Die „Pride“ ist da! Jubel, Trubel, Priderkeit! „Pride“ heißt „Stolz“ (und wir vergessen jetzt erstmal, dass der römisch-katholische Katechismus (1992) den Stolz als erste Hauptsünde nennt. Diese Typen liegen ja seit zweitausend Jahren verlässlich daneben.) Lambda wäre nicht das erfolgreiche Zentralorgan der Arge SCHAS (SCHöner Als Sex), würde diese Ausgabe nicht wieder mal in dem wühlen, was sich hinter unserem Stolz so alles zeigt, wenn man die Sau raus- und uns auf die Straße lässt, die „Pride“ zu feiern.
Bei uns ist man ja besonders gern stolz auf Sachen, zu deren Gelingen man gar nichts beigetragen hat. Diesen dummen Stolz auf die Schaufel nehmen ist daher so leicht wie Schaum vom Bier blasen in einem Land, das sich die Erfolge von Skirennfahrern, sonstigen TV-Sportlern und Mozart (in dieser Reihenfolge) als persönliches Verdienst anrechnet.
Wir aber, wir aus der LGBTIQ-Fraktion, wir sind stolz auf Edleres – auf unseren Kampf gegen Diskriminierung zum Beispiel. Es gibt da ja noch viel zu tun: Zum Beispiel die zwei Verfassungsgerichtshöfe der deutschen Bundesländer Brandenburg und Thüringen an den Ohren nehmen. Die haben doch soeben glatt die jeweiligen „Paritätsgesetze“ gekippt, nach denen jeder zweite Platz auf den Wahllisten mit Frauen zu besetzen war. Wegen einer Bagatelle: Es sei ein Eingriff in die Freiheit von Parteien, wenn man ihnen vorschreibt, wen sie auf eine Wahlliste setzen müssen – und ein Eingriff in die Freiheit der Wähler*innen, wenn man ihnen vorschreibt, wen sie zu wählen haben.
Die spinnen doch, diese Paragraphenreiter! Diese Backenbremsen am Rad des Fortschrittes! Wir dagegen rufen es stolz hinaus: Die Parität muss her! Koste sie uns, was es wolle. Wir fangen damit ganz oben an: Der Nationalrat soll ja die Bevölkerung paritätisch widerspiegeln, also müssen dort endlich 51 (statt bisher 40) Prozent Frauen sitzen, 6,2 Prozent LGBTIQ-Personen, ein halbes Waisenkind und 10 Prozent Inkontinente.
Wir wissen: Parität ist erreicht, wenn Männer häkeln und Frauen Holz hacken.
Parität ist ein Allheilmittel gegen die Ungleichheit, dieses Grundübel aller Übel. Wo wir ihr nicht anders beikommen, erzwingen wir die Gleichheit eben durch Gesetze. Und wir sind stolz darauf, wie wir das hinkriegen: Was nicht unserem Grundstrom folgt, unterbinden wir als moralisch oder politisch unzulässig. Wer reden darf und wer nicht, was jemand reden darf und was nicht: Das ist unsere Cancel Culture, und wir sind stolz darauf.
Wer zum Beispiel das Kopftuch als Symbol für Unterdrückung sieht, ist ein Menschenfeind (den man hier nicht zu gendern braucht). Wir tilgen missliebig gewordene Namen und Denkmäler aus dem Straßenverzeichnis, denn was und wer öffentlich erinnert werden soll und wer nicht, das bestimmen wir – und auch darauf sind wir aber sowas von stolz! Und wir wissen, wie man sich zu äußern hat über People of Colour, Schwarze oder Farbige. Wir finden es ganz in Ordnung, wenn du an den Unis keine oder schlechtere Noten bekommst, weil du nicht gegendert hast: Illegal, aber es dient dem höheren Zweck, Benachteiligungen auszugleichen. Manchmal muss man eben aufs Recht scheißen.
Benachteiligung ist ja so geil! Wir haben sie zum Geschäftsmodell gemacht, zur Quelle moralischer Autorität. Join us! Wenn du jung bist, trans und möglichst mit Migrationshintergrund, hast du dein Rederecht maximiert und maximale Ansprüche gegenüber dem alten weißen Mann oder einer etwas weniger alten weißen Frau. Haben wir echt gut hingekriegt, diese (zugegeben manchmal etwas inflationär gebrauchte) Keule „menschenfeindlich“; „Nazi“ und „Rassist“ kommen gleich dahinter. Moralisierung ist eine unangreifbare Methode geworden, Unliebsame auszuschließen. Und wer entscheidet, was unzumutbar ist und also nicht gesagt werden darf? Klar, wir Benachteiligten und Unterlegenen selbst! Wir leiten aus unserer Benachteiligung das Recht ab, über das Sagbare zu bestimmen. Wir sind so Kläger und Richter zugleich. Wir haben also unser persönliches Empfinden an die Stelle der Begründungspflicht gesetzt: Endlich wieder zurück im Absolutismus! Voltaire, Kant, Gewaltenteilung und bürgerliche Aufklärung – ab in den Kübel!
Wenn man darauf nicht stolz sein kann – worauf dann?
Und noch was für jene unter unseren schönen und edlen Lesern, Leserinnen, Lesenden und Auserlesenen, die sich noch an den Herrn Foucault erinnern: Geschlecht, Rasse, Nation, die waren schon mal abmontiert („dekonstruiert“) als „bürgerliche Machtkonstrukte“. Und jetzt sind genau die als Merkmale der Unterscheidung wieder da, in allen Ehren – nur diesmal, um UNSEREN Machtanspruch zu begründen. Das ist der ganze Unterschied. Pfau! High Five! Heute bringt´s die Zugehörigkeit zur benachteiligten Gruppe statt individueller Leistung und freier Entscheidung. Wenn man einen Vorstandsposten, eine Professur oder einen Sitz im Parlament nur als Mitglied einer Gruppe bekommen kann, hat die Wettbewerbsgesellschaft endlich ausgedient und wir sind zurück in der ständischen Ordnung des Mittelalters. Frauenquoten sind da nur der Einstieg; es werden hoffentlich noch viele andere Gruppen folgen.
Fassen wir es zusammen: Benachteiligungen auszugleichen ist eine schöne, edle und vor allem profitable Sache. Wir müssen diesen überfälligen Ausgleich daher auch mit Methoden des Mittelalters „im Namen der Wahrheit und Moral“ erzwingen. Denn wir haben den exklusiven Anspruch auf Wahrheit und Moral. In seinem Namen pfeifen wir auf die mühsamere Demokratie – und wir sind stolz darauf.