im Gespräch mit Karl Kreipel
2022 war ja nun die letzte Regenbogenparade an der du aktiv mitorganisiert hast. An dieser Stelle gleich vorweg ein herzliches Dankeschön für all die Jahre deiner Mitarbeit.
Seit wann warst du für die Parade als Hauptverantwortlicher der Teilnehmer/Innen* zuständig?
Meine erste Parade war 1998, knapp nach meinem offiziellen Coming-out, damals noch als Besucher. Ich war so beeindruckt von dieser Veranstaltung, dass ich unbedingt aktiv mitarbeiten wollte. So kam es, dass ich 1999 als Radsecurity des CSD Wien erstmals aktiv bei der Parade mitwirkte, 2001 dann als „Lehrling“ bei der Teilnehmer/Innen*Betreuung mitarbeitete und ab 2003 als Hauptverantwortlicher zuständig wurde.
Wieviel deiner Freizeit stelltest du als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Regenbogenparade zur Verfügung?
Nach einer wohlverdienten Ruhephase beginnen die ersten Vorbereitungen tatsächlich schon bald nach dem Regenbogenball (üblicherweise Ende Januar, Anm. d. Red.). Da wandte ich so durchschnittlich 20 Stunden pro Woche auf. In der Endphase der Vorbereitungen, so ca. 4 Wochen vor der Parade wurden es schon durchschnittlich 40 Stunden pro Woche, wobei ich mir da auch schon einen Teil meines Jahresurlaubes genommen habe.
Was waren so deine Aufgaben als Hauptverantwortlicher für die Teilnehmer/Innen* der Parade?
Die Hauptaufgabe besteht in der Administration der angemeldeten Teilnehmer/Innen* und Beantwortung diverser Fragen (wo und wie bekomme ich meine Wagenkarte, wo ist der Aufbauplatz etc.). Auch wenn die Antworten bereits detailliert in der Teilnahmevereinbarung stehen, ist es doch wichtig persönlich für die Anliegen der Teilnehmer/Innen* da zu sein.
So nebenbei muss auch ein Aufbauparkplatz für die Trucks gefunden werden, in den letzten Jahren glücklicherweise immer der Parkplatz am Gelände des ehemaligen Karl Marx Schlachthofes. Dieser bietet bis dato die besten Voraussetzungen dafür: Größe (ca. 30-40 Tausend qm), sowie eine gute öffentliche Anbindung zum Startplatz der Parade. Wir mussten allerdings auch schon mit anderen Plätzen Vorlieb nehmen, die mein Team und mich teilweise vor ziemlich großen Herausforderungen stellten. Nur als Beispiel etwa Westbahnhof ÖBB Gelände, wo entgegen der Zusage der Verantwortlichen Reisebusse abgestellt wurden, während sich die Trucks dort für die Parade sammelten, oder Nordwestbahnhof, dessen Gelände nur mit Wagenkarte, Passierschein und Warnweste zugänglich war.
Zusätzlich war ich ja auch Demoleiter der Parade. Auch in dieser Funktion gibt es jede Menge zu tun – so etwa Besprechungen mit der Versammlungsbehörde, der MA48, Funk Plan erstellen, diverse Fragen von Bürger/Innen* betreffend Straßensperren beantworten, Halteverbotszonen beantragen und aufstellen sowie noch viele, viele Kleinigkeiten.
Durch die jahrelange gute Zusammenarbeit mit meinem Team konnte all das bisher ohne gröbere Missgeschicke geschafft werden. An dieser Stelle auch ein tief empfundenes Danke an meine Mitarbeiter/Innen*.
Wie hat sich diese Arbeit im Laufe der vielen Jahre geändert?
Die Parade ist natürlich von Jahr zu Jahr gewachsen. Vor Jahren freuten wir uns noch, wenn 50 000 Leute am Ring waren. Heute dagegen sind es mehr als 250 000 Menschen. Auch wird die Parade internationaler und es nehmen vermehrt große Unternehmen teil, die damit an sich mit dem Thema Demo weniger zu tun haben und daher auch mehr Betreuung bei den Formalitäten zur Teilnahme benötigen.
