Sparmaßnahmen sind ein Rückschlag für den Kampf gegen AIDS
Es gibt Momente in der globalen Gesundheitspolitik, in denen einzelne nationale Entscheidungen weit mehr sind als eindimensionale Sparmaßnahmen. Vielmehr sind sie Weichenstellungen. Die massive Kürzung der Gelder für die United States Agency for International Development (USAID) ist ein solcher Moment. Die Erfolge eines jahrzehntelangen Kampfes gegen HIV und AIDS sind bedroht. Ein Kampf, der für die weltweite LGBTIQ-Bewegung traumatisch war.
Die USA waren über viele Jahre der wichtigste bilaterale Geldgeber für internationale HIV-Programme. Durch PEPFAR, den President’s Emergency Plan for AIDS Relief, wurden Millionen Menschenleben gerettet, moderne Behandlungsmöglichkeiten aufgebaut und die HIV-Sterblichkeit in weiten Teilen Afrikas dramatisch gesenkt. Viele Länder bringen ihre rückläufigen Infektionszahlen direkt mit US-Programmen in Verbindung – und es ist kein Zufall, dass die Situation in vielen Ländern wieder zu kippen droht.
USAID – Rückgrat der globalen HIV-Antwort
USAID finanzierte bisher nicht nur Medikamente oder Laborkapazitäten. Die Behörde unterstützte Aufklärungsprogramme, Community-Projekte, LGBTQ-Organisationen in repressiven Staaten, Programme zur Prävention der Mutter-Kind-Übertragung, sowie die Ausbildung von Gesundheitsfachkräften. In vielen Ländern war USAID nicht bloß ein wichtiger Partner, sondern der größte und häufig der einzige Finanzier im Kampf gegen HIV.
Die jüngsten Kürzungen bedeuten daher weit mehr als eine Budgetkürzung: Sie reißen Löcher in Versorgungssysteme, die ohnehin bereits unter Druck standen. Besonders schmerzhaft trifft es Männer, die Sex mit Männern haben, (MSM) in Regionen, in denen gleichgeschlechtlicher Sex ohnehin kriminalisiert ist. Dort sind sie auf internationale Unterstützung angewiesen, um überhaupt Zugang zu Präventionsmaterial, Tests oder Behandlung zu bekommen.
Was wurde gestrichen – und wer ist betroffen?
Die gestrichenen Programme finanzierten vor allem die Bereiche HIV-Testungen, Präventionskampagnen und Versorgung mit antiretroviralen Medikamenten. In Südafrika mussten zwölf Spezialkliniken für MSM und Sexarbeiter*innen ihre Türen schließen. Anlaufstellen, die sichere Räume boten, wurden von einem Tag auf den anderen stillgelegt. In Kliniken fehlen Medikamente, Programme mussten Patient*innen auf Wartelisten setzen oder konnten nicht mehr garantieren, dass Behandlungen unterbrechungsfrei fortgeführt werden.
Für die Medizin bedeutet ein Behandlungsabbruch nicht bloß eine Lücke, sondern eine Gefahr: Unterbrechungen fördern Resistenzen, und resistente HIV-Stämme breiten sich schneller und gefährlicher aus. Genau das, was wir international seit Jahren zu verhindern versuchen, könnte nun Realität werden. In Berichten lokaler Organisationen zeigt sich ein klares Bild:
● Weniger Tests -> mehr unerkannte Infektionen.
● Weniger Prävention -> steigende Neuinfektionen.
● Unterbrochene Therapie -> höhere Viruslasten und schnellere Weitergabe.
Besonders betroffen sind Länder in Subsahara-Afrika, aber auch Regionen wie der Nahe Osten, Teile Asiens oder Lateinamerika. In Staaten, die sich offen gegen LGBTQ-Rechte richten, sind USAID-Programme oft die einzigen, die überhaupt queere Communitys unterstützen. Hinzukommt, dass Programme, wenn sie einmal geschlossen sind, Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen um wieder aufgebaut zu werden. Ein Prozess, der Ressourcen, Geld und vor allem Menschenleben kostet.
