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Editorial

Fetisch und Pride gehören zusammen

Fetisch also. Ein Themenschwerpunkt, von dem man glauben könnte, es ginge bei ihm bloß darum, dass er plakativ ist – „sex sells“. Doch es ist auch ein Thema, bei dem wir innerhalb unserer Community immer wieder neu darum ringen, wer wir eigentlich sind und wie wir gesehen werden wollen.

Denn rund um die Vienna Pride sprechen mich verlÀsslich immer wieder Menschen darauf an, ob es denn nötig wÀre, dass die Regenbogenparade so schrill sei. Bei nÀherer Nachfrage sind dann meist zu leicht bekleidete Teilnehmer*innen und vor allem Fetisch-BeitrÀge gemeint. Interessanterweise sind das die Fragenden meistens keine Heteros, sondern selbst LGBTIQ-Personen.

Wir sind nicht die Gouvernante der Community

Nun gut, stellen wir uns diesem Thema. Zu leicht Bekleidete sind schnell abgehakt: Es gibt Gesetze, die Nackt­heit in der Öffentlichkeit verbieten, also kann die HOSI Wien als Organisatorin diese nicht zulassen. Wobei das dann ohnehin die Polizei klĂ€rt, eben von Gesetz wegen. Und umgekehrt: Wenn es der Polizei recht ist, sehen wir unsere Aufgabe nicht darin, die Gouvernante unserer Teilnehmer*innen zu sein – und Haut allein ist noch kein Sex.

Womit wir beim Thema Fetisch sind. Es gibt es immer wieder Diskussionen, ob Fetisch-Gruppen ĂŒberhaupt an der Parade teilnehmen sollen. Da wird vor allem kritisiert, dass es uns schlecht reprĂ€sentiere, wenn wir den Medien solche Bilder liefern. Hier muss aber die Gegenfrage gestellt werden: Wer entscheidet denn, wer dieses schlecht reprĂ€sentierte Wir ist? Wer nimmt sich damit das Recht heraus, zu sagen, ob jemand zur Community gehört oder nicht? Und wenn wir das hier so handhaben: Welche Gruppe ist als nĂ€chstes unerwĂŒnscht? Drag Queens? Nicht gut genug gestylte und dem Mainstream-Schönheitsideal entsprechende Menschen? Soweit kommt’s noch, dass wir anfangen, Menschen ausgerechnet bei der Pride zu beschĂ€men und sie von einer Demonstration fĂŒr Gleichberechtigung, Vielfalt und Offenheit auszuschließen!

Wer Sex sehen will, wird das auch – egal, wie sittsam die Pride ist

Aber, höre ich schon den Einwand, das könne man doch gar nicht vergleichen. Weil Fetisch ja mit Sex zu tun habe und das andere nicht. Abgesehen davon, dass eben der nicht auf der Parade praktiziert wird: Ziemliche viele He­teros sehen da keinen wesentlichen Unterschied. FĂŒr manche ist es schon eine „Sexualisierung von Kindern“, wenn man in der Schule ĂŒber Regenbogen-Familien spricht. Wir sind, mit dieser Tatsache mĂŒssen wir leben, eben eine Minderheit, auf die immer wieder verschiedenste Vorstellungen projiziert werden. Die werden wir nicht los, indem wir uns besonders brav prĂ€sentieren. Das hat uns vor Stonewall nicht genutzt, als fast alle aus Angst vor Strafverfolgung im Geheimen leben mussten, und das wird auch jetzt nicht funktionieren. Die Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft kann man nur grundsĂ€tzlich herausfordern, eben wie die frĂŒhen Prides: Erst die Konfrontation mit dem, was bisher tabu war, reduziert das Tabu an sich. Außerdem wĂ€re es eine historische Ungerechtigkeit gegenĂŒber der Fetisch-Community, wie im Jugendstil in dieser Ausgabe genauer nachzulesen ist.

Daran Àndern auch die immer wieder als Argument vorgebrachten Kinder nichts: Man ist ja nicht gezwungen, mit ihnen neben einer menschengezogenen Kutsche herzugehen. Wer 50 Meter weitergeht, wird dort, weil die Regenbogenparade eben bunt und vielfÀltig ist, schon von völlig anderen Menschen umgeben sein.

Die Regenbogenparade ist fĂŒr alle da

Letztlich ist fĂŒr uns bei der HOSI Wien ein Grundsatz entscheidend: Wir organisieren die Regenbogenparade fĂŒr die gesamte Community. Alle, die unsere Anliegen unterstĂŒtzen, dĂŒrfen sich dort so prĂ€sentieren, wie es ihnen selbst wichtig ist (nur, wie gesagt, bitte nicht nackt). Das gilt fĂŒr die Fetisch-Community genauso wie fĂŒr alle anderen. Und wer zeigen möchte, dass LGBTIQ-Personen auch ganz unauffĂ€llig sein können, kann gerne einen entsprechenden Beitrag anmelden. Alle sind willkommen.

Von Moritz Yvon

HOSI Wien VereinssekretĂ€r, frĂŒherer Obmann HOSI-Wien
Foto: Matt Observe