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Das Stonewall Inn

Mythos und Realität

Das Stonewall Inn – Die weltweit bekannteste queere Location, von der jede Person, die sich etwas über LGBTIQ* Geschichte schlau gemacht hat, schon tausendmal gehört hat. Die Bar gilt für viele als Ursprungsort der gleichnamigen Stonewall Riots und über die Jahre hinweg wurden Geschichten aus der Vergangenheit romantisiert und endlos oft verändert. Jedoch war das Stonewall Inn zu der Zeit der Riots und davor bei weitem nicht so prachtvoll und fancy wie heute. Tauchen wir doch einmal ins queere New Yorker Nachtleben der 1960er ein und sehen dabei was Realität, was Mythos ist.

Etwas, das von Anfang an wichtig zu wissen und auch sehr interessant ist, ist die Tatsache, dass so gut wie beinahe alle queeren Etablissements in New York zu der Zeit von der örtlichen Mafia betrieben worden sind. Da damals Sodomie als eine Straftat gesehen wurde, beschloss die Alkohol-Kommission des Staates New York, dass es illegal war LGBTIQ* Personen Alkohol auszuschenken. Und wem war es egal, dass man mit einer queeren Bar das Gesetz brach, da man schon mit genug anderen illegalen Aktivitäten beschäftigt war? Richtig, der Mafia! Sprich, dahingehend war die Instandhaltung der Bars auch nicht immer die höchste Priorität. Zum Beispiel war das Stonewall Inn dafür bekannt, dass es oft genug kein laufendes Wasser gab und man als Lösung dann stets einen Bottich mit stehendem Wasser zum Abwaschen da hatte, der dann später in die Toilette gekippt wurde. Das sorgte unter anderem auch dafür, dass des Öfteren die Toilette überflutete und Wasser dort überall auf dem Boden war. Von den Brandschutzregeln ganz zu Schweigen. Nichtsdestotrotz war das Stonewall Inn beliebt und genug Leute genossen auch ihre Zeit dort.

Stonewall Inn (© Antigng – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0)

In diesem Fall, die Leute die hinein konnten. Da es ja illegal war an queere Personen auszuschenken, etablierte sich das Stonewall Inn als eine exklusive Bar für Mitglieder. Sprich, sie hatte auch einen Türsteher hinter einem Türschlitz, der dann offiziell auch nur Leute hinein ließ die entweder beschreiben konnten wie die Bar im Inneren aussah oder einfach bereits bekannte Gesichter waren. Diese Türsteher waren meist schwule Männer, da wenn die Polizei vorbeikam, diese oftmals die Angestellten der Bar verhaftete, welche dann stets in der kommenden Woche schon mit jemand anderem ausgewechselt wurden. Die tatsächlichen Besitzer dieser Etablissements waren daher während der Öffnungszeiten so gut wie nie vor Ort, wegen der Gefahr, dass man verhaftet werden konnte. Wer in den 60ern im Stonewall Inn war, wird auch wissen, dass dabei hauptsächlich schwule, weiße Männer das Klientel waren. Ein Phänomen, dass sich auch bis heute noch zu einem gewissen Grade hält, ist die Diskriminierung innerhalb der LGBTIQ* Community. Damals wurde man an der Tür an Gay Bars nicht selten weggeschickt, wenn man trans, nicht-binär oder schwarz war. Es gab auch queere Bars, die nur weißes Klientel hinein ließen. Diese Art der Eigenkontrolle innerhalb der Community warso stark ausgeprägt, da man zu der Zeit alles machen wollte um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass queere Menschen vollkommen normal sind. Das hatte den Nebeneffekt, dass besonders Minderheiten innerhalb der Community noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt und oft genug vergessen wurden. Das Stonewall Inn war jedoch dafür bekannt, dass es offener war und man nicht selten schwarze Dragqueens an der Jukebox antreffen konnte. Es war besser was die Diskriminierung anging, aber auch nicht perfekt.

Stonewall: Gay Liberation (public domain)

Der Eindruck, dass das Stonewall Inn schon immer eine liebe und perfekte Gay Bar war ist mit heutigen Standards weit entfernt von der Wahrheit. Es war schrecklich und sehr schön. So oder so war diese Bar für viele Menschen ein sicherer Zufluchtsort bei dem sie eine Nacht lang wirklich sie selbst sein konnten. Damals war es noch gang und gäbe, dass man von der Polizei zusammengeschlagen und verhaftet wurde, wenn man sich irgendwie öffentlich als queer zeigte. Natürlich gab es auch stets Razzias in den Gay Bars, wobei die Dynamik zwischen den Bars und der Polizei alles andere als feindselig war. Nicht selten haben die Besitzer der queeren Bars, die Mafia, Schutzgeld an die Polizei gezahlt, damit diese regulären Razzias zu einer erwarteten Zeit und mit weniger Krawall stattfanden. Es war völlig normal im damaligen Nachtleben, dass plötzlich die Polizei vorbeikam und ein paar Leute in der Bar mitnahm. Meist waren das trans Personen die in dem Moment nicht dem Bild auf ihrem Ausweis entsprachen oder schwarze Gäste. Dabei hatten es dann auch wieder Randgruppen noch um Einiges schwerer, wenn diese eine Nacht lang sie selbst sein wollten. Was unter anderem auch zu den Stonewall Riots geführt hat, war ein Bruch dieser Dynamik zwischen den Bars und der Polizei, da zu einer unerwarteten Uhrzeit eine Razzia mit extremer Brutalität durchgeführt worden war.

Man könnte sagen, dass die Geschichte des Stonewall Inns in gewisser Weise eine Reflektion der zeitgemäßen Situation unserer LGBTIQ* Community ist. Wir sind einen weiten Weg gekommen, vom versteckten Hintertür-Nachtleben bei dem man bestenfalls Distanz zur Polizei hielt, zu der Tatsache, dass wir heutzutage mit Freude und Stolz unsere farbenfrohen Fahnen ohne große Sorgen wehen können. Natürlich gibt es noch genug auch hier bei uns zu tun was die Sicherheit und Gleichberechtigung angeht. Aber Stück für Stück und Pint für Pint kommen wir dem Ganzen schon näher.

Von Florian Niederseer

Florian Niederseer ist ein angehender Sozialhistoriker, Künstler und LGBTIQ*-Aktivist aus Österreich. Als Initiator hatte er 2021 die Pride Parade in seinem Heimatdorf Unken veranstaltet. Er lebt aktuell in Glasgow und arbeitet gemeinsam mit politischen Organisationen und NGOs zusammen, um in Bedrängnis geratenen Leuten in LGBTIA* Communities zu helfen. (Foto: © Stefania Calderara)