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Neues Denken, neue Sprache

Über die Sprachentwicklung in der HOSI Wien

Für die HOSI Wien war Sprache immer wichtig. Klar, schließlich sind wir gesellschaftspolitisch tätig – wie sollte man da ohne klare Worte auskommen? Klarheit verlangten Ende der 80er zuerst einmal die Frauen der HOSI Wien: 1989 beschloss die Generalversammlung, die Vereinsstatuten mit Binnen-I zu schreiben, „sodaß sich die HOSI durch die Satzungen als von Männern und Frauen getragener Verein präsentiert“, wie es im Bericht der LAMBDA-Nachrichten 2/1989 heißt. Zunächst wurde das zwar tatsächlich nur in den Statuten so gehandhabt (in derselben Ausgabe der LN finden sich zahlreiche ungegenderte Artikel), doch es war richtungsweisend, und mit der Zeit setzte es sich nach und nach in allen Publikationen der HOSI durch.

Doch was 1989 richtungsweisend ist, kann schon einige Jahre danach überholt sein. Mit dem zunehmenden Bewusstsein für Menschen, die sich nicht binär als „Mann“ oder „Frau“ sehen, begann, zunächst außerhalb der HOSI Wien, die Diskussion über weiterentwickelte Schreibweisen jenseits des Binnen-I. Die bekanntesten Varianten dafür sind das Asterisk bzw. der Unterstrich, also z.B. Wiener*innen oder eben Wiener_innen.

Diese Diskussion beschäftigte den Vereinsvorstand 2014 und 2015 in mehreren, oft langwierigen und hitzig geführten Sitzungen, bei denen das Für und Wider abgewogen wurde. (Etwa: Lenkt das nicht die Sichtbarkeit zu sehr weg von Frauen? Oder: Wie lässt sich das überhaupt grammatikalisch konsequent umsetzen?) Einige der unterschiedlichen Positionen dazu sind in den LAMBDA-Nachrichten von damals nachzulesen, eine Mehrheit für eine Abkehr vom Binnen-I gab es aber (noch) nicht.

Die Positionen verhärteten sich, als eine Arbeitsgruppe der HOSI, die queerconnexion, in ihrer Broschüre mit Asterisk gendern wollte, jedoch manche im Vorstand argumentierten, dass die Generalversammlung 1989 die binäre Schreibweise (also de facto das Binnen-I) verbindlich für die gesamte HOSI festgelegt hätte (vgl. LN 1/2016). In Folge beantragte die queerconnexion bei der Generalversammlung 2016, dass zumindest sie selbst so schreiben könne, wie sie wolle. Das fand damals nicht die nötige Mehrheit.

Doch damit war nichts endgültig entschieden, denn immer mehr, v.a. jüngere Mitglieder, wollten eine inklusivere Sprache. Mit den Vorbereitungen für die Euro­Pride Vienna 2019, wurde die Frage erneut akut. Einerseits die Überlegung, dass die EuroPride auch die anderen Vereine unserer Community ansprechen sollte, bei denen sich der Asterisk inzwischen zunehmend durchgesetzt hatte, andererseits die (vermeintliche) Entscheidung der Generalversammlung, über die sich auch der Vorstand nicht hinwegsetzen kann.

Um das Problem zu lösen, wurde die genaue Beschlussfassung von 1989 recherchiert, und dank unseres Archivs konnte geklärt werden, dass es so war, wie zu Beginn des Artikels ausgeführt: Bloß die Statuten wurden in ihrer Schreibweise geändert, von anderen Texten war keine Rede. Die Anpassung anderer Texte daran war zwar sinnvoll, aber keineswegs zwingend. So hatten wir die Freiheit, endlich auch all jene Menschen in unseren Texten anzusprechen und zu meinen, für die eine rein binäre Vorstellung von Geschlecht schlicht nicht zutrifft, was die Generalversammlung 2018 entsprechend begrüßte.

Im Jahr darauf sollte das Thema dann auf absehbare Zeit gelöst werden: Die Mitglieder beschlossen auf der Generalversammlung 2019, dass die HOSI Wien in allen offiziellen Texten mit Asterisk gendert, jedoch einzelne Arbeitsgruppen für sich auch andere Schreibweisen verwenden dürfen (wie man immer wieder hier in der Lambda lesen kann), solange gegendert wird.

30 Jahre nach dem ersten Bekenntnis des Vereins zu inklusiver Sprache war das besonders symbolisch. Denn Sprache verändert sich kontinuierlich, nicht zuletzt deshalb, weil sich ändert, was wir mit ihr sagen wollen. Solange wir dazulernen, solange verändert sich unsere Sprache. Und dafür kann es manchmal sinnvoller sein, mehrere Varianten zuzulassen, als auf der vermeintlich einzig wahren Lösung zu bestehen.

Von Moritz Yvon

HOSI Wien Vereinssekretär, früherer Obmann HOSI-Wien
Foto: Matt Observe