Einige deiner schönsten/schwierigsten Momente?
Mein schönster Moment war zweifelsohne als 2016 der österreichische Bundeskanzler Christian Kern als erster europäische Regierungschef bei der Abschlusskundgebung sprach. Das hat mich echt zutiefst berührt. An zweiter Stelle kommt die EuroPride 2019. Ich durfte ja bei zwei EuroPrides mitarbeiten: 2001 noch als „Lehrling“ in der Teilnehmer/Innen* Betreuung und 2019 als Demoverantwortlicher.
Auch der Regenbogen-Corso 2020, den wir aufgrund Corona als Ersatz für die Parade abhielten, war für mich persönlich megaschön. Jedes Mal, wenn ich davon ein Video sehe, kommen mir vor Freude die Tränen.
Schwierige Momente haben sich mir drei eingeprägt. Einmal, als während der Parade ein Truck Feuer fing. Glücklicherweise handelte es sich „nur“ um einen kleinen Brand, ausgelöst durch ein Benzinnotstromaggregat, dessen Dämpfe sich beim Nachbetanken entzündet haben.
2019 wurde ich als Demoleiter von der Behörde der 12fachen Lärmübertretung, sowie des 12fachen „nicht sofort entgegentreten der gesetzwidrigen Handlung“ angezeigt und auch zu einer Geldstrafe, inklusive Vorstrafe verurteilt. Dies konnte ich mit einem Anwalt (finanziert von der Stonewall GmbH) mittels Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien erfolgreich abwehren.
Auch der unschöne Zwischenfall 2021 bei der Abschlusskundgebung der 25. Regenbogenparade, als über der Bühne ein homophobes Transparent entrollt wurde und Flugblätter in die Menge geworfen wurden, hat mich einigermaßen erschreckt. Zum Glück waren unsere Securitykräfte von Ante Portas rasch zur Stelle und konnten die Täter noch vor Ort fassen.
Wie hat sich die Parade allgemein aus deiner Sicht verändert/entwickelt?
Na, die ersten Paraden waren noch wesentlich kleiner, aber auch politischer. Klar, das musste so sein. Es gab noch viel zu tun in Sachen Gleichstellung, Akzeptanz etc. Von Jahr zu Jahr wurde die Parade größer und mehr zu einer Party mit politischem Hintergrund, der ebenfalls zunehmend verloren geht. Persönlich fehlt mir das starke politische Statement, denn die LGBTIQ+ Community ist noch lange nicht am Ziel. Dies kann gerade in letzter Zeit wieder mit Besorgnis beobachtet werden – national sowie international.
Auch nimmt die Öffentlichkeit die Regenbogenparade eher als Party mit nackten Teilnehmer/Innen* wahr denn als Demonstration für die Rechte der LGBTIQ+ Community.
Welche Tipps/ Empfehlung hättest du für deine Nachfolger/In?
Da halte ich es wie Politiker/Innen* – ich gebe meiner Nachfolger/In* keine Empfehlungen. Jede/r*muss den eigenen Weg finden. Ich halte nichts von gutgemeinten Ratschlägen.
Danke für das Gespräch ♕
Kurzer historischer Abriss zur Regenbogenparade Wien:
Im Jahr 1970 wurde in Europa die erste Demonstration als Fackelzug durch London mit 80 Teilnehmer*innen abgehalten.
In Wien fand die 1. Regenbogenparade am 29. Juni 1996 statt, damals organisiert vom Österreichischen Lesben- und Schwulenforum. Mario Soldo ließ sich die Bezeichnung „Regenbogenparade“ einfallen.
Seit 2003 wird die Regenbogenparade von der HOSI Wien organisiert, nachdem der zuvor verantwortliche CSD-Verein in Konkurs gegangen war, und genießt seit 2004 auch die offizielle Unterstützung der Stadt Wien. 2001 und 2019 war Wien Host City der EuroPride.