Kategorien
Schwerpunkt

Fetisch als Reisethema

Die internationale Szene

Fetische können privat ausgelebt werden, ohne dass Bekannte, Verwandte oder Freunde etwas davon wissen. Es gibt noch immer Menschen, die zuhause geile Sessions in den eigenen vier Wänden machen, und sich in der Gesellschaft und Öffentlichkeit als Biederfrauen und Biermänner geben.

Umgekehrt kann man seinen Fetisch aber auch innerhalb der Community kultivieren, Clubs und Veranstaltungen besuchen, oder vielleicht sogar zum Motiv der Freizeit- und Reisegestaltung machen. Bei letzterem sind es vor allem Vienna Fetish Spring (Ende Mai), Wien in Schwarz (Ende Oktober) und das Pride Weekend in Salzburg (Anfang September), welche – vor allem schwule – internationale Fetischgäste nach Österreich bringen. Damit werden die schwulen Fetischfestivals in Österreich allesamt ehrenamtlich von Aktivistinnen der Leather & Motorbike Community ausgerichtet (LMC Vienna & LMC Salzburg). Für Touristen, die Fetisch zu ihrem Reisethema wählen, sind das mitunter die wichtigsten Termine für Österreich. Dabei ist es wesentlich, dass die LMC zwar grundsätzlich ein schwuler Verein ist, allerdings sind die Hauptpartys der Festivals („Perv Club“) offen für alle Geschlechter und sexuellen Orientierungen. Wien hat hierbei eine gewisse Magnetfunktion für Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Slowenien, wo es zwar schwule Saunas und Sexclubs, aber keine dezidierten Fetischclubs gibt.

Wenn man ans Reisen denkt, so lohnt sich zunächst ein Blick auf die europäische Szene, wo Berlin mit seinen vielen Lokalen und den Events Easter Berlin und dem Straßenfest Folsom Europe wohl das meistbe­suchte Reiseziel ist. Daneben gibt es auch große Festivals in den anderen westeuropäischen Großstädten, wie die London Fetish Week, die Paris Fetisch Week oder Sleazy Madrid. All diese Events leben von einzelnen Großevents und einer lebhaften Barszene, die als Ergänzung in ein verlängertes Wochenende oder eine einwöchige Reise wunderbar integriert werden können. Neben diesen Großstadtfestivals sticht Darklands in Antwerpen als weltweit einzigartiges Event heraus. Darklands ist eine Art Themenpark, also so etwas wie Disneyland für schwule Fetischmänner, und dauert als Fetischfestival vier Nächte und fünf Tage lang, wobei der Großteil der Events am selben Ort stattfindet.

Mr. Fetish Austria 2015 Thorsten als Mr. Leather Europe bei der Pride in Göteburg

Wem Events mit tausenden Männern zu anonym oder zu überwältigend sind, der ist mit kleineren, familiären Leder- und Fetischfestivals besser beraten. Einen guten Überblick über die europäischen Events bekommt man bei der European Confederation of Motorcycle Clubs (ECMC), dem europäischen Dachverband der schwulen Fetischclubs, auf dessen Facebookseite und auf ecmc.eu/events/.

Es gibt dazu kein Ranking und keineBewertungen, aber meine persönlichen Top 3 in der Kategorie der Geheimtipps von schwulen Fetischfestivals sind Sevilla, Nizza und Tromsø.

In Sevilla ist der Jänner klimatisch fast der einzige Monat, wo man in vollem Leder oder Latex draußen gut unterwegs ist, und so fällt das Jahresmeeting des lokalen Fetischvereins (International Leather & Boots Spain, ILBS) immer in den Jänner. Höhepunkte des viertätigen Meetings sind der Galaabend zur Wahl des Mr. ILBS, die Photoshootings für alle (!) Teilnehmer repräsentativ am Plaza de Espana und explizit im örtlichen Fetischclub, die Kutschenfahrt in der Altstadt, das Galadinner, diverse Stadttouren und natürlich mehrere Fetischpartys.

Abgesehen von Sevilla gibt es in Spanien diverse Veranstaltungen der Spanish Leather and Fetish Community (SLFC) sowie der Leathermen of Spain in Barcelona, Madrid, auf Mallorca und anderen Landesteilen. Als spanische Großveranstaltungen sind dabei das Meeting der SLFC bei der Barcelona Spring Break sowie bei Sleazy Madrid hervorzuheben. Fixpunkt des spanischen Kalenders ist darüber hinaus die Maspalomas Fetish Week jeden Oktober.

