Kategorien
Gesundheit Schwerpunkt

STIs im Überblick

Unterschiedlichste Mikroorganismen, wie Bakterien und Viren, gehören zum menschlichen Körper dazu. Bei Körperkontakt und dementsprechend auch beim Sex kommt man automatisch mit ihnen in Kontakt, das ist grundsätzlich OK. „Keimfreies Leben“ oder „sterile Sexualität“ gibt es nicht. Im Regelfall ist dieser Kontakt vollkommen harmlos. Einige wenige sexuell übertragbare Infektionen (STIs) können jedoch zu ernsten Gesundheitsproblemen führen. Daher braucht das Thema ausreichend Raum. Die Lambda kommt dem mit dieser Schwerpunktausgabe zum Thema Gesundheit nach.

STIs sind häufig

Im Laufe des Lebens sind sicherlich alle sexuell aktiven Menschen mit der einen oder anderen STI konfrontiert. Nach der Weltgesundheitsorganisation WHO kommt es weltweit zu über 1 Million STIs bei Menschen zwischen 15 und 49 Jahren – pro Tag! Allein Chlamydien, Syphilis, Tripper und Trichomonaden machen an die 380 Millionen Infektionen pro Jahr aus. Insgesamt gibt es etwa 30 Erreger, die zu den STIs gezählt werden. 10 davon kann man auch in Österreich als die „üblichen Verdächtigen“ ansehen.

Steigende STI-Zahlen in Europa

Im Laufe des Jahres veröffentlichte das ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) neue Statistiken zu STIs in Europa, die einen anhaltenden Anstieg aufzeigen. Das ECDC zieht daraus das nachvollziehbare Fazit, dass es mehr Aufmerksamkeit gegenüber Prävention, Testung und Therapie von STIs braucht.

Die Daten unterstreichen dies sehr klar: Die Tripper-Fälle sind seit 2014 um 321 % und die Syphilis-Fälle um 100 % gestiegen. In konkreten Zahlen gibt die ECDC folgende Einschätzung an: Knapp 100.000 Tripper-Fälle wurden 2023 gemeldet. Bei Frauen lagen die meisten Fälle in der Altersgruppe 20-24 Jahre (72 Fälle pro 100.000 Personen) und bei Männern in der Altersgruppe 25-34 Jahre (131 Fälle pro 100.000 Personen). Bei Syphilis waren es ca. 41.000 Fälle für 2023. Es gab 7x mehr Fälle bei Männern als bei Frauen. Die meisten Syphilis-Meldungen bei Männern lagen in der Altersgruppe 25-34 Jahre (43 Fälle pro 100.000 Personen). Bei beiden STIs wurde die Mehrheit (mit 58 % bzw. 72 %) aus der Gruppe der MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) berichtet.

Zahlen teils schwierig zu interpretieren

Ganz unreflektiert darf man diese Daten nicht stehen lassen. Denn die Angaben der einzelnen Länder unterscheiden sich enorm. Für den Tripper gibt es z.B. Länder, die weniger als 1 Fall pro 100.000 angeben, und andere, die 122 Fälle angeben. Grund hierfür sind z.B. unterschiedliche Meldesysteme, Handhabungen und Datensätze, die in die Statistik eingehen.

Zeitgleich ist zu bedenken, dass steigende STI-Zahlen auch durch ansteigende Test-Zahlen hervorgerufen werden. Dementsprechend könnte man eine erhöhte STI-Anzahl auch als positives Zeichen dafür werten, dass immer mehr Menschen das Thema ernst nehmen und auf ihre sexuelle Gesundheit achten.

Insgesamt ein klarer Auftrag

Wie weit im Endeffekt die konkreten Zahlen der Realität entsprechen und ob steigende Infektionszahlen oder steigende Testzahlen im Vordergrund stehen, ist nicht zu sagen. Was aber jedenfalls klar zu sagen ist: Sexuelle Gesundheit betrifft alle Menschen. Jeder Fokus auf STIs als ein Teil davon und wie man sich vor ihnen schützen kann oder und wann ein Test sinnvoll wäre, ist somit richtig.

Schutz vor STIs

Beim Thema Prävention ist schon zunächst anzuführen, dass sexuelle Abstinenz und verlässlich monogame Beziehungen mit gemeinsamem vorherigem Ausschluss von STIs den besten Schutz darstellen. Allerdings sind diese Konzepte für die meisten Menschen keine Lebensrealität. Andere Methoden spielen also die größere Rolle.

