(Keine) Satire
Diesmal findest du hier keine Satire. Aber nicht, weil mir nichts eingefallen wäre: Mir ist zu viel eingefallen.
Ihr habt ja das Prinzip längst geschnallt: Die Lambda-Redaktion meint zum Beispiel, Lehrer sollten auch Sexualkunde unterrichten. Die Satire watscht dann die Kolleg:innen vor sich her und übertreibt, was das Zeug hält; beschreibt etwa, was die Handarbeitslehrerin zum Thema Autoerotik anbietet. Oder: Das Heft ist dem Thema Sprache gewidmet – die Satire preist natürlich das Goschenhalten. Oder: Lambda ist ein ganzes Heft lang P R I D E mit drei roten Rufzeichen, also nimmt die Satire alle auf die Schaufel, die schon Gleichheit beklatschen, wenn Männer häkeln und Frauen Holz hacken.
Kurz gesagt: Möglichst gegen den Mainstream. Nebenbei für eine andere Sicht der Dinge werben. Und verarschen, wo’s nur geht. Dann und wann einen unsäglichen Witz, es soll ja auch Spaß machen. Und wenn sich darüber mehr Leute aufregen als der Pressesprecher des Kardinals, dann haben wir wieder mal was richtig gemacht.
Aber jetzt kommt’s – denn diesmal haben wir das Thema „Pride Utopien“: Wie unsere Situation ist, wie sie sein könnte. Pride heißt Offenheit, Buntsein, es ging uns doch seit jeher um‘s Aufbrechen vorhandener Strukturen, um eine bessere, gerechtere Gesellschaft.
Aber das treibt uns ehrlich gesagt nicht mehr gar so um, seit wir heiraten können, Kinder aufziehen und öffentlich Lambda lesen. Alle möglichen Würdenträger lassen die Regenbogenfahne raushängen, LGBTIQ ist in. Wir sind offenbar in der kuscheligen Mitte der Gesellschaft angekommen, und dort pfeift man auf eine neue Gesellschaftsordnung. Mehr als das schimmlige Patriarchat fällt uns plötzlich nicht mehr ein – und Blut spenden werden wir sicher auch einmal dürfen, wenn es uns die Verfassungsrichter erlauben.
Das also wäre das prächtige Thema der Satire: Wir LGBTIQs mutieren, ohne es zu merken, zu den konservativen Spießbürger:innen, die zu bekämpfen wir früher zornig ausgezogen sind. Damals galt: Gebrüll statt Idyll. Heute: Lieber graue Maus als bunter Hund. Wir sind Regenbogenballgeher geworden, die nur noch „normal“ sein wollen.
Könnte man verarschen. Satire darf ja bekanntlich alles. Aber schon der Wortlaut „Was darf Satire?“ klingt wie aus Putins Nähkasterl, die Frage hat etwas Verfolgerisches. Wir fragen also besser: „Was soll Satire?“
Für eine wohlbedachte Antwort ein Tipp: Wer sich nicht dran erinnern kann, weil noch zu jung oder schon zu dement, lese doch bitte nach oder frage unsere Altvorderen, wie das damals war, das Leben als schwule Sau oder versteckte Lesbe, all die Angst, Verzweiflung, Vereinsamung, all die Bigotterie und die uns aufgezwungene Heimlichkeit, die Erpressungen, die Unterdrückung und Diskriminierung und wie verbrauchend der erschöpfende Kampf dagegen. (Und bedenke dabei, dass der Kampf noch längst nicht ausgestanden ist.)
Über diesem Kopfhinhalten für die Idee einer besseren Welt ist diese Welt für uns aber mit den Jahren tatsächlich besser geworden. Wir können heiraten, Kinder aufziehen und bald einmal auch Blut spenden. Da kann ein bissl Zurücklehnen schon angemessen, zumindest verständlich sein.
Aber soll man sich drüber lustig machen? Eher doch nicht.