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Die Vorreiterin auf dem bockigen Pferd

Menschen, die sich sehr um die Allgemeinheit verdient gemacht haben, gehören gewĂŒrdigt. Dies ist innerhalb unseres Vereins gute Tradition, noch schöner aber ist es, zu sehen, wie das auch im grĂ¶ĂŸeren Rahmen passiert: Passend zum 40. Geburtstag der HOSI-Wien-Lesben*gruppe hat der Bezirk Margareten beschlossen, den bisher unbenannten Platz an der Ecke Strobachgasse/Schönbrunner Straße „Helga-Pankratz-Platz“ zu benennen.

Als sich 1979 in Wien eine Schwulengruppe mit zunĂ€chst unklaren Zielen gegrĂŒndet hatte, kam recht bald Motivation auf, politischen Aktivismus zu betreiben. Als erstes Mittel wurde diese, die Ă€lteste, deutschsprachige LGBTIQA*-Zeitschrift (bis 2018 unter dem Namen „Lambda Nachrichten“) ins Leben gerufen – es ist bis heute das Magazin der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien. Aus heutiger Sicht wird bei Betrachtung seines Namens klar, dass der Verein ihm nur gerecht werden konnte, wenn sich auch Frauen – selbstverstĂ€ndlich und gleichberechtigt – daran beteiligen. Und so war es Helga, die alsbald die Lambda Nachrichten (und damit die HOSI) auf kreative Weise anschrieb und – gemeinsam mit Doris Hauberger – eine Mitarbeit initiierte. Auch wenn beim aktiven Kern des Vereins grundsĂ€tzlich Offenheit bestand, gab es doch auch Skepsis, Unbehagen und vor allem Aufholbedarf darin, sich der lesbischen Perspektive anzunĂ€hern. Doch was letzteres betraf, leisteten Helga und ihre Mitstreiterinnen entsprechende Pionierarbeit im Verein. Und mit der 1981 gegrĂŒndeten HOSI-Wien-Lesbengruppe konsolidierte sie die „Frauenfraktion“ im Verein nicht nur, sie schuf auch ein wöchentliches Angebot, das als einziges in Wien seither durchgehend besteht.

Helga Pankratz bei der Verleihung des Gay And Lesbian Award. Foto: Thomas Koller
Helga Pankratz bei der Verleihung des Gay And Lesbian Award. Foto: Thomas Koller

Helga wurde in eine Wiener NeustĂ€dter Arbeiterfamilie hineingeboren und wuchs in einfachen VerhĂ€ltnissen auf. Wir schreiben das Jahr 1959, worauf bald der ZĂŒnder fĂŒr den gesellschaftlichen Umbruch – die 68er-Bewegung – folgte. So bildete auch sie höhere politische und gesellschaftliche AnsprĂŒche aus und nahm spĂ€ter aktiv daran teil, diese einzufordern: Auch an der Uni Wien, wo sie Psychologie studierte, kam diese Aufbruchsstimmung in Form der „kritischen Psychologie“ auf. Bereits frĂŒh entdeckte sie ihr Talent fĂŒr poetisches wie journalistisches Schreiben und ebenso frĂŒh auch ihre Liebe zu Frauen. Und beides scheute sie sich nicht, offen auszuleben.

In der HOSI Wien gab es kaum einen Arbeitsbereich, den Helga nicht tatkrĂ€ftig unterstĂŒtzte . Besonders zu erwĂ€hnen ist, dass sie die Jugendangebote der HOSI, lange auch die einzigen in Wien und Umgebung, begrĂŒndet hat: Ab 1983 war die Jugendgruppe der HOSI Wien die wichtige wöchentliche Anlaufstelle fĂŒr junge LGBTIQ* und wurde – wie die Lesbengruppe – zu einer tragenden SĂ€ule des Vereins, vor allem, weil die meisten Aktivist*innen ĂŒber diese Schiene zum Verein fanden und nach wie vor finden. Im Jahr 2000 war Helga Mastermind des Schulbesuchsprojekts peerconnexion, das einen wichtigen Beitrag dazu leistet, dass LGBTIQ*-Themen zumindest in kleinen Teilen der Mehrheitsgesellschaft ankommen (mittlerweile ist es unter dem Namen queerconnexion als eigener Verein aktiv).

