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Fetisch im Wandel

Die Anfänge

Es begann 1985 mit einem Motor­radausflug von ein paar Typen rauf zur Ruine Staatz. Man traf sich immer öfter und letztlich wurde der „Leder- und Motorradfreunde Club“ gegründet, aus dem 1992 ein eingetragener Verein wurde: die Leather & Motorbike Community Vienna, die LMC Vienna. Im Jahr darauf wurde die LMC Vienna Mitglied der ECMC, der European Confederation of Motorcycle Clubs, dem Dachverband aller Ledervereine in Europa. Seit Anfang der 90er organisiert die LMC Vienna auch „Wien in Schwarz“, ein internationales Leder- und Fetischevent.

Zuerst das „Losch“, dann das „HARD ON“

Als Christian Schreiber als junger Mann zum Studium nach Wien kam, war da das „Losch“. Eigentlich ein privates Lokal eines damaligen Vorstandsmitglieds, war es sozusagen das erste Klublokal der LMC Vienna und hatte jene Stellung in der Szene, die heute das „HARD ON“ hat. Kurze Zeit später spaltete sich die LMC. Ein Teil blieb im Losch, der andere Teil hat sich zusammengetan und das „HARD ON“ neu aufgemacht. Und da diese neue LMC auch neue aktive Mitglieder brauchte, wurde Christian in den Vorstand gewählt und war 10 Jahre lang Präsident, bis vor drei Jahren. Wie es dazu kam? „Ich war irgendwie da“, schmunzelt er. Das HARD ON Vienna ist das Non-Profit Vereinslokal der LMC Vienna, es ist als Begegnungsstätte von fetisch-interessierten Schwulen für fetisch-interessierte schwule Männer geplant und gebaut worden. Es wird ausschließlich von ehrenamtlichen Mitgliedern in ihrer Freizeit betrieben. So haben sie zu Anfang mit nur 25 aktiven Leuten das HARD ON aufgebaut, selber Geld aufgestellt für Miete und andere Kosten, und vor allem eine langjährige Freundschaft entwickelt. Parallel dazu entwickelte sich auch der Verein stark weiter. Die LMC ist ein Club für schwule Männer, als geschützter, privater Bereich. Deswegen wurde damals auch ein Motor­radclub gegründet, weil „schwul“ noch verpönt war. Deswegen wird das HARD ON als Vereinslokal geführt, mit Zutritt nur für Mitglieder – jeder, der ins HARD ON möchte, muss sich registrieren und Mitglied sein. So wuchs die LMC Vienna auf inzwischen gut 4500-5000 Mitgliedern. Davon arbeiten ungefähr 100 aktiv im Verein – es braucht viele Leute, das Lokal und den Verein zu führen. Übrigens gibt es die Motorradgruppe immer noch, mit regelmäßigen gemeinsamen Touren.

Leder, Rubber, Puppy

Die Szene entwickelt sich ständig weiter. Zuerst war da natürlich Leder, dann kam Rubber und Sportswear dazu, und in den letzten Jahren gibt es immer mehr Puppys. Puppys sieht Christian auch als Einstieg für viele junge Menschen. Dieses Verspielte, man hat eine Maske, hinter der man sich auch ein wenig verstecken kann. So kann man sich frei bewegen, ohne sich auch gleich zeigen zu müssen.

Durch den Fetisch grenzt sich die Szene auch ein wenig von anderen Teilen der LGBTIQ-Community ab. Man habe halt seine eigene Community und Lokale. Doch tritt die Szene stärker in die Öffentlichkeit und will sichtbarer werden. So gibt es im HARD ON regelmäßig Veranstaltungen wie freie Tests durch die Aids Hilfe Wien und den Koninginnedag, einem Spaß in Oranje bei dem jede*r ohne Registrierung willkommen ist. Und für die ganze Szene wurden die Mr. Leather und Mr. Fetish Initiativen in Österreich gestartet. Damit will die Szene mehr nach außen treten und zeigen, „dass es uns gibt“. Christian beschreibt das als eine zusätzliche Pride-Aktivität. Die schwule Fetischszene hat Pride natürlich immer schon mitgemacht und die LMC Vienna sieht sie auch als eine ihrer Fixpunkte. Jetzt kommt dazu, dass es eine Figur gibt, mit der man direkt reden kann. Ein Mr. ist ansprechbar und angreifbar, zu ihm kann man sagen „ich interessiere mich dafür, ich möchte etwas in der Richtung machen“. Die gewählten Mr. Leder und Mr. Fetish müssen auch öffentlich vertreten, wofür sie stehen und was sie in ihrem Amtsjahr erreichen oder weitertreiben wollen in der Community. „Das ist ganz wichtig und hat für die Fetischszene viel gebracht.“

Das R.O.P.P.

