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Sport im Zeichen der Regenbogenfahne

EuroGames 2024 in Wien

Bei den beim Schreiben dieser Zeilen gerade beginnenden Olympischen Winter-Spielen in Beijing wird von Regenbogenfahnen und anderen sichtbaren Zeichen der LGBTIQ-Community an öffentlichen Gebäuden nichts, aber auch gar nichts zu sehen sein – so ganz anders als bei der Fußball-EM letzten Sommer, zB. mit der Regenbogen-Beleuchtung des Münchner Fußball-Stadions, oder, ebenfalls letzten Sommer, bei Olympia in Tokyo, als es eine Rekordteilnahme von mindestens 186 offen lesbisch, schwul, bi, trans und queer Athlet:innen gab, dreimal so viele wie noch 2016 bei den Spielen in Rio de Janeiro. Interessant übrigens, dass in Tokyo das Verhältnis von Frauen zu Männern 9:1 war! Jetzt in Beijing bei den Winterspielen sind es zumindest 35 offene LGBTIQ Sportler:innen – und von den 35 sind mindestens 11 offen schwul bzw. eine:r nicht-binär, also ein Frauen-Männer-Verhältnis von 3:1 – Dank Eislaufen und Eistanzen! Aus Österreich ist Rekord-Schispringerin Daniela Iraschko-Scholz gelistet, die ja bekanntlich 2012 die erste Wintersportlerin in Österreich war, die ihr Lesbisch-Sein nicht mehr verheimlichte.

Regenbogenfahnen en masse, an vielen öffentlichen und anderen Gebäuden, wird es hingegen im Juli 2024 bei den EuroGames 2024 in Wien geben, da wird unsere Hauptstadt bunt beflaggt Tausende LGBTIQ-Sportler:innen willkommen heißen: Österreichs größtem LGBTIQ-Sportverein Aufschlag und dem queeren Schwimmverein Kraulquappen ist es nämlich gelungen, im Dezember 2021 den Zuschlag für 2024 zu erhalten – ziemlich genau zwanzig Jahre nach dem ersten Versuch.

Foto: Aufschlag Wien/Kraulquappen Wien

Nun hat es also geklappt, wir waren viel besser vorbereitet als vor 20 Jahren und hatten diesmal auch sehr prominente politische Unterstützung: Ein Video von Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler war da beim Hearing ebenso zu sehen wie eines des Wiener Gemeinderats Stephan Auer-Stüger – und sowohl Bund wie Wien hatten finanzielle Unterstützung in Aussicht gestellt. Insofern mag es nicht verwundern, dass wir uns mit unserem Angebot der Einladung ins „Regenbogen-Herz Europas“ und der Idee des „Brücken-Bauens“ zu zumindest einigen Sportorganisationen aus den östlichen und südlichen Nachbarländern eine sehr hohe Zustimmung sichern und uns gegen den einzigen anderen Bewerber, nämlich Birmingham, durchsetzen konnten.

Nun mag es schon sein, dass der Austritt des UK aus der EU einige bei der Abstimmung davon abgehalten hat, für eine Reise über den Ärmelkanal zu stimmen, aber es war sicherlich, neben unserem Konzept, auch die große Attraktivität unserer Stadt wie die güns­tige Verkehrslage, die uns eine Zustimmung von drei Viertel der EGLSF (European Gay & Lesbian Sport Federation)-Mitglieder sicherte. Außerdem ist die Stadt Wien an und für sich attraktiv, auch für unsere Community, mit ihrer langen und bekannten Geschichte, Kaiserstadt, Sisi, die Monarchie, Kultur aus alten wie modernen Zeiten, die Nähe zu Bergen und zu den vielen angrenzenden Nachbarstaaten, die ethnische, sprachliche, kulturelle Vielfalt unserer Stadt – wir haben zum Zeitpunkt unserer Bewerbung 16 verschiedene Sprachen gezählt, die Mitglieder unserer Vereine sprechen!

Foto: Aufschlag Wien/Kraulquappen Wien

Apropos Konzept: Mindestens 27 Sportarten wollen wir anbieten – neben den gängigen wie Schwimmen, Laufen, Tanzen, Fussball und Volleyball auch ausgefallene und noch nie oder selten angebotene wie Klettern, Bogenschießen, Segeln, Stand-Up Paddeln, Darts oder Tischfussball und Tischtennis.

Außerdem gehört zum Konzept eine Konferenz, die den Kampf gegen Homo-, Lesbo- und Transphobie im Sport zum Thema hat. Die erste dieser Art findet, mitveranstaltet vom Sportministerium, schon am 18. März 2022 statt, im Rahmen der diesjährigen Generalversammlung der EGLSF. Leider wird beides, Stand beim Schreiben dieser Zeilen, covid-bedingt nicht in Präsenz stattfinden können. Aber immerhin: Die erste große, von offizieller Bundes-Stelle unterstützte Konferenz in dieser Stadt gegen Homophobie im Sport wird im Sinne der Fortführung des im Juni 2021 vom Sportministerium präsentierten Handbuchs „ Internationale Sportereignisse und Menschenrechte und des im Regierungsprogramm verankerten Vorhabens, im Sport gegen Rassismus und Homophobie vorzugehen, stattfinden.

