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Wege zur Gleichstellung

Wie Europas neue Strategie Vielfalt sichern soll

Warum braucht es die EU-Strategie? Die Ungleichheit der Rainbow Map

Die „LGBTIQ Equality Strategy 2026-2030“ der Europäischen Kommission ist eine direkte Konsequenz der tiefen Spaltung innerhalb der Europäischen Union. Die jährlich veröffentlichte ILGA-Europe Rainbow Map dient als unbestechliches Barometer, das die massive Polarisierung in Europa schwarz auf weiß dokumentiert.

Während Länder wie Malta und Spanien umfassende Gesetze zur Gleichstellung geschaffen haben, erleben andere Mitgliedstaaten, insbesondere in Mittel- und Osteuropa (z.B. Ungarn, Slowakei), einen organisierten Rückschritt der Rechte. Die Karte zeigt nicht nur Stillstand, sondern aktiv fallende Punktzahlen aufgrund von Gesetzen wie Ungarns „Anti-Propaganda-Gesetz“ oder der Verfassungsänderung in der Slowakei, die die Rechte von Transpersonen einschränkt. Die Strategie ist somit das politische Signal der EU, dass sie diese Erosion der Grundrechte nicht hinnehmen wird, da diese die gesamte Wertegemeinschaft und das Recht aller Bürger, sich frei in der EU zu bewegen und dort ihre vollen Rechte behalten zu können, gefährdet.

Was ist Teil der Strategie? Die drei Säulen des Aktionsplans

Die LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie 2026-2030 ist das zentrale Arbeitsprogramm der EU zur umfassenden Verankerung der Gleichstellung als Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen (Justiz, Bildung, Beschäftigung etc.). Die Strategie konzentriert sich auf drei Säulen:

1. Schutz: Hier steht die Gewährleistung der Sicherheit an erster Stelle. Maßnahmen zielen darauf ab, LGBTIQ-Personen vor Hass- und Gewalttaten (auch online) zu schützen. Besonders hervorgehoben wird die Prüfung von EU-weiten Initiativen zur Bekämpfung von Konversionspraktiken, die als menschenrechtsverletzend eingestuft werden.

2. Stärkung: Diese Säule zielt auf die Teilhabe und Rechtssicherheit ab. Das wichtigste politische Ziel ist die Anerkennung von Regenbogenfamilien in der gesamten Union. Die Strategie drängt auf die Annahme des Kommissionsvorschlags zur gegenseitigen Anerkennung der Elternschaft nach dem Grundsatz: „Was in einem Land Elternschaft ist, muss es in allen anderen sein.“ Dies soll die Diskriminierung beim Grenzübertritt beenden.

3. Einbindung: Die Strategie betont, dass Gleichheit nur durch eine breite gesellschaftliche Einbindung erreicht wird. Dazu gehören die Stärkung der Zivilgesellschaft (NGOs) in den Mitgliedstaaten und die Verbesserung der Datenerhebung zur Lage von LGBTIQ-Personen, um politische Entscheidungen evidenzbasiert zu treffen.

Was sind die europäischen Herausforderungen? Der politische Widerstand

Trotz des klaren Fahrplans der Kommission ist die Umsetzung der Strategie mit erheblichen europäischen Herausforderungen verbunden, die den Erfolg gefährden:

● Konflikt mit nationaler Souveränität: Die Strategie berührt sensible Bereiche, die der nationalen Gesetzgebung unterliegen, insbesondere das Familienrecht und das Strafrecht. Mitgliedstaaten mit illiberalen Regierungen berufen sich auf ihre nationale Souveränität, um die EU-Vorgaben zu blockieren oder zu verwässern.

● Widerstand im Rat: Der Vorschlag zur Anerkennung der Elternschaft benötigt die Zustimmung im Rat der Europäischen Union. Hier kann es durch einige Mitgliedstaaten zu Blockaden kommen, da sie eine Harmonisierung des Familienrechts ablehnen.

● Transnationale Anti-Gender-Bewegungen: Die Strategie kämpft gegen organisierten, transnationalen Widerstand, der von Netzwerken getragen wird, die die Fortschritte der Strategie gezielt delegitimieren und konterkarieren wollen.

● Umsetzungsdefizite: Die EU kann Gesetze vorschlagen und Druck ausüben, aber die tatsächliche Wirkung hängt von der Entschlossenheit der nationalen Parlamente und Verwaltungen ab, die Gesetze schnell und konsequent in nationales Recht umzusetzen.

Fazit: Die Strategie als Test der Werte

Die LGBTIQ-Gleichstellungsstrategie 2026-2030 ist der juristische und politische Versuch der EU, ihre Identität als Union der Gleichheit zu bewahren. Die Strategie beweist, dass die Kommission die in der Rainbow Map sichtbaren Ungleichheiten nicht ignoriert, sondern aktiv korrigieren will.

Der Erfolg der Strategie wird ein Test für die grundlegende Einheit der EU sein. Er wird zeigen, ob das europäische Ideal der Nichtdiskriminierung stärker ist als der nationale Widerstand gegen Minderheitenrechte. Entscheidend ist, wie entschlossen sie umgesetzt werden – von den Institutionen, den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft.

Ina Pölzl
Internationales Komitee
HOSI Wien

Von Gastautor*in

Unter diesem Tag versammeln sich verschiedene Gastautor*innen der Lambda.