Es gibt sehr gute Optionen, sich vor STIs zu schützen. Hierzu gehören vor allem Kondome und Femidome. Kontakt zu Blut und anderen infektiösen Körperflüssigkeiten sowie zu offenen oder veränderten Hautstellen sollte vermeiden werden. Gegen Hepatitis A und B, HPV oder MPOX stehen Impfungen zur Verfügung. Gegen Chlamydien und Syphilis (Tripper nur bedingt) können Medikamente direkt nach einem Kontakt die Infektion teils verhindern (DoxyPEP). In Bezug auf HIV gibt es zusätzliche Optionen: Als PrEP schützen HIV-Medikamente vor und als PEP als eine sofort eingesetzte HIV-Therapie nach einem Risiko. Zusätzlich gibt es, bekannt als U=U (Undetectable equals Untransmittable), die Gewissheit, dass HI-Viren beim Sex nicht übertragen werden, sofern Sexualpartner*innen mit HIV dank effektiver Therapie eine Viruslast unter der Nachweisgrenze haben.

Basis für Schutzmaßnahmen ist das Wissen über den eigenen Infektionsstatus. Testung ist daher ein essenzieller Bestandteil der Prävention.

Wann zum STI-Test

Bei Unsicherheiten, ob eine STI-Testung sinnvoll wäre, helfen z.B. folgende Fragen. Können eine oder mehrere mit „Ja“ beantworten werden, ist ein Test meist zu empfehlen. „Gab es wechselnde Sexpartner*innen und/oder sexuelle Kontakte mit Menschen aus Bevölkerungsgruppen, in denen statistisch manche STIs häufiger sind? Kam es zu penetrativem Verkehr ohne Kondom/Femidom? Gab es Sex-Praktiken mit Blutkontakt oder Verletzungen? Spielte Substanzkonsum eine Rolle? Wurde in letzter Zeit eine STI diagnostiziert? Traten Symptome wie veränderte oder offene Hautstellen im Genital- oder Analbereich bzw. im Mundrachenraum auf? Ausfluss, Schmerzen, Brennen oder Juckreiz im Genital- oder Analbereich? Unklares Fieber, Hautausschläge oder Gelbfärbung der Augen?“

Mit solchen Informationen kann man abschätzen, ob und auf welche STIs getestet werden sollte. Da bei vielen Infektionen gar keine spür- bzw. sichtbaren Anzeichen auftreten, braucht es so eine umfassende Anamnese, die über die reine Frage nach Symptome hinausgeht. Darum darf man sich nicht wundern, wenn auch Gesundheitsanbieter*innen ähnliche Fragen stellen.

Wegen gleicher Übertragungswege treten STIs logischerweise oft zusammen auf. Allerdings können nicht alle STIs auch gemeinsam getestet werden. Bis eine Infektion nachgewiesen werden kann, dauert es einige Zeit. Und dieses Zeitfenster unterscheidet sich je nach Erreger und Testverfahren. Manche STIs sind bereits nach Tagen nachweisbar, wie z. B. Chlamydien oder Tripper. Andere hingegen erst nach Wochen, wie z. B. Syphilis oder Hepatitis. Welche Tests zu welchem Zeitpunkt für wen sinnvoll sind, kann also nur individuell geklärt werden.

Die üblichen Verdächtigen

In Österreich spielen 3 bakterielle STIs (Tripper, Syphilis, Chlamydien) und 7 virale STIs (Hepatitis A,B,C, HIV, HPV, Herpes, Mpox) die Hauptrolle bei den STIs. Wie häufig es zu welchen Infektionen kommt, kann man (ähnlich wie auf europäischer Ebene) jedoch nicht konkret sagen.

Gonorrhö / Tripper

Gonorrhö wird durch die Bakterie Neisseria gonorrhoeae hervorgerufen. Im deutschen Sprachgebrauch hat sich mehr der Name Tripper etabliert. Tripper lehnt sich an das englische Wort „dripping“ (tröpfeln) an und beschreibt eines der Hauptsymptome, nämlich einen eitrigen Ausfluss. Oft verläuft die Gonorrhö ohne klare Symptome. Auch ein Rachentripper z.B. macht sich nicht immer durch Halsschmerzen bemerkbar. Gonorrhö ist sehr ansteckend und wird durch Vaginal-, Anal- und Oralverkehr, durch Schleimhautkontakt, über Hände oder z.B. Sexspielzeug übertragen. Ein hundertprozentiger Schutz ist also fast nicht möglich. Kondome (auch für Spielzeug) senken das Infektionsrisiko aber erheblich. Unbehandelt kann ein Tripper unter anderem zu Entzündungen von Prostata oder Gebärmutterhals und in weiterer Folge z.B. zu Unfruchtbarkeit führen. Grundsätzlich ist ein Tripper mit Antibiotika heilbar. Durch den breiten Einsatz von Antibiotika gibt es aber bereits einige Resistenzen, die Therapie-Leitlinien werden daher immer wieder überprüft und aktualisiert.