Es ist geplant, Best Practice-Beispiele aus Österreich und anderen Teilen Europas vorzustellen, und Empfehlungen für Spitzen- wie Breitensport mit den und für die Sportverbände wie -vereine zu formulieren. 2024 soll die Umsetzung derselben dann bei der Folgekonferenz im Rahmen der EuroGames überprüft und wenn nötig die Empfehlungen erweitert werden. Eingeladen sollen für 2022 wie für 2024 auch reguläre Sportverbände und ­-vereine aus den östlichen Nachbarstaaten werden – vor allem aus jenen, in denen sich die LGBTIQ-Sport-Community sehr schwer tut, Gehör, Akzeptanz, Respekt und auch (finanzielle und politische) Unterstützung zu bekommen.

Foto: Aufschlag Wien/Kraulquappen Wien

Eines ist uns besonders wichtig:
Weiters sollen bei der Konferenz die immer noch vorherrschenden patriarchalen Strukturen (fast keine Frauen in den oberen Funktionärs-Etagen bis zu Mißbrauch und sexistische wie homo-, lesbo- und transphobe Gewalt) in den meisten Sportarten, aber auch in der medialen Sport-Berichterstattung aufgezeigt werden – und Beispiele besprochen werden, wie es anders geht.

Denn in der Sportgeschichte findet sich Bizarres: Wußten die Leser*innen, dass der Deutsche Fußball-Bund 1955 (es galt bis 1970) ein Verbot von Frauenfussball aus­sprach? Begründung: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“ Und angeblich sollte Frauenfussball dazu beitragen, dass „Frauen keine oder weniger Kinder kriegen konnten“.

Und wußten die Leser*innen, dass Frauen noch 1967 nicht beim Boston-Marathon (und anderen) laufen durften? 1967 gelang es Kathrine Switzer, sich als „K.V.Switzer“ anzumelden und zu starten. Aber schon kurz nach dem Start fiel sie einem Funktionär auf und er versuchte sie aus dem Kurs zu zerren – sie widerstand und erzählte später, dass sie zu sich selbst sagte: „Nein, nein, wenn ich jetzt aufhöre, dann glauben wirklich alle, dass Frauen das nicht können!“ – und sie schaffte es mit 4 Stunden 20 Min. ins Ziel.

Derer absurder Beispiele gibt es viele, und es ist noch nicht lange her, und auch heute immer noch gang und gäbe, dass Mädchen, die mit viel Lust und Freude in jungen Jahren Fussball oder eine andere Sportart spielen, während der Pubertät auf einmal finden oder es sich einreden lassen, dass Sport unweiblich ist, sie zu viele Muskeln bekämen, dass sie dann vermännlichen, oder gar lesbisch würden – und sie deshalb aufhören. Wie in dem jüngst in der Schweiz erschienen Buch „Vorbild und Vorurteil“ (Corinne Rufli u.a., Verlag Hier und jetzt) steht da gleich zu Beginn sinngemäß: Buben und Burschen müssen, wenn sie aufwachsen, die ihnen zugeschriebenen Männlichkeitsrollen nicht ändern, egal ob jung oder alt: ein Mann hat im Sport und im Alltag wie im Beruf stark, erfolgreich und unemotional zu sein – nicht umsonst wird ein schlechter Pass oder Torversuch im Fußball, landauf, landab, von vielen immer noch als „Schwuchtel“-Pass verunglimpft – und der glücklose Fußballer als schwuler Mann denunziert (egal ob er es ist oder nicht); denn schwule Männer sind nun mal weder gute Fussballer noch starke Männer, oder?

Bei Mädchen und Frauen sieht es anders aus: Als Kinder dürfen sie sich austoben, mit den Buben raufen, um die Wette rennen, ja, auch Fußball spielen – aber sobald sie älter werden, sollen sie die Rolle wechseln, dh. mit dem Sport aufhören, um ja nicht zu „vermännlichen“ und um „richtige Frauen“ – und Mütter – zu werden.

All das, männliche und weibliche Rollenklischees, wie Lesben und Schwule da hinein passen (oder eben auch nicht), wie und warum andere unserer LGBTIQ-Community im Sport (nicht) vorkommen, und vieles mehr, wird schon am 18. März 2022, und dann im Juli 2024 bei der Konferenz, im Village, und an anderen Orten in Wien auf vielfältige Weise thematisiert werden.

Wir haben uns also viel vorgenommen. Und wir freuen uns, wenn sich auch über diesen Artikel Leute finden, die Lust haben, uns bei der einen oder anderen Sportart im Vorfeld oder dann als Freiwillige 2024 zu unterstützen, oder beim Finden von Hosted Housing, oder Ähnlichem. Es wird ab spätestens Mitte März 2022 eine Website geben, auf der die geneigte Leserin und der begeisterte Leser sich eintragen kann.

Das Vormittags-Podium der Konferenz am 18. März wird übrigens, so wie es aussieht, von ORF Sport+ Live übertragen, Details werdet Ihr auf https://aufschlag.org, ­https://www.eglsf.info/ oder auf der Seite des Sportminis­teriums bmkoes.gv.at finden. Und auf der orf.at TV-Thek wird sie 7 Tage lang nachzusehen sein.

Macht Euch also bereit für die LGBTIQ-Olympischen Spiele in Wien im Juli 2024 – bis dahin ist noch viel Zeit zum Trainieren ;-).

Von Ulrike Lunacek

Mag.ª Ulrike Lunacek ist langjährige Bundes- und Europapolitikerin der Grünen und seit ihrem Rückzug aus der Politik im Mai 2020 als Autorin, Referentin und Moderatorin tätig und in einigen Organisationen der Zivilgesellschaft aktiv.