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Pride als Safe Space?

In jüngerer Zeit dringen immer häufiger tlw. extreme, transphobe Gewalttaten an das Licht der (zumindest LGBTIQ*-)Öffentlichkeit. Dass cis-mensch diese Problematik nicht als tragische „Einzelfälle“ relativieren bis abtun kann, sagt u.a. eine groß angelegte Umfrage des US-Bureau of Justice Statistics (2022) unweigerlich aus: Über 5 % aller trans Personen widerfuhr Gewalt, zweieinhalbmal so oft wie cis Personen. Ebenso darf mensch nicht glauben, für LGBs würde eh alles so viel besser: Mit 4,5 % werden sie annähernd so oft Opfer von Gewalt wie trans Personen, auch doppelt so oft wie Heterosexuelle. Darunter sind junge Erwachsene und bisexuelle Frauen jeweils nochmal doppelt so gefährdet wie der Rest, lesbische Frauen ein knappes Drittel mehr wie schwule Männer. Laut anderer Statistiken erleben LGBTIQ* generell viermal so oft Gewalt und ein jüngerer Bericht der deutschen Bundesregierung bestätigt einen starken Anstieg queerfeindlicher Hassverbrechen im Jahr 2021 (im Themenfeld „Geschlecht oder sexuelle Identität“ sogar um 66 Prozent). Es ist zu befürchten, dass die Dunkelziffern in all diesen Bereichen vermutlich weitaus höher liegt.

Nachdem seitens Politik und Gesellschaft hier nicht genug verändert wird, bleibt Menschen mit queeren Identitäten nichts anderes übrig, als sich Schutzräume zu suchen. Dies ist auch die Hauptmotivation von Vereinen wie der HOSI Wien, ein queeres Zentrum zu betreiben und ein Mitgrund dafür, die Vienna Pride, inkl. Regenbogenparade zu veranstalten. Doch wie sehr kann letztere einen Safe Space bieten? Sind wir bereits bei der Parade, sind wir mithilfe der Polizei und dadurch, dass wir eine queere Masse sind, gut geschützt – aber vielleicht findest du schon in der Formulierung dieser Aussage die „aber“s:

Zuerst müssen wir überhaupt mal dahin kommen: Und wenn wir dies „auffällig“ machen, begegnen uns sehr häufig abwertende Blicke und Aussagen. Auch der Mord an Malte C., der beim CSD in Münster 2022 einfach nur so sein wollte, wie er ist, geschah nur wenige Meter von der eigentlichen Pride entfernt. Und aus globaler Perspektive sind wir im deutschsprachigen Raum noch vergleichsweise privilegiert, einerseits durch die gute Zusammenarbeit mit der Polizei, die schon in z. B. Warschau nicht so gut funktioniert, andererseits mit einer vergleichsweise geringen gewaltbereiten „Gegenbewegung“, die in Belgrad, das weniger weit von Graz entfernt ist als Bregenz, sogar dazu führt, dass die Pride verboten wird.

Nun haben wir bislang eher von Gewalt von außen gesprochen, jedoch nicht von jener innerhalb der „Community“. Nach der Regenbogenparade 2021 langten zahlreiche Vorwürfe von sexuellen Übergriffen bei uns ein. Generell erreichen uns regelmäßig Berichte von sexuellen Übergriffen unter LGBTIQ*, vor allem unter/zwischen schwulen Männern.

Weiters reicht allein die Abwesenheit physischer Gewalt nicht aus, einen (im Falle einer Pride temporären) Ort als Safe Space zu deklarieren. Neben dem innerhalb der Community leider genauso häufig vorkommenden Problem Rassismus ist auch Transphobie immer prominenter: Nachdem sich der Queer-Aktivist*innenszene vermehrt trans und inter Personen anschließen, um für ihre Rechte zu kämpfen und vor allem junge Aktivist*innen zumeist inklusiv sind, gibt es hierfür eine Gegenbewegung, zu der auch schwul-lesbische Aktivist*innen wie Faika El-Nagashi gehören, weil sie nicht damit klar kommen, dass sie den Opferwettlauf mal nicht gewinnen und sogar im Standard-Interview Schreckgespenste vom potentiellen Hetero-Vergewaltiger in Frauenkleidern an die Wand malen, der extra seinen amtlichen Geschlechtseintrag ändern lässt, um in FLINTA*- ach nein… (Cis-)Frauen-Schutzräume einzudringen, wofür es keine Belege gibt. Und Faika ist kein Einzelfall, sondern nur eine von vielen TERFs, die teilweise sogar (aus inhaltlicher Sicht) mit Gruppen wie den Identitären gegen das deutsche Selbstbestimmungsgesetz demonstrieren. Das erschreckende dabei ist erstens, dass hier allein eigene Interessen verfolgt werden, von denen manche sogar auf eben solchen Schreckgespenstern beruhen, und die Anliegen vulnerablerer Gruppen (in dem Fall trans, aber auch inter Personen) zurückgestellt werden. Und zweitens, dass dies nicht von irgendjemand unqualifiziertem aus der Masse, die*der sich mit der Vielfalt der queeren Community gar nicht auseinander setzen konnte, sondern von qualifizierten (Cis-)„FeministInnen“ kommt. Dementsprechend wirkt sich das auch auf die gesamte LGBTIQ*-Community aus.

Und so berichten auch oftmals trans Personen, dass sie vermeintliche, queere Schutzräume deswegen sogar meiden. Dann tritt das Problem vielleicht nicht ans Tageslicht, ist aber trotzdem da.

Was ist die Lösung? Muss es wirklich eine separate trans Pride geben, deren Teilnehmenden sich nur per Taxi oder gar unter Polizeischutz von zuhause hin eskortieren lassen? Das klingt nicht nur schwer möglich, es wäre auch eine Lose-Lose-Situation für die gesamte Bewegung. Vielmehr bräuchte es auch innerhalb von Prides Awareness-Teams, die nur mittels öffentlicher Finanzierung überhaupt bereitgestellt werden könnten. Diese müssten als ultima ratio transphobe Personen von der Veranstaltung ausschließen können, aber auch das ist schwer umsetzbar.

Bleibt also nur, dass wenigstens innerhalb der Community alle zusammenhalten, um zumindest so viel Awareness zu schaffen, dass Transphobe eine kleine Minderheit werden, denen bei Beharren auf ihrem Hass in letzter Konsequenz das passiert, was sie für trans Personen fordern: Deren Ausschluss.

Von Andreas Stefani

Lambda Autor, Community & Politik