Kategorien
Kultur Schwerpunkt

Männer, die Spaß haben

Tom of Finland

Muskeln, Leder, Sex, Sex, Sex – so könnte man die „dirty drawings“ von Tom of Finland zusammenfassen. Männer, die mit perfekten Körpern und ansonsten überperfekt ausgestattet alle Spielarten der Erotik und des Sex zelebrieren. Männer in Leder, Uniformen oder einfach normaler Arbeitskleidung, voller Erotik. Soldaten, Matrosen, Motorradfahrer, Holzfäller, Bauarbeiter – hier wurde das Alltägliche zum Fetisch. Aber vor allem hatten sie Spaß. Da war nichts unterdrückt, nichts versteckt, nichts angepasst. „I work very hard to make sure that the men I draw having sex are proud men having happy sex!“ Ein bisserl holprig übersetzt: Ich arbeite hart daran sicherzustellen, dass die Männer, die ich beim Sex zeichne, stolze Männer sind , die fröhlichem Sex haben. Happy Sex – das ist nicht nur guter, befriedigender Sex, sondern noch mehr: Sex, der Freude bereitet, Sex, bei dem man glücklich ist.

Tom of Finland

Ja klar, das ist alles auch überzeichnet, übertrieben. Zu viele Muskel, zu viel Maskulinität, zu viel Sex und zu wenig Reflektion. Ist das schon toxisch? Oft wird geschrieben, er habe „richtige“ Männer malen wollen, im Gegensatz zu dem allgegenwärtigen Stereotyp der femininen Schwulen jener Zeit, als ob diese dann „falsche“ Männer gewesen wären. Diese Bewertung ist sicherlich nicht mehr zeitgemäß. Aber als einer der ersten und sicherlich der prominenteste Vertreter dieses Stils der Hypermaskulinität war diese Überzeichnung vielleicht gerade seine Aufgabe. Schmutzige Zeichnungen, so hat er seine Kunst selber genannt. Aber natürlich ist sie viel mehr. Sie ist Sichtbar-machen in reinster Form.

Touko Laaksonen veröffentlichte seine erste Arbeit 1956 im amerikanischen Magazin „Physique Pictorial“, nachdem er im Privaten schon seit Jahrzehnten gezeichnet hatte. Damals wählte er seinen Künstlernamen Tom, bald von einem Editor erweitert zu Tom of Finland, um seine Privatsphäre zu schützen und da sein finnischer Name den meisten nicht leicht über die Lippen geht. Seine Zeichnungen waren von Anfang an ein Ereignis, ein großer Erfolg in der schwulen Szene. Aber in der damaligen Zeit dauerte es 20 Jahre bis zu seiner ersten öffentlichen Ausstellung. Valentine Hooven II, Autor von „TOM OF FINLAND: The Official Life and Work of a Gay Hero“, schreibt dazu, es wäre ein negatives Erlebnis gewesen, damals in Hamburg, da alle Werke bis auf eines gestohlen wurden. Sicherlich war das finanziell negativ – aber man sieht daran auch, welch Begehren diese dirty drawings ausgelöst haben.

Tom of Finland

Zum Glück blieb es nicht bei dieser einen Ausstellung. Stattdessen wurden seine Werke immer bekannter und öfter gezeigt. Ihre Reichweite geht dabei weit über die Grenzen der schwulen Subkultur hinaus in den (heteronormativen) Mainstream mit Ausstellungen, Briefmarken und Sammelwerken im Taschen-Verlag. Und so prägt nun seit gut 60 Jahren Tom of Finland eine Sicht auf und eines der Selbstbilder schwuler Männer. Der Ledertyp mit Schnurrbart ist ein gängiger Stereotyp, oft „Klon“ genannt, in den 70ern und 80ern. Die Zeichnungen Toms von seiner Figur „Kake“ finden sich überall, als Original oder als Einfluss auf andere Künstler und Künstler*innen. Man hat manchmal das Gefühl, Tom habe hier praktisch einen eigenen Subtyp der Schwulen geschaffen, Männer, die seine Kunst gesehen haben und sich dachten „Das will ich!“. Aber nein, so ist es nicht – er hat sichtbar gemacht, was viele in sich tragen und gezeigt, dass es gut ist, dass es Spaß macht, dass man stolz darauf sein soll.

Tom of Finland verstarb 1991. Seine Kunst bleibt als fester Bestandteil unsere Kultur.

Von Sven Mostböck

Chefredakteur Lambda