Wenn ich in der Bahn sitze, gibt es diese stillen Momente: Jemand trägt eine kleine Lesbenflagge am Rucksack. Zwei Frauen küssen sich am Bahnsteig. Plötzlich spüre ich: Wir kennen uns nicht, aber ich fühle mich verbunden. Ich fühle mich sicherer, freier, gesehen.
Für mich bedeutet lesbische* Sichtbarkeit genau das: Andere zu erkennen, mit denen ich Erfahrungen teile. Zu wissen: Ich bin nicht allein. Es gibt Verbündete, gerade in kritischen Situationen. Doch diese Momente sind selten. Lesbische*, bi+, queere Frauen und nicht-binäre Personen werden immer noch oft unsichtbar gemacht – gesellschaftlich, kulturell und politisch. Historisch wurden lesbische* Personen aus Politik, Wissenschaft, Kunst und Geschichtsschreibung verdrängt oder ihre Liebe als „Freundschaft“ verleugnet. Das ist kein Zufall, sondern strukturelles Unsichtbarmachen. Sie nimmt uns die Möglichkeit, uns selbst zu sehen, Vorbilder zu haben und unsere Geschichten zu erzählen. Diese Unsichtbarkeit hat Folgen. Viele erleben psychische Belastungen, weil Vorbilder fehlen, weil sie sich isoliert fühlen oder weil sie mehrfach diskriminiert werden – als Frauen*, als Queers, als Menschen, die nicht ins Schema passen.
Sichtbar zu sein ist nicht für alle gleich leicht – besonders, wenn weitere Diskriminierungen wie Rassismus, Ableismus oder andere hinzukommen. Für manche bedeutet Sichtbarkeit auch ein Risiko: Sie müssen abwägen, ob sie sich zeigen können, ohne ihre Sicherheit zu gefährden. Das macht es umso wichtiger, dass wir uns gegenseitig stärken und schützen.
Viele meiden Situationen, in denen sie offen lesbisch* oder queer sein könnten – aus Angst vor Ablehnung oder Gewalt. Das gesellschaftliche Klima ist oft nicht so offen, wie es scheint. Immer noch werden wir als Ausnahme, als Sidekick oder als Fetischbild dargestellt – aber selten als reale, vielfältige Menschen. Auch in den Medien ist lesbische* Repräsentation spärlich. Wenn queere Frauen* und nicht-binäre Figuren überhaupt vorkommen, dann meist aus einer männlich-heterosexuellen Perspektive. Lesbische* Figuren dürfen selten komplex, politisch oder widersprüchlich sein – sie sollen „funktionieren“, nicht stören.
Doch es gibt auch Hoffnung. Immer mehr queere Menschen schaffen eigene Räume: Vereine, Lokale, Podcasts, Social-Media-Kanäle, queere Filmfestivals. Ich denke an Löwenherz als erste queere Buchhandlung, die ich besucht habe – ein Ort voller Geschichten, in denen ich mich wiederfinden konnte. Solche Räume und Vorbilder geben Kraft, inspirieren und verbinden.
Wir brauchen mehr eigene Medien, mehr queere Veranstaltungen, mehr Unterstützung von Allys – und den Mut, uns gegenseitig sichtbar zu machen. Empowerment heißt für mich auch, andere zu ermutigen, ihre Geschichten zu erzählen und für ihre Rechte einzustehen.
Jedes Jahr versammeln wir uns am Helga-Pankratz-Platz und erinnern an Helga, eine Pionierin der HOSI Wien. Sie hat mit anderen Aktivist*innen Räume geschaffen – für Austausch, für Lesben*, die Jugendgruppe, für queeren Widerstand. Ihre Geschichte trägt uns. Ihre Spuren sind sichtbar – und das macht auch uns sichtbar.
Ich bin stolz, Teil dieser Bewegung zu sein. Ich höre zu, wenn andere Aktivist*innen erzählen. Ich erkenne: Ich bin nicht allein. Wir kämpfen zusammen. Denn lesbisch zu sein heißt nicht nur zu lieben, sondern auch, sich zu zeigen und Platz einzunehmen. Wir schaffen Räume, bleiben sichtbar und laut.
Und die nächste große Gelegenheit, gemeinsam laut und sichtbar zu sein, steht schon bevor: Vienna Pride bringt die Community zusammen. Wir zeigen und erleben selbst, wie vielfältig, kraftvoll und solidarisch unsere Community ist. Und wir zeigen auch, dass lesbische* Sichtbarkeit immer auch Widerstand und Freude bedeutet.