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Kultur

Fotografisches Tagebuch

QWIEN – Zentrum für queere Geschichte (Ramperstorfferg. 39, 1050 Wien) zeigt unter dem Titel „HOMO Diaries. self-portrait & other stories“ zwischen 18. Juni und 28. September Fotografien von Sabine Schwaighofer. Die Vernissage findet am 17. Juni um 18:30 statt. Im Plakat versteckt sich im letzten O von HOMO ein kleines e und kann somit auch als „home“ gelesen werden – Tagebücher werden oft zu Hause geschrieben, oder, wie in diesem Fall, täglich fotografiert, obwohl es von Schwaighofer auch ein mit Stift geschriebenes Diarium gibt.

Mit 15 bekam sie ihre erste „point and click“ Kamera – schon damals entstanden Selbstporträts –, dieser folgte 1987 eine Spiegelreflexkamera. Die aus Salzburg kommende und in Wien lebende Fotografin, die auch immer wieder als Dj in Erscheinung tritt, hat an der Schule für künstlerische Photographie bei Friedl Kubelka und an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Eva Schlegel studiert. 

In ihren Arbeiten setzt sich Schwaighofer mit Körper, Geschlecht und Identität auseinander. Mit aufgeklebtem oder gemaltem Bart beispielsweise zeigt sie Geschlechter-Konstruktionen auf bzw. vielfältige Selbst-Identitäten. Sie inszeniert sich selbst, setzt in vielen Fotografien ihren Körper performativ ein. Dieser Körper (als Kunstkörper) kann aber auch verschwinden, durch Unschärfe, durch Fragmentierung oder durch eine Reduktion auf Objekte, die diesen Körper umgeben, als Erweiterung des Selbst: ein voll geräumter Tisch, eine Landschaft,… Ein Selbstporträt kann somit auch ein Einblick in den eigenen Kleiderschrank sein, wobei als männlich codierte Bekleidung wiederum auf ein Spiel mit Geschlechtsidentität verweist, ebenso wie ein vor dem Schrank hängendes Herrenhemd mit Hosenträgern. 

In den Fotografien können auch bereits davor abgelichtete Selbstporträts auftauchen, als eine Art Doppelselbstporträt, ein zweites Erfassen des Selbst. Aus dem früher entstandenen Bild wird direkt zurückgeschaut, fast wie in einem zeitversetzten Blick in den Spiegel. Dadurch werden verschiedene Realitäten vermischt, wie in einem Foto aus dem Jahr 1998, das 2020 wieder ins Bild kommt: Schwaighofer inszenierte sich 1998 in der Wohnung mit aufgeklebtem Bart, Brille mit schwarzer Fassung, schwarzem Hemd, ockerfarbener Krawatte und Strohhut. 2020 greift eine von links ins Bild kommende fragmentierte Hand in weißem Baumwollhandschuh für ein sauberes Handling auf diese Fotografie – ein Zurückgreifen auf Früheres? 

Auch entstanden während ihrer künstlerischen Laufbahn immer wieder Doppelporträts, in denen Freundschaft und in Beziehung sein dargestellt sind, wie in „together“ oder „double portrait ‚..as..‘“. In den Doppelporträts „als“, haben Martina Mina und Sabine Schwaighofer Fotografien von Paaren aus dem Kunstbereich reinterpretiert bzw. reinszeniert. 

Schwaighofer hat immer wieder bei Projekten und Ausstellungen der HOSI Wien mitgewirkt: Beim Buch- und Ausstellungsprojekt „SICHTBAR. 40 Jahre HOSI-Wien-Lesben*gruppe“, bei den Ausstellungen im Rahmen des EL*C in Wien und „OUT AND PROUD“ sowie „VISIBILITY“ im Pride Village. Mit dabei war sie auch 2023 bei der Publikation und Ausstellung „Die Tage sind heller, wenn man liebt“ über Ruth Maier (1929 Wien – 1942 Auschwitz). Ruth Maier schrieb zwischen 1933 und 1942 Tagebücher, die sich heute im Zentrum für Holocaust- und Minderheitenstudien in Oslo befinden und 2007 veröffentlicht wurden. Maier hat auch sie Umgebendes zeichnerisch und malerisch festgehalten bzw. hat sie auch in ihr Tagebuch gemalt und gezeichnet. Auch Schwaighofer hat früher gemalt und gezeichnet, fand aber in der Fotografie die passendste und auch schnellste Ausdrucksform für ihre „HOMO Diaries“.

Von Petra M. Springer

Studium an der Universität Wien, Kunsthistorikerin, Ausstellungskuratorin, Journalistin und Wissenschaftspublizistin, arbeitet bei der Illustrierten Neuen Welt und ist im Vorstand von OBRA – One Billion Rising Austria. (Foto: Lisa Leutner)