Ähnlich wie Sevilla ist auch Nizza im November ein netter frühlingshafter Ausflug vom sich anbahnenden Winter. Auch dort ist es ein kleiner, lebhafter Fetischverein, welcher jährlich das örtliche Festival Nice so Fétiche ausrichtet. Als Highlights dieses Festivals gelten die Stadtrundfahrt in Nizza und der Ausflug nach Monaco sowie natürlich feine aber leistbare Abendessen, ein Sektempfang im örtlichen Fetischladen und natürlich mehrere Partys.

Hochzeit zweier schwuler Ledermänner in der Domkirche von Tromsø im Zuge der Arctic Pride 2021

Das Fetischfestival Arctic Pilot findet jährlich im Norden Norwegens im Rahmen der Arctic Pride im November in der Stadt Tromsø statt. Hier gibt es mit etwas Glück Nordlichter zu sehen und dann auch noch Highlights wie Hundeschlittenfahrten mit Huskies, diverse Vorträge und Museumsbesuche oder ungewöhnliche Kulinarik mit Rentierfleisch oder Fischen. Zu diesem Fetischfestival gibt es auch einen eigenen Bericht von mir in der Jännerausgabe des XTRA! Magazins (Jan 2022, #379).

Zur Abrundung von Nordeuropa sei auf den Club Scandinavian Leathermen mit seinen Clublokalen in Oslo, Kopenhagen, Göteborg und Stockholm verwiesen. Zu guter Letzt gibt es natürlich den Club von Tom of Finland (MSC Finland) mit den Festivals Winterization im Feber und Finlandization im August jeden Jahres und zwar jeweils in Helsinki.

International Hamburg

In Deutschland ist die Fetischlandschaft von einer Vielzahl von lokalen Vereinen auf Bundeslandebene geprägt. Das deutsche Fetischjahr startet dabei mit dem Kohlfest in Bremen im Jänner. Nach Berlin zieht es die Leute hauptsächlich zu Ostern und im September. München punktet mit dem besonders mitgliederstarken Münchner Löwenclub, welcher die Fetischfestivals zum Starkbierfest im März sowie zum Oktoberfest perfekt organisiert. In Hamburg war das Ledertreffen im August mit Partys am Schiff einst das größte Fetischtreffen Europas, wobei das jährliche Hamburger Ledertreffen im August auch heute als kleineres Festival noch immer eine Reise wert ist.

Italien ist geprägt von mehreren Vereinen und kleineren Fetischfestivals in den Städten Mailand, Padova, Rom und Neapel, welche gleichmäßig übers Jahr verteilt sind. Für Italienliebhaber gibt es also genügend Reisegelegenheiten zu meist dreitätigen Events an Wochenenden mit Eventbezeichnungen wie Leather Friends Italy Fetish Weekend oder Kinky Napoli sowie Events rund um die jährliche Wahl der lokalen Mister (Mr. Leather Italy, Puppy Italia, Italian Leatherman of the Year, Mr. Rubber Italia).

Wenn einem London zu groß ist, man aber an dieser Region interessiert ist, so sollte man Besuche zum Manchester Leather Weekend, zum Manchester Rubber Weekend, dem Cardiff Leather Weekend oder dem Jahrestreffen der Leatherman of Ireland in Betracht ziehen.

In Osteuropa sticht als einziges Event die Wahl des Mr. Leather Russia hervor. Diese ist jedes Jahr Teil des Jahrestreffen des SPBL Clubs in St. Petersburg und findet meist im Juli statt (2021 ausnahmsweise im Oktober).

In Nordamerika gelten Mid-Atlantic Leather (MAL) in Washington D.C., die Folsom Street Fair in San Francisco und International Mr. Leather (IML) in Chicago zu den größten populärsten Events des Fetischjahrs, wobei es immer wieder österreichische Mr. Fetisch Austria gab, die zur Wahl des International Mr. Leather in Chicago angetreten sind. Das habe ich auch persönlich für Mai 2022 geplant, nachdem das Event und die Wahl 2020 und 2021 nicht stattfanden.

Abgesehen von diesen Anziehungspunkten in Europa und Nordamerika ist auch eine wachsende Fetischszene in Asien (Bangkok & Taipeh als Vorreiter), Lateinamerika (Mexico, Brasilien, Argentinien und Chile als Hauptländer) und Australien zu beobachten, aber das würde nun den Rahmen dieses Artikels sprengen. In der Wertung der Kontinente ist sicherlich Europa am Spannendsten, wobei die kommenden World Prides in Sydney und Taipeh darauf hinweisen, dass es immer mehr spannende Reisemöglichkeiten zu Events weltweit gibt. Auf den World Prides darf Fetisch natürlich nicht fehlen.

Von Martin Mayr

Mr. Fetish Austria 2019-2020