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Diskriminierung im Gesundheitssystem aufgrund des Körpergewichts

Es ist leider nicht selten, dass übergewichtigen Menschen aufgrund ihres Gewichts nicht die gleiche medizinische Behandlung zuteil wird wie normalgewichtigen Menschen. Dies fängt an, wenn jemand wegen Rücken- oder Gelenksschmerzen in die Praxis geht und anstatt einer ausführlichen Diagnostik und Anamnese nur gesagt bekommt, abzunehmen. Es geht weiter bei konkreten Fragen zur Kostenübernahme bestimmter operativer Eingriffe durch die Krankenkasse, die nicht zwangsläufig mit einem zu hohen Gewicht zusammenhängen, aber dennoch davon abhängig gemacht werden.

Hierzu ein kleines Beispiel:

Die Österreichische Gesundheitskasse übernimmt in gewissen Fällen die Kosten für eine Brustreduktion. Dafür müssen allerdings strenge Kriterien erfüllt sein, die es für viele unmöglich machen, die Kosten übernommen zu bekommen: die Person muss einen BMI von unter 25 haben (also normalgewichtig sein) und die Brust muss pro Seite um mehr als 500g reduziert werden. Wenn man bedenkt, dass auch das überschüssige Brustgewebe den BMI erhöht, wenn auch nur geringfügig, wirken diese Kriterien besonders streng.

Dass man auch mit einem BMI, der höher ist als 25, eine völlig überproportional große Brust haben kann, wird dabei komplett außer Acht gelassen. Ebenso spielt es keine Rolle, dass Sport, und somit auch die Gewichtsabnahme, mit einer zu großen Brust zusätzlich erschwert wird und nicht selten auch Schmerzen bereitet. Hat nicht jeder Mensch Anrecht auf eine medizinisch notwendige Behandlung, ungeachtet des Gewichts, wenn diese dazu beitragen würde Schmerzen zu reduzieren, Infektionen vorzubeugen (etwa bei Infektionen in den Brustfalten aufgrund von gestauter Feuchtigkeit durch Schwitzen) und das Selbstwertgefühl erheblich zu steigern?

Ebenfalls diskussionswürdig ist der BMI selbst. Der Body-Mass-Index wird berechnet, indem das Körpergewicht in kg durch das Quadrat der Körpergröße in m geteilt wird. Keinerlei Einfluss in die Berechnung haben dabei die Gewichtsverteilung (das viszerale Fett, also das Fett in der Bauchhöhe, ist um einiges schädlicher als Fetteinlagerungen in anderen Bereichen im Körper), der Anteil der Muskelmasse oder Fettmasse und die genetische Veranlagung (die z.B. die Knochendichte beeinflusst, die wiederum das Gewicht beeinflusst). Ebenso lässt sich beobachten, dass evolutionär gesehen Menschen von verschiedenen Kontinenten verschieden viel Fettmasse brauchten, um sich in kalten Zeiten warm zu halten, weshalb für manche ein etwas höherer, oder eben ein niedrigerer Körperfettanteil „normal“ ist. Es kann genauso gut der Fall sein, dass eine schlanke Person einen deutlich ungesünderen Lebensstil verfolgt als eine Person, die laut BMI übergewichtig ist, aber regelmäßig Sport treibt, nicht raucht und auf eine ausgewogene Ernährung achtet. Aus diesem Grund sollte der BMI als zusätzliches, aber keinesfalls als alleiniges Instrument zur Beurteilung der Gesundheit einer Person herangezogen werden.

Weiters sollte bedacht werden, dass Fettleibigkeit bzw. Adipositas viele potentielle Ursachen hat, wie etwa eine hormonelle Dysbalance (z.B. bