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Editorial

Drag ist Kunst, Drag ist vielfältig

Drag, das Thema dieser Ausgabe der Lambda, ist ein Spiegel unserer Community. Es mag nicht allen bewusst sein, aber Drag begleitet die österreichische LGBTIQ+ Community seit jeher. Das hieß dann früher eher Travestie, Tuntentum, oder einfach nur „sich in einen Fummel schmeißen“. Von den Cabarets der 20er Jahre bis zu den Drag-Brunches und Drag-Race-Viewings heute: Drag war immer da und wird uns immer erhalten bleiben. Drag ist Kunst und so vielfältig wie die Künstler*innen, die diese Kunstform betreiben. Mit den politischen und gesellschaftlichen Erfolgen der LGBTIQ+-Community ist auch ein Teil der Drag-Community in der Mehrheitsgesellschaft angekommen. Das ist eine gute Entwicklung.

Drag ist radikal queer, denn die Natur von Drag stellt althergebrachte Geschlechternormen in Frage. Es geht nicht mehr nur um eine Perücke und ein Kleid oder einen angeklebten Bart, es geht um Empowerment. Die ersten Schritte in Drag sind (wenn auch nicht immer sehr elegant) meist die ersten Schritte in eine größere Freiheit.

Drag ist politisch. Drag Künstler*innen sind der sichtbarste Teil unserer Community. Kaum eine Pride-Berichterstattung kommt ohne ein großes Bild einer Dragqueen aus. Diese Sichtbarkeit liegt nicht nur an den hohen Hacken und den Turmfrisuren. Drag steht für Selbstironie, Moderne, Offenheit und Selbstbestimmung. Alles Dinge, die unsere bierernsten Gegner von rechts hassen. Erst vor wenigen Wochen hat sich Viktor Orbán, Ungarns Quasidiktator und Posterboy der neuen Rechten, zu dem skurrilen Satz hinreißen lassen, wir würden „weniger Dragqueens und mehr Chuck Norris“ benötigen. In Österreich fand diese Ablehnung den Höhepunkt heuer bei der Störaktion gegen eine Kinderbuchlesung der Dragqueen Candy Licious. Diese Aufmerksamkeit von wichtigen Repräsentant*innen der Rechten zeigt uns was Drag als Kunstform heute bedeutet: Drag ist den Mächtigen ein Dorn im Auge, und das ist auch gut so.

Drag provoziert leider nicht nur engstirnige Menschen außerhalb der LGBTIQ+ Community. Viel zu oft höre ich ablehnende Stimmen über Drag, es würden ein schlechtes Licht auf die restliche Community werfen. Da muss ich immer wieder sagen: Es waren selten die angepassten Mitglieder der LGBTIQ+-Gemeinschaft, die unsere Welt verändert haben. Es waren queere Frauen*, Trans­personen, Fetischgruppen, offen schwule Aktivist*innen, Dragqueens, Migrant*innen, die Unangepassten eben, die unsere großen gesellschaftlichen Erfolge ermöglicht haben. Assimilation an die Mehrheitsgesellschaft darf nicht Sinn und Ziel unserer Community sein.

Drag hat Erfolg. RuPaul‘s Drag Race ist eines der erfolgreichsten Franchise der TV-Geschichte, Conchita hat für uns der Song-Contest gewonnen, Tamara Mascara hat bei Dancing Stars mitgetanzt. Dragqueens sind erfolgreiche DJanes, Unternehmer*innen, Partyveranstalter­*innen und Musiker*innen. Ich bin überglücklich, wenn queere Menschen durch eine zutiefst queere Kunstform auch ökonomisch erfolgreich sein können, aber mein Appell an die Community: Wenn ihr Drag liebt, dann schaut nicht nur Drag Race. Geht dort hin wo Drag herkommt! Schäbige kleine Bühnen mit schlechtem Licht und Sound, aber großartigen Performer*innen. Unterstützt hier eure lokalen Queens und kauft Tickets für Shows oder folgt ihnen zumindest auf Social-Media. Ich verspreche es lohnt sich!

Drag ist auch aus der HOSI nicht wegzudenken, viele unserer Aktivist*innen machen Drag, in der Jugendgruppe gibt es gelegentlich kleine, selbst organisierte Shows, wir bieten eine Bühne für Drag-Kollektive wie „Haus of Lipstick“ und arbeiten mit Drags auf allen Ebenen zusammen. Queerness und Drag sind untrennbar miteinander verbunden und so wird der Kampf für eine Gesellschaft frei von Hass auch heute noch in High Heels geführt. Ich wünsche viel Freude bei der Lektüre dieser Lambda. ♕

Von Peter Funk

Arbeitsgruppe Internationales
HOSI Wien
(Foto: © Marie Dvorzak)