Warum wir uns nicht an Trump abputzen können
Während die USA drastisch kürzen, sinken gleichzeitig im Angesicht des allgemeinen Spardrucks auch die europäischen Entwicklungshilfeausgaben. Deutschland reduziert seinen Beitrag deutlich, Österreich liegt ebenfalls unter früheren Werten, und viele EU-Länder melden Rückgänge. Für die globale HIV-Bekämpfung bedeutet das eine gefährliche Kombination: Wenn zwei der drei größten Geberblöcke gleichzeitig sparen, entsteht ein Engpass, den niemand mehr ausgleichen kann.
Europa hat lange betont, wie wichtig globale Gesundheit sei. Doch die Realität zeigt, dass humanitäre und entwicklungspolitische Budgets zu den ersten gehören, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gekürzt werden. Dabei hängen HIV-Programme stark von langfristigen, planbaren Finanzierungen ab. Kurzfristige Einbrüche führen zu Abbrüchen in Versorgungsketten und gefährden die Erfolge, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden.
Von Washington, nach Ottakring – Warum die US-Politik auch uns betrifft
Der Kampf gegen HIV ist global, weil das Virus global ist. Infektionswege enden nicht an Grenzen. Österreich ist – wie viele europäische Länder – eng in internationale Mobilität eingebunden. Menschen reisen, migrieren, arbeiten quer über Länder und Kontinente hinweg. Pandemien von der Spanischen Grippe bis zur Corona-Krise haben uns gezeigt, dass internationale Infektionswege tödliche Realität sind.
Wenn weltweit weniger getestet wird und damit mehr Infektionen unentdeckt bleiben, wenn Therapieabbrüche zunehmen und damit Resistenzen entstehen und sich verbreiten, dann steigt das Risiko in Wien, Österreich und ganz Europa. Nicht morgen – aber mittelfristig deutlich. Besonders Resistenzentwicklungen können für Europa zur Herausforderung werden, da sie höhere Behandlungskosten und komplexere Therapieformen bedeuten.
Besonders tragisch: Es bestand eine realistische Chance, das Sterben und die großflächige Verbreitung von HIV bis 2030 zu beenden. Dieses Szenario, ein Traum der LGBTIQ-Bewegung, ist nun dahin. Dank dummer, kurzsichtiger Politik.
Wir sollten den Blick über den Tellerrand wagen
Während wir uns über neue Medikamente und den Zugang zu PrEP freuen, droht international ein Wiederanstieg von HIV-Infektionen. Organisationen weltweit warnen, dass ein Jahrzehnt der Fortschritte zunichte gemacht werden könnte, wenn jetzt nicht gegengesteuert wird.
Das Erschreckende ist: Diese Entwicklung passiert leise. Abseits der großen Medien, abseits politischer Debatten. Doch für Millionen Menschen sind diese Kürzungen tödlich. Für uns in Europa sind sie ein Risiko. Und für die globale LGBTQ-Community sind sie im schlimmsten Fall ein Rückfall in Zeiten, in denen das Virus unsichtbar, unkontrolliert und tödlich war.
Was jetzt wichtig wäre
Europa – und auch Österreich – müsste seine internationale Verantwortung wieder ernster nehmen. Stabilere Finanzierungsmechanismen, langfristige Verpflichtungen und mehr Unterstützung für multilaterale Programme wie UNAIDS und den Global Fund to fight AIDS ist notwendig. Es wäre auch kurzsichtig dies nicht zu tun, denn die Entwicklung von Resistenzen und ein Anstieg von Infektionen kommen uns sicher teurer zu stehen als eine Erhöhung der Entwicklungshilfeetats.
Für die queere Community bedeutet das: Wir dürfen nicht zulassen, dass der globale HIV-Kampf kaputtgespart wird. Zumal die USA und ihr Kulturkampf auch in Europa ihre Schatten werfen. Rechte Parteien in Europa schießen sich regelmäßig auf die Entwicklungshilfe ein. Und was ein Herr Kickl von der Finanzierung der Behandlung HIV-positiver schwuler Männer in Südafrika hält, kann man sich denken. Darum: Lasst uns nicht auf den Kampf gegen HIV und AIDS vergessen, er betrifft uns und ist ein Marathon – kein Sprint.
