in einer heteronormativen Gesellschaft?
„Die heteronormative Gesellschaft kann ein Gesundheitsrisiko für LSBTI-Personen sein.“ Klingt drastisch, ist aber leider so. Denn diese Aussage stammt nicht von einer besonders scharf formulierenden Aktivistin oder einer queeren NGO, sondern vom renommierten deutschen Robert-Koch-Institut. Und leider zeigt eine Studie nach der anderen, dass diese Analyse auch in den 2020er-Jahren noch stimmt. Also ist es gerade angesichts der aktuellen Diskussionen über queere Rechte und die Selbstbestimmung einzelner Gruppen innerhalb der LGBTIQ+ Community wohl höchste Zeit, sich genauer anzuschauen, warum die heteronormative Gesellschaft uns krank macht… und was wir dagegen tun können!
Die Informations-Broschüre „Reden wir über psychische Gesundheit unter dem Regenbogen“, eine Zusammenarbeit mit der HOSI Wien, wurde 2025 mit dem MERITUS-Award ausgezeichnet. Darin finden sich zahlreiche Infos, Tipps und Empfehlungen zur psychischen Gesundheit der LGBTIQ+ Community. Alle Infos gibt’s unter www.psd-wien.at/regenbogen
Gesetze, Medien, Bildung und Arbeitswelt, all das ist in unserer Gesellschaft noch immer nach den Prinzipien der Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit ausgerichtet. Dass unsere Gesellschaft schon immer deutlich vielfältiger war, wird gerne ausgeblendet. Diese Heteronormativität ist es auch, die sich in den Worten des Robert-Koch-Instituts „nachteilig auf die Lebenssituation und Gesundheit“ von LGBTIQ+ Personen auswirken. Menschen mit queeren Identitäten, das zeigen alle internationalen Studien, erleben vor allem dann eine gute körperliche und psychische Gesundheit, wenn sie von der Gesellschaft so anerkannt werden, wie sie sind.
Minderheitenstress und körperliche Gesundheit
In diesem Kontext gilt aber der Grundsatz, dass auch psychische Gesundheit eben genau das ist – nämlich Gesundheit. Denn die deutlich höhere seelische Belastung queerer Menschen führt auch zu anderen gesundheitlichen und vor allem körperlichen Folgeerscheinungen. Wie bei allen Menschen gilt auch im queeren Kontext, dass beispielsweise depressive Erkrankungen sich auch in körperlichen Phänomenen fortsetzen. Der Auslöser dafür kann auch der Minderheitenstress queerer Menschen sein. Kurz gesagt geht es dabei um den alltäglichen Stress, den Gruppen wie die LGBTIQ+ Community erleben, bewusst oder unbewusst. Dazu gehören sowohl erlebte Diskriminierungen im persönlichen Leben als auch die vorauseilende Angst vor Ablehnung, blöden Kommentaren oder sogar Gewalterfahrungen. Das konstante „im Hinterkopf behalten“ der Möglichkeit, dass etwas Negatives aufgrund unserer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität passieren könnte, führt in vielen Fällen schlicht und einfach zu chronischem Stress, der unseren Alltag einschränkt und unsere Gesundheit belastet. Denn chronischer Stress kann sowohl zu psychischen als auch zu körperlichen Erkrankungen und Beschwerden führen. Genau das bleibt auch 2025 eine konkrete Auswirkung unserer heteronormativen Weltordnung auf die LGBTIQ+ Community.
Es geht um Sicherheit – gerade in der Gesundheitsversorgung
Besonders tragisch sind die Auswirkungen, wenn die Diskriminierungserfahrungen nicht nur im Alltag, sondern gerade im Gesundheitsbereich passieren. Laut dem ersten österreichischen LGBTIQ* Gesundheitsbericht (2022) erlebte mehr als die Hälfte der queeren Menschen (54 %) schon Diskriminierung in der Gesundheitsversorgung. Besonders dramatisch: 29 % berichteten von erniedrigenden oder beleidigenden Erfahrungen durch medizinisches Personal. Und bis heute ist Diskriminierung im Gesundheitswesen, zumindest aufgrund der sexuellen Orientierung, noch immer nicht explizit verboten; auch dafür würde es das lange verhinderte Levelling Up des Gleichbehandlungsgesetzes brauchen.
Mit dem FIRST LEVEL SUPPORT gibt es in Wien eine neue psychosoziale Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Unter 01/31 330 bzw. unter [email protected] stehen dort klinische Psycholog*innen, diplomierte psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflegepersonen und Sozialarbeiter*innen werktags von 8:00 bis 20:00 Uhr zur Verfügung.
Doch am Ende des Tages sind es eben genau solche Erlebnisse, die Minderheitenstress verstärken. Sie führen zu einer internalisierten Stigmatisierung („mit mir stimmt etwas nicht“) und erschweren auch in Zukunft die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Besonders betroffen sind trans* und intergeschlechtliche Personen: Von ihnen gaben drei Viertel an, sich im Gesundheitskontext diskriminiert zu fühlen. Und auch im Kontext der sexuellen Gesundheit sind genau solche Ängste fatal. Denn gerade im Kontext queerer Gesundheit gilt, dass sexuell übertragbare Infektionen (STIs) eben kein Randthema, sondern Teil der queeren Gesundheitsrealität sind und angemessener Prävention, Information und vor allem Versorgung und Behandlung bedürfen. Wenn ich meiner Ärztin nicht vertraue, bleiben genau solche Erkrankungen oft unbehandelt, werden weitergegeben oder führen zu Folgeerkrankungen. Genauso wird der Zugang zu queerspezifischen Gesundheitsangeboten erschwert. All das zeigt, wie dringend sich etwas ändern muss!
Queere Gesundheit fördern heißt, unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln!
Wenn unsere heteronormative Gesellschaftsordnung eine Grundlage für so vielfältige gesundheitliche Belastungen für queere Menschen (und nicht nur für diese Gruppe) ist, dann liegt eine mögliche Perspektive logischerweise auch darin, unsere Gesellschaftsordnung grundlegend weiterzuentwickeln! Das gilt für Schule und Ausbildung genauso wie für den Bereich der Arbeitswelt und vor allem für das Gesundheitswesen. Dazu gehört auch ein Verständnis für die Lebenssituationen von LGBTIQ+ Personen – es geht darum, queere Identitäten nicht unsichtbar zu machen, sondern aktiv anzusprechen und Vielfalt zum Thema zu machen. Gerade der Gesundheitsbereich muss ein sicherer Ort für queere Menschen sein: Verantwortungsträger*innen sind daher gefordert, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um eine positive und inklusive Atmosphäre zu schaffen und diskriminierende Verhaltensweisen konsequent zu sanktionieren. Ein Zugang, der Probleme aktiv anspricht und nicht unsichtbar macht, unterstützt nicht nur LGBTIQ-Personen, sondern schafft ein besseres, förderndes Umfeld für alle Personen, die sich darin bewegen! Am Ende gilt gerade dann, wenn es um queere Gesundheit geht, ein zentraler Grundsatz: Sichtbarkeit schafft Sicherheit – und fördert unsere Gesundheit!