Das R.O.P.P (Republic of Patta Patta) ist ein weiterer Schritt der Öffnung nach außen. Christian Schreiber beschreibt das Restaurant nicht als Fetischlokal. Er positioniert es als einen Ort, an dem alle willkommen sind und einander treffen können, über die Fetischszene hinaus. „Dazu gehört auch unser Motto: Wir feiern Vielfalt und Lebensfreude.“ Hier trifft sich vielleicht einmal im Monat, einmal im Quartal eine Runde im Fetisch, die Puppys haben auch einen Stammtisch, aber es gibt auch einen schwulen Sparverein, Karaoke und die Drag Shows von Candy Licious. Das Publikum ist breit gemischt, hetero, LGBTIQ, Fetisch. Vor allem aber sind alle sichtbar, man sitzt am Fenster und wird drinnen und von außen gesehen. „Das ist auch die Philosophie: Nicht verstecken, wer will, kann sich zeigen, Spaß haben und es sich dabei gut gehen lassen.“

In die App und die weite Welt

Auch in der Fetischszene verändert sich das Freizeit- und Datingverhalten. Viel verlagert sich in die Apps, dafür ist in den Lokalen weniger los. Das wirkt sich aus – die LMC Vienna ist einer der wenigen Lederklubs, die noch ihr eigenes Lokal haben. Es gibt in Wien noch andere Lokale wie das Eagles Vienna und das FF56; das Losch hat vor ein paar Jahren geschlossen. In Österreich gibt es auch in den Bundesländern ein paar LMC Untergruppen, in Graz und auch Salzburg, mit denen die LMC Vienna Synergien pflegt. Insgesamt ist die Szene aber gewachsen in den letzten Jahren. Doch die wahren Magneten sind die großen Städte wie Berlin und London, wo viele Fetisch-Leute und Schwule bewusst für die Community hinziehen. „Wien ist wie immer im Vergleich gemütlicher“, lacht Christian.

Wien in Schwarz, Vienna Fetish Spring

So trifft sich die Szene vor allem auf den internationalen Events – Berlin, Paris, London, Madrid. Wien ist hier mit „Wien in Schwarz“ und dem „Vienna Fetish Spring“ mit dabei. Diese beiden Events werden immer größer und sie sollen in Zukunft noch internationaler werden. Dieses Jahr wird zum Beispiel die ECMC während des Vienna Fetish Spring hier ihre Jahreshauptversammlung durchführen. Der Fetish Spring ist auch eine der Gelegenheiten, bei denen sich die verschiedenen Fetischgruppen treffen. Außerdem gibt es in Wien natürlich auch hetero-Fetisch mit großen Veranstaltungen ein, zweimal im Jahr. Die Hetero-Szene ist nicht klein in Wien, aber vielleicht nicht ganz so organisiert wie die schwule Fetischszene, weil sie es nie sein mussten – sie konnten sich einfach treffen, während die Schwulen einen geschützten Raum gebraucht haben.

Wieso Fetisch?

„Ich bin über den Leder- und Rubberfetisch zu dem ganzen gekommen. Ich definiere Fetisch schon als etwas zum Anziehen, etwas das eine Ausstrahlung hat. Ich finde einen Mann einfach sehr viel interessanter, wenn er Leder oder Rubber trägt. Kleider machen Leute.“

Vielen Dank an Christian Schreiber für das Gespräch und Sepp of Vienna für zusätzliche Informationen. Alle Fehler und Missverständnisse sind einzig die Schuld des Autors, Sven Mostböck

Von Sven Mostböck

Chefredakteur Lambda