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Gebt’s eana do endlich eana häusl

dann is a ruh!

Wenn es doch so einfach wäre, wie sich der kleine Maxi das da grad denkt. Gerade die ewige Toiletten-Frage nervt wohl alle und taucht dann doch immer wieder auf, wenn es um Bestimmungsorte (von Geschlecht) geht. Warum nicht alle „all genders“, denkt die aufgeklärte Pragmatikerin. Da wundert es auch nicht, dass im 21. Jhd. das Buch einer 24-jährigen erscheint, die entsetzt ob der fehlenden Information aber durchaus erfreut ihren eigenen Körper neu entdeckt. (Lorenz, 2022). Aufklärung oder Enlightment hat heutzutage wieder einen ganz eigenen, gar nicht progressiven Touch bekommen. (Die Illuminaten geistern wieder durch alle Verschwörungen)

Der stille Ort

Die Zeiten sind wohl noch nicht vorbei, in denen Gefühle im öffentlichen Raum, und hier vor allem im (Großraum-) Büro, keinen Platz haben und die Toilette als Rückzugsort wichtig ist. Nicht nur um sich danach wieder frisch zu machen, sondern vor allem, um danach wieder zu funktionieren. Auf Büro-Toiletten funktionierte dies in Zeiten strikter binärer Geschlechtertrennung in den Hierarchien noch besser als heute. Gefühle und Körper wurden lange Zeit auf heimliche Orte oder Kämmerchen verwiesen. (Kosofsky-Sedgwick, 1990) In diesem Fall auf die stillen Örtchen wie Toiletten. Andererseits erfüllen diese, aber nur unter binärer Trennung, auch Funktionen wie: Wahrung der Intimität, Schutz der persönlichen Integrität, vertrauliche (oder intime) Kommunikation. Das erklärt auch die entsprechende emotionale Aufladung in Diskussionen bezüglich der „all gender“ Toiletten. So hat dieser Safe Space im öffentlichen Raum eine eigene, auch emanzipatorische Geschichte. Dass diese Örtchen viele funktionale Bedürfnisse heute nicht mehr erfüllen, wird unter anderem auch im Merkblatt der Stadt Bern für maximale Inklusion für Menschen aller Geschlechter klar. (Newsletter Okt. 22 auf nonbinary.ch) Hier zeigt sich aber auch, dass der öffentliche Diskurs weit über die Inklusion der diskutierten Teilgruppen hinausgeht. Ich werde dies zum Ende noch einmal aufgreifen.

Für viele LGBTI, besonders für „T“, ist es selbst in Großstädten oft schwer sichere Orte oder Räume zu finden, in denen sie sich so angenommen fühlen wie sie sind und sich vielleicht sogar „ausprobieren“ können. Dabei hat sich schon vieles verbessert. Die Zeiten unscheinbarer Türen mit Klingel und Guckloch, deren Adressen und Öffnungszeiten nur durch Mund zu Mund Propaganda zu erfahren waren, sind in Zeiten zunehmender Emanzipation und digitaler Kommunikation nun doch Vergangenheit. Allerdings sind die „LGBTI Open Spaces“ in den letzten 10 Jahren weniger geworden. Gerade für Trans und Nichtbinäre ist das Angebot auch in größeren Städten immer noch nicht berauschend, wenn es dann ein oder zwei Mal im Monat ein Treffen gibt.

Community?

Immer wieder läuft mir in Diskussionen das Wort „Community“ über den Weg. Hier soll „Community“ im Sinne einer übergreifenden Gemeinschaft, einer LGBTI-Familie, verstanden werden. Dabei haben viele Trans und deren Partner*innen gerade mit dieser „Community“, aber auch in Teilen von ihr, sehr schlimme Erfahrungen der Zurückweisung und Inakzeptanz gemacht. In Wien besteht die „Community“ wohl eher aus Party People, einer Szene, die nur einen kleinen (sichtbaren und lauten) Teil der LGBTI abbildet, wie es zuletzt in einer kleinen Seitendiskussion anlässlich der Buchpräsentation von Peter Fässlachers “Die schwule Seele” im September 2022 bestätigt wurde. Eine Gemeinschaft im engeren Sinn ist es wohl nicht. Transfrauen werden oft von den Schwulen eingemeindet. Da kann ich mich noch an den Erfahrungsbericht einer Trafikantin in Wien erinnern, die von der „Enttäuschung“ der schwulen Kundschaft berichtete als sie sich schließlich vollständig outete. (derstandard.at: 29.04.21) Bei den Lesben stoßen Transfrauen tendenziell eher auf Ablehnung. Transmänner haben es auf beiden Seiten nicht einfach. Daher sind weder die „Community“, noch „LGBTI open Spaces“, also Lokale, Save Spaces für „T“

