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Immer wieder lesbisch SICHTBAR in Wien

Das Jahr 2021 ist ein besonderes Jahr, zumindest für die Lesben*gruppe der HOSI Wien: sie feiert 40 Jahre. Anlässlich dieses Jubiläums haben Barbara Fröhlich und Petra Springer ein Buch herausgegeben. Ein Gespräch zur Entstehungsgeschichte des einmaligen Buchprojekts „SICHTBAR“:

SICHTBARe Lesben seit Jahren

Die Idee entstand bereits im Jahr 2019 im Pride Village am Wiener Rathausplatz. „Wir hätten gerne zahlreiche Porträts mit lauter berühmten bekannten Lesben in Wien sichtbar gemacht“, sagt Fröhlich.

Barbara Fröhlich ist seit dem Jahr 1991, dem zehnjährigen Bestehen der HOSI-Wien-Lesben*gruppe, mit dabei und war bis 2015 viele Jahre Referentin der Lesben*­gruppe. Derzeit ist sie Mitfrau im Vorstand des Vereins und besonders erfreut über die Organisation EL*C. Denn seit der Europäischen Lesbenkonferenz im Jahr 2019 in Wien hat die EL*C ihren neuen Vereinssitz bei der HOSI Wien. Seit dieser Konferenz der EL*C in Wien, an der die HOSI Wien mitgearbeitet hat, ist auch Petra Springer viele Jahre als Journalistin bei den Lambda Nachrichten, der Zeitschrift der Homosexuellen Initiative Wien, aktiv. Sie hat zahlreiche Ausstellungen kuratiert, und ihre eigenen Bildserien unter dem Pseudonym Petra Paul ausgestellt.

Damals rückte die anfängliche Idee der Lesbenporträts noch in die Hinterköpfe der beiden Frauen. Von 2017 bis 2019 haben sie im Frauen*Lesben*Feminist*innen Zelt im Pride Village Ausstellungen koordiniert und feministische Organisationen eingeladen: Dazu zählen zum Beispiel Verein an.schläge, die Buchhandlung ChickLit, die strickenden Lesben namens Pussycats, Afro Rainbow Austria, die Initiative Frauenvolksbegehren 2.0 und Verein OBRA – One Billion Rising Austria, der gegen Gewalt an Frauen tanzt und mit weiteren Aktionen auftritt. Als Kunsthistorikerin ist Springer in der feministischen Kunstszene entsprechend gut vernetzt und konnte so zeitgenössischen Künstler*innen in das Zelt eingeladen. Im Jahr 2019 hat sie historische Fotografien aus dem Archiv der Lesben*gruppe den Werken zeitgenössischer Künstler*innen gegenübergestellt, und damit das Fundament für das Buchprojekt gelegt.

Gesammelte Vielfalt

„Die Vielfalt der Themen in diesem Buch erstreckt sich von Demonstrationen seit der ersten Schwulenparade 1982 mit erster Sichtbarkeit von Lesben bis hin zu Lesungen und Lesben im aktiven Sport, beim Tanz und Fußball, was die Vielfalt der Lesben aufzeigen soll“, sagt Springer. Die inhaltlichen Textbeiträge wechseln sich mit historischen Fotografien ab und zeigen die Geschichte der HOSI-Wien-Lesben*­gruppe: Im Jahr 1981 im Kellerlokal des Vereins in der Novaragasse des zweiten Wiener Gemeindebezirks hat sie begonnen. Der Galeriebetrieb im Vereinszentrum der HOSI Wien begann offiziell mit der Ausstellung von Gudrun Stockingers Fotografien von Schwulen. Doch Springer entdeckte eine Ausstellung, die bereits vom dritten bis siebzehnten November des Jahres 1982 zu sehen war. Mit Dokumenten wie Fotos, Zeitungsausschnitten, Plakaten und Textbeiträgen der Aktivitäten der HOSI-Wien-Lesben*gruppe war eigentlich diese Schau des Aktivismus die erste Ausstellung im Vereinszentrum der HOSI Wien, sagt sie.

Der Zeitaufwand für dieses Buchprojekt war enorm groß. Von April bis Oktober dieses Jahres habe sie oft bis drei Uhr früh daran gesessen, sagt Springer, die gemeinsam mit Fröhlich ehrenamtlich an dem Buchprojekt gearbeitet hat. Ihr größter Arbeitsaufwand für das Buchprojekt war rückblickend betrachtend das Layout und die nächtelangen Korrekturen. Dankenswerterweise hat Kurt Krickler, https://www.homopoliticus.at/, ein Aktivist der ersten Stunde der HOSI Wien und langjähriger ehemaliger Chefredakteur der Lambda Nachrichten, sie dabei professionell unterstützt. Aufgrund guter Kooperation zu anderen Mitgliedern der HOSI Wien erhielt Springer eine Menge weitere Fotomaterialien, die nun ein neues Fotoarchiv der Les­ben*gruppe bilden. Das Buch fokussiert sich auf die Chronologie der HOSI-Wien-Lesben*gruppe bis zum Jahr 1991, mit den regelmäßigen historischen Mitschriften von Waltraud Riegler, eine der ersten Referentinnen der HOSI-Wien-Lesben*gruppe. Die Zeit danach ist in den verschiedenen allgemeinen Textbeiträgen der Lambda Nachrichten und auf der Webseite der HOSI Wien nachzulesen, was im Buch auch vermerkt ist.