Lues / Syphilis

Die Lues (meist Syphilis genannt) wird von der Bakterie Treponema pallidum verursacht. Übertragen werden die Bakterien durch Vaginal-, Anal- oder Oralverkehr, aber auch über Kontakt mit infektiösen Sekreten oder kleinen nässenden Hautveränderungen, welche durch die Infektion entstehen. Eine Syphilis ist daher sehr leicht übertragbar, man kann das Infektionsrisiko aber sehr gut reduzieren. Unbehandelt verläuft die Erkrankung in mehreren Stadien. In der Primärphase kommt es unter anderem zu schmerzlosen kleinen Geschwüren, die wieder abklingen. In der Sekundärphase sind Hautausschläge z.B. auf Handflächen oder Fußsohlen ein mögliches Symptom. In der Spätphase (nach Jahren) werden Organe und Nervensystem befallen und irreversiblen Schäden entstehen. Die frühe Diagnose und Therapie sind daher enorm wichtig.

Chlamydien / LGV

Chlamydia trachomatis sind Bakterien, die ebenfalls über Oral-, Vaginal- oder Analverkehr bzw. generell über Schleimhautkontakt übertragen werden. Typische Symptome sind Ausfluss, Brennen beim Urinieren oder Juckreiz. In den meisten Fällen verläuft eine Infektion ohne Symptome. Bleiben Chlamydien unbemerkt und unbehandelt, können sie langfristig z.B. zu Unfruchtbarkeit führen. Eine schwerere Verlaufsform, die in den letzten Jahren häufiger (vor allem bei MSM) auftritt, ist das sogenannte Lymphogranuloma venereum (LGV). Dies wird nur durch bestimmte Chlamydien-Typen hervorgerufen und führt zu teils schmerzhaften Entzündungen des Rektums oder der Vaginalschleimhaut. Chlamydien sind mit Antibiotika sehr gut ausheilbar. Sollte es sich um LGV handeln bzw. Verdacht auf LGV bestehen, wird die Antibiotikaeinnahme meist verlängert.

Hepatitis A / B / C

Hepatitis ist allgemein eine Leberentzündung und kann verschiedene Ursachen haben, am häufigsten sind es Infektionen mit Hepatitis-Viren. Die Symptome einer akuten Hepatitis können z.B. Müdigkeit, Hautausschlag oder auch Gelbsucht (Ikterus) sein. Ganz häufig sind keine Symptome spürbar. Zum Teil kann der Körper Infektionen mit Hepatitis-Viren selber ausheilen. Geschieht dies nicht innerhalb weniger Wochen nach der Infektion, spricht man von einer chronischen Hepatitis. Bleibt diese dann unbehandelt, kann sie über viele Jahre hinweg zu Leberschäden und Leberkrebs führen.

Hepatitis A Viren werden mit dem Kot ausgeschieden und als Schmierinfektion oder über kontaminierte Lebensmittel übertragen. Eine Hepatitis A gehört also eigentlich nicht zu den klassischen STIs. Allerdings kann es beim Oral-Fäkal-Kontakt durchaus zu Übertragung im sexuellen Kontext kommen, etwa beim Rimming, Fingerspielen oder abwechselndem Anal- und Oralverkehr. Eine Hepatitis A verläuft fast immer symptomatisch, heilt dafür selbständig wieder aus und im Regelfall gibt es keine nachhaltigen Komplikationen. Eine bereits durchlebte Hepatitis A führt zu einer lebenslangen Immunität, eine Reinfektion ist somit nicht möglich. Der beste Schutz vor einer Hepatitis A ist die Impfung.

Hepatitis B Viren werden über Sex und Blutkontakt übertragen. Die Viren sind sehr infektiös, wodurch bereits kleinste, nicht sichtbare Blutmengen zur Infektion reichen. In einem Großteil der Fälle treten bei einer akuten Hepatitis B keine Symptome auf und sie bleibt unbemerkt. Eine chronische Hepatitis B kann zwar nicht geheilt, aber mit Medikamenten gut behandelt werden. Zum Schutz gehört z.B. Gegenstände, die Blutkontakt haben könnten (wie Rasierer oder Zahnbürsten), nicht gemeinsam zu verwenden. Der wirksamste und einfachste Schutz vor einer Hepatitis B ist die Impfung.

Hepatitis C Viren werden ausschließlich über Blut übertragen, wodurch die meisten Infektionen über geteilte Utensilien beim Drogengebrauch erfolgen. Dies gilt nicht nur für intravenösen Konsum, sondern auch für Sniff-Röhrchen. Auch gibt es Übertragungen beim Sex, sofern es zu Blutkontakt kommt. Der Körper kann ca. 30 % der Fälle ausheilen, die Mehrheit der Infektionen geht in die chronische Phase über. Dank der modernen Medikamente kann eine Hepatitis C heutzutage fast immer in wenigen Wochen geheilt werden. Eine Schutzimpfung gegen Hepatitis C gibt es nicht und Reinfektionen sind jederzeit möglich. Aktive Schutzmaßnahmen bleiben daher notwendig und beinhalten Safer Use- und Safer Sex-Regeln.