Und dabei waren es im Vergleich zu heute deutlich schwierigere Zeiten, in denen Medien HomosexualitĂ€t im Allgemeinen stark und weibliche völlig totschwiegen. Der Kampf fĂŒr Sichtbarkeit und positive Darstellung letzterer war einer „gegen WindmĂŒhlen“, wie Helga im Lambda-Special 2/2004 schreibt, „wenn ein heterozentrisches Weltbild voll biblischem Fundamentalismus bzw. pseudowissenschaftlicher AllgemeinplĂ€tze aus dem vorvorigen Jahrhundert durch salbungsvoll oder telegen lĂ€chelnde bischöfliche, kanzlerische [
] MĂŒnder öffentlich wiedergekĂ€ut wird“. Oder wenn sie die Ignoranz gegenĂŒber Lesben in einem Beitrag im Falter # 11/2000 beklagt: „Von den ,Aktivisten‘ ist da die Rede. (
) Als Highlights des politischen Aktionismus wird an nackte MĂ€nner beim Neujahrskonzert und das Bischofs-Outing erinnert.“ Und oft blies den HOSI-Lesben Gegenwind, „nicht nur innerhalb von Österreichs erstem Schwulenverein, der HOSI Wien, sondern auch in der Frauenbewegung“, ins Gesicht, wie sie anlĂ€sslich des 20-Jahr-JubilĂ€ums des Vereins schrieb. So wurde den HOSI-Lesben aus den Reihen der autonomen Lesbenbewegung die Zusammenarbeit mit (schwulen) MĂ€nnern angekreidet.

Helga Pankratz im Parlament. Foto: Christian Högl
Helga Pankratz im Parlament. Foto: Christian Högl

Trotz dieser spĂŒrbaren Frustration und ErmĂŒdung im Kampf fĂŒr lesbische Sichtbarkeit und Gleichstellung in dieser Ära konnte mann (und gelegentlich auch frau) ihr nie ihre liebevolle Art verleiden. Sie nahm nichts persönlich und war stets nach KrĂ€ften fĂŒr alle da. Und dabei hatte sie sich nie in den Vordergrund und ins Rampenlicht gedrĂ€ngt, sondern meist im Hintergrund gearbeitet, wo es nicht immer viel Dank und Anerkennung gibt. Nur auf vehementes Bitten des Vereins hatte sie 2001-2004 das Amt der Obfrau inne – auch das in einer schwierigen Zeit – unter Schwarz-Blau I verweigerten etwa die Mitglieder der Bundesregierung (bis auf eine Ausnahme) jedes GesprĂ€ch mit der HOSI Wien bzw. der gesamten Bewegung. Dieses unermĂŒdliche Schaffen und Wirken in persönlicher Bescheidenheit wĂŒrdigte die HOSI Linz mit der Verleihung des ersten Gay and Lesbian Award (G.A.L.A.) an Helga.

Trotz dieser UmstĂ€nde konnte Helga die HOSI Wien bei vielen wichtigen AnlĂ€ssen vertreten, wie etwa dem Österreich-Konvent 2003, und spĂ€ter dann auch wieder bei GesprĂ€chen mit Politikerinnen, etwa Bildungsministerin Claudia Schmied oder Justizministerin Maria Berger (beide SPÖ; große Koalition ab 2007).

Helga schaffte immer wieder Verbindungen innerhalb des Vereins, womit sie unter uns nicht nur fachlich, sondern auch menschlich eine tragende SĂ€ule war. Und auch nach außen, denn Helga war nicht nur in Verein und aktiver LGBTIQ*-Szene, sondern auch in vielen, alternativen NGOs tĂ€tig, wie als Vorstandsmitglied der Initiative Minderheiten.

Als sie an Krebs erkrankte, musste sie sich leider aus der Vereinsarbeit zurĂŒckziehen und ihren letzten, leider sehr leidvollen Kampf fĂŒhren. 2014 starb sie wenige Tage vor ihrem 55. Geburtstag.

Mehrere Portraits ĂŒber Helga in Langfassung sind in den Lambda Nachrichten 1/2014 nachzulesen, ihre Artikel „aus lesbischer Sicht“ in vielen weiteren Ausgaben davor, alles auf dieser Webpage

Von Andreas Stefani

Lambda Autor, Community & Politik