SICHTBAR in Ausstellung

Neben dem Buch präsentierten Fröhlich und Springer im November zum 40-jährigen Jubiläum der HOSI-Wien-Lesben*gruppe auch eine große drei-geteilten Ausstellung, in der bekannte und geoutete Lesben öffentlich auch bildhalft sichtbar werden. Darüber hinaus sind Bildporträts von Petra Paul von Lesben, die sich politisch, in diversen Organisationen, als Künstler*in oder an der Universität für lesbische Sichtbarkeit einsetzen, mit ihren Statements darüber bei der Jubiläumsausstellung zu sehen. Im dritten Teil dieser Ausstellung thematisieren zeitgenössischen Künstler*innen die öffentliche Sichtbarkeit der Lesben. So zum Beispiel die Bilder von Krista Beinstein. Sie hat als erste lesbische Künstlerin im HOSI-Zentrum ausgestellt. Ihre Kunstwerke über eine sogenannte Dildo-tragende Lesbe können sicherlich zu kontroversen Diskussionen führen, die aber auch stets bereichernd sein können; so zitieren Fröhlich und Springer die Künstlerin Beinstein: „Es ist wichtig die existierende große Palette an Sexualität von Frauen aufzuzeigen. Die Frauen sollen ihre Sexualität ausleben, wie sie wollen und lernen, freier mit ihrer Sexualität und ihrer Lust umzugehen“.

Die beiden Frauen Fröhlich und Springer haben in weiterer Folge auch eine Wanderausstellung österreichweit geplant, mit dem Ziel die Lesben in Österreich bekannter und öffentlich sichtbarer zu machen. Lesungen, Podiumsdiskussion und Filmpremiere mit prominenten Lesben seien ebenfalls im Entstehen. Besonders freut es die Herausgeberinnen des Buchs, nun einen allgemeinen Textbeitrag über die Geschichte der Frauen*Lesben*Bewegung in Österreich, der von Margit Hauser, vom Stichwort, dem Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung, und von Birge Krondorfer geschrieben wurde, bekommen zu haben. Dieses Buch sei damit auch als Geschichtsbuch der Frauen- und Lesbenbewegung in Österreich zu lesen. Für die nächsten Generationen sollte es im Unterricht sinnvoll einzusetzen sein, um entsprechend den Lehrplan in Schulen in diese Richtung zu verbessern. – Das wäre wohl ein guter Appell an die österreichischen Politiker*innen und an das Bildungs- und Unterrichtsministerium. – Allerdings das erwünschte Ziel seitens der beiden Herausgeberinnen des Buchs, die Lesben in Wien öffentlich sichtbar(er) zu machen, ist mit der lesenswerten und bebilderten Geschichtslektüre sowie mit den dazu gehörigen geplanten Folgeveranstaltungen für das erste erreicht. Erfreulicherweise sei das Buchprojekt durch individuelle Inserate und Privatspenden gesponsert, sagt Fröhlich. Natürlich unterstützte die HOSI Wien das Projekt, um Lesben in Wien besser sichtbarer zu machen, ebenfalls finanziell, was wohl an Fröhlichs überzeugender Argumentation als Mitfrau und Schriftführerin des Vorstands liegt. Die Jubiläumsfeier selbst zu 40 Jahre Lesben*gruppe der HOSI Wien war gut besucht und die großartige Ausstellung konnte den ganzen November 2021 im Gugg, dem Vereinszentrum der HOSI Wien, besucht werden.

Die Zukunft

Die Treffen der HOSI-Wien-Lesben*­gruppe haben von Anfang an bis heute regelmäßig jeden Mittwochabend stattgefunden. Jedoch nach vierzig Jahren sei es Zeit nach einer Veränderung, schreibt Lisa Hermanns, die neue Referentin der HOSI-Wien-Lesben*gruppe, im Buch: Alle lesbisch Lebenden und Liebenden, aber auch alle, die sich mit dem L in FLINTA* nicht identifizieren, sollen sich in der Lesben*gruppe zusammenfinden, zusammenreden, zusammenarbeiten und zusammenfeiern, weil es auch in den nächsten vierzig Jahren noch viel gemeinsam zu tun geben wird. So wird auch in Zukunft die HOSI-Wien-Lesben*­gruppe ein Heimathafen für lesbische Aktivistinnen* in Wien und ein Ort des Austausches, der Gemeinschaft und des politischen Aktivismus bleiben, schreibt die Obfrau der HOSIWien, Ann-Sophie Otte, im Buch SICHTBAR. 40 Jahre HOSI-Wien-Lesben*gruppe. Otte ist überzeugt, mit Lisa Hermanns, der neuen Referentin, sei die Lesben*gruppe weiterhin in guten Händen, um gemeinsam die vollständige Gleichberechtigung der lesbischen und queeren Frauen endlich zu erreichen.

Von Veronika Reininger

Freiberufliche Journalistin (Foto: © Bettina Frenzel)