Das Internet – wichtig, aber kein Safe Space

In der Beratung fällt es immer wieder auf, dass sich viele, vor allem jüngere Trans, zunächst im Internet orientieren. Es gibt ja inzwischen ein großes Angebot an teils sehr eigenartigen Gruppen, die im Internet formiert werden. Die dort verbreiteten Informationen sind jedoch, um es positiv zu formulieren, äußert vielfältig und oft widersprüchlich. Manche verfolgen ihre gänzlich eigenen Interessen und sind wohl eher als gefährdend zu klassifizieren. Das Internet, die Foren, Communities und Chats sind mit großer Vorsicht zu genießen und wahrlich keine Safe Spaces. Sehr früh hatten Trans-Vereine eine eigene Webpräsenz, waren allesamt jedoch eingetragene Vereine. Was nicht ausschließt, dass es auch sehr coole und äußerst engagierte Gruppen im Netz gibt. Inzwischen ist eine davon, die sich zunächst als geschlossene Facebook-Gruppe für Transmänner und Nichtbinäre gefunden hatte und als solche noch existiert, auch zu einem gut vernetzten eingetragenen Verein geworden. (chaingepeergroup.at) Das Internet ist eine wichtige Quelle für Informationen geworden, auch für Fachinformationen. Und diese sind extrem wertvoll, sofern sie nicht nur in der Blase des Netzes existieren und auch in persönlichen Gesprächen und/oder anderen Medien, meist online/offline Literatur, verifizierbar sind.

Glücklich sind jene, die ein paar wirkliche Freund*innen haben. Für Trans, hier vor allem für Kinder und Jugendliche, welche diskriminierungsbedingt vielleicht Kindergarten- oder Schulwechsel hinter sich haben, und ältere, vor allem Erwachsene, die im Laufe ihrer Transition meist alle Freundschaften und sonstige familiäre Bindungen verlieren, ist dies gar nicht so leicht und oft mit einem gänzlichen „Neustart“ verbunden. Oft müssen „wohlmeinenden“ oder „wohlwollenden“ Freundschaften, zwei Diskriminierungen, die ich der langen Liste der Marginalisierungen von Felicia Ewert (Trans.Frau.Sein, 2018) anfügen möchte, aus Selbstschutz aufgekündigt werden. Wenn es Safe Spaces für Trans gibt, dann sind es diese verbliebenen wirklichen Freundschaften, die Halt durch Bestätigung, positive und konstruktive Kritik und auch wertschätzende Konflikte geben. (Phenix Kühnert 2022, Heinz Jürgen Voß 2022)

Daher sind Trans auf der Suche nach sicheren Räumen und Orten oft auf Gruppenabende angewiesen, welche von Vereinen organisiert, veranstaltet, betreut und­/oder moderiert werden. Diese werden fast ausschließlich von Freiwilligen getragen, stoßen jedoch auf Grund der ehrenamtlichen, also unentgeltlichen Tätigkeit immer mehr an ihre Grenzen. Sowohl in Bezug auf Kapazitäten, aber auch bezüglich der emotionalen Belastungen. Es bleibt abzuwarten, ob „nach“ Corona und der langsam spürbaren Teuerung diese Tätigkeit aufrechterhalten werden kann, wenn die Basisfinanzierungen nicht massiv erhöht werden. Gerade diese Gruppen leisten jetzt schon, besonders für Trans, einen unschätzbaren Dienst – insbesondere für Jugendliche in Wien, wo nach viel zu langem Zögern und mangelnder Einsicht endlich ein LGBTI-Jugendzentrum 2024 (!) in Betrieb gehen soll. Im Vergleich: Berlin hat ein solches Zentrum pro Mio. Einwohner – es hätten also ruhig auch gleich zwei sein können. Das Zweite kommt dann wohl 2030, nach der Pilotphase.

Einiges passiert, aber viel ist noch zu tun

Das institutionelle Versagen in puncto LGBTI und besonders in puncto „T“ bezüglich Safe Spaces oder Schutzräumen ist schlicht eklatant. So ist seit über zehn Jahren bekannt, dass der Anteil von LGBTI unter den Obdachlosen zwischen 20 % und 40 % liegt. Der Anteil der Trans untern ihnen liegt bei 25 %. (siehe u.a.: Durso, Gates: 2012; Abramovich, Shelton: 2017) Auch bei Flüchtlingen, die ukrainischen Vertriebenen ausgenommen, ist der Anteil der LGBTI weit über 10% und vor allem von Trans überproportional hoch (genaue und vor allem offizielle Zahlen gibt es nicht. Vgl. auch Carolin Küppers, et.at. 2019). Dabei geht es hier um dringend notwendige Gewaltschutz-Maßnahmen und dem Schutz vor gravierenden Folgen aus akuter Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTI. Trans (und wohl auch Inter) sind hier besonders betroffen. Dazu zählt leider auch die Weigerung von Einrichtungen, Transfrauen und Transmänner aus Gewaltbeziehungen in bereits bestehende Schutzeinrichtungen aufzunehmen.

Doch es tut sich was. Sichtbarkeit in Form baulicher Veränderungen, wie „all gender“ Toiletten oder in Form öffentlicher Diskurse, vielleicht folgend auch in Form rechtlicher Normen, führt zwar nicht zu sozialer Akzeptanz, erleichtert und ermöglicht aber das Leben von Trans, Nichtbinären und Intergeschlechtlichen, indem strukturelle Diskriminierungen aufgehoben werden. (Elisabeth Duval, 2021) Eine rechtliche Nennung und damit die Anerkennung dieser Seinsform ist keinesfalls allgemeiner individueller sozialer Anerkennung gleichzusetzen. Die Nennung von transident, nichtbinär und intergeschlechtlich auch in Gesetzesbestimmungen schafft für die Betreffenden einfach eine andere Lebensrealität und macht Rechte auch einforderbar. So gilt in Deutschland seit der Novelle des Sozialgesetzbuches (SGB) „Bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind […] die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie transidenten, nichtbinären und intergeschlechtlichen jungen Menschen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern.“ (§ 9, Kinder- und Jugendstärkungsgesetz)

Hier greife ich den Punkt von oben wieder auf, dass der öffentliche Diskurs weit über die Inklusion der diskutierten Teilgruppen hinausgeht. Dadurch finden auch Rechte von Gruppen, die bisher nicht erwähnt wurden, Berücksichtigung: Denn auch dieses ist im SGB mit der gleichen Novelle neu, „die gleichberechtigte Teilhabe von jungen Menschen mit und ohne Behinderungen umzusetzen und vorhandene Barrieren abzubauen.“

Ein längst überfälliger Punkt, der zeigt, dass es sich durchaus lohnt Inklusion weiter zu denken und insgesamt neu zu fassen. Dies wäre in den Gleichbehandlungsgesetzen ebenso nötig. Denn es ist mehr als mühsam und letzten Endes auch erfolglos, wenn Trans zwar mitgemeint, aber nicht mitberücksichtigt, also genannt, werden. Vielleicht wäre es aber sinnvoller im Art. 7 der Bundesverfassung Pkte. 1), 2), 3) sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität einzufügen, als mehr als 30 Gleichbehandlungsgesetzte zu ändern. (Konstatzky, Hammer 2021)

Möge die Umsetzung der erweiterten und gleichberechtigten Teilhabe überall weitergehen. Eine ähnliche Umsetzung wie in Deutschland wäre für Kinder und Jugendliche in Österreich jedenfalls sehr wünschenswert. Mir ist diesbezüglich nichts bekannt, aber ich lasse mich gerne aufklären.

Es sind jedenfalls noch viele Schritte zu tun, um allen Menschen einen gesicherten Rahmen zu bieten. Dazu gehört auch die Anerkennung vergangenen Unrechts durch Entschädigung von zwangssterilisierten Trans auf Grund des bis 2009 geltenden und durch den VwGh, wohl auch auf Grund einer Entscheidung des EUGh (Art. 8 der heiß diskutierten EMRK), aufgehobenen Transsexuellenerlasses.

Von Mia Mara Willuhn

Soziologin in Wien und seit Beginn der 1990er Jahre Transaktivistin. Sie hat 1992 die Selbsthilfegruppe für Trans in der Rosa-Lila-Villa mitbegründet, wie auch den Verein TransvestitIn 1994.