig SexualitĂ€t und ihre Darstellungsformen sein können, doch funktioniert der Mainstream-Pornomarkt nach wie vor nach den alten Regeln.

Andreas Brunner
QWIEN

Von Gastautor*in

Unter diesem Tag versammeln sich verschiedene Gastautor*innen der Lambda.