HIV / Humanes Immundefizienz Virus

HIV ist ein Retrovirus, welches nur über infektiöse Körperflüssigkeiten übertragen wird, dazu gehören Blut, Sperma, Vaginalsekret und Muttermilch. Alle anderen Körperflüssigkeiten (z.B. Speichel, Urin, Schweiß) eignen sich nicht für eine Infektion. Daher kann HIV bei sämtlichen Alltagskontakten nicht übertragen werden, sondern ausschließlich bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr, durch direkten Blutkontakt oder ggf. bei Geburt oder Stillen des Kindes. Unbehandelt schwächt die Infektion über die Zeit das Immunsystem und es kommt zum Ausbruch von AIDS. Heutzutage gibt es hocheffiziente Medikamente, um die Virusvermehrung zu stoppen. Liegt die Virusmenge unter der sogenannten Nachweisgrenze, werden nicht nur gesundheitliche Auswirkungen der Infektion verhindert. Die Virusmenge ist dann so niedrig, dass HIV auch beim Sex nicht übertragen werden kann (U=U). Trotz phantastischer Erfolge im Bereich der Therapie gibt es nach wie vor weder eine Heilung noch eine Impfung.

HPV / Humane Papillomviren

Die Humanen Papillomviren (HPV) sind mit ihren über 200 unterschiedlichen Virustypen eine der am häufigsten übertragenen STIs. Man geht davon aus, dass fast jeder sexuell aktive Mensch im Laufe des Lebens Kontakt zu HPV hat. Kondome schützen zwar, jedoch wegen der leichten Übertragbarkeit nur bedingt. Die meisten Infektionen verlaufen symptomfrei und führen zu keinen Komplikationen, es handelt sich um sogenannte „low-risk“-Virustypen. Einige Virustypen führen zur Entstehung von kleinen Warzen (Feigwarzen, Kondylome) im Anogenitalbereich. Und bei den „high-risk“ Virustypen kann sich ein Anal- oder Gebärmutterhalskrebs entwickeln. Eine sehr wirksame Impfung gegen mehrere der „high-risk“-Typen ist seit mehreren Jahren erhältlich. Sie ist logischerweise in der Zeit vor den ersten Sexualkontakten besonders sinnvoll und daher in Impfplänen meist für Kinder im Alter von ca. 10 Jahren enthalten. Eine spätere Impfung als Erwachsener kann sich trotzdem lohnen.

HSV / Herpes Simplex Virus

Herpes Simplex Viren (HSV) sind weltweit verbreitet und die Mehrheit aller Menschen ist mit HSV-1 oder HSV-2 infiziert. Ganz typische Symptome einer Herpes-Infektion sind juckende und nässende Bläschen, die sich an Lippen, Nase oder im Genitalbereich bilden. Übertragen werden die Viren vor allem über die hochinfektiöse Bläschenflüssigkeit, d.h. schon einfacher Körperkontakt kann ausreichen. Kondomen, Femidome und das Vermeiden von Kontakt zu den Bläschen bieten zumindest einen gewissen Schutz. Eine Infektion ist nicht heilbar und die Herpesbläschen können immer wieder auftreten. Zumindest gibt es aber antivirale Substanzen, mit denen man gut behandeln kann.

MPOX

Mpox-Viren sind seit den 1970er-Jahren in West- und Zentralafrika bekannt. 2022 kam es zu einem weltweiten Ausbruch vor allem in bestimmten MSM-Communitys. Die Übertragung erfolgt über sehr engen Körperkontakt und daher auch beim Sex. Besonders typische Symptome sind Pusteln und Bläschen, die in der Regel selbständig ausheilen, mitunter aber äußerst schmerzhaft sind und Narben hinterlassen können. Schwere Verläufe können mit einem Absterben ganzer Hautareale einhergehen. Mpox sollten nicht verharmlost werden. Auch wenn der große Ausbruch von 2022 vorbei ist, Mpox sind nach wie vor im Umlauf. Laut AGES wurden seit 2022 in Österreich 382 Fälle gemeldet, darunter 28 Fälle im Jahr 2024 und 16 Fälle bis Sommer 2025. Die Schutz-Impfung ergibt daher nach wie vor Sinn.

Von Birgit Leichsenring

Mikrobiologin und biomed. Wissenschaftskommunikatorin (www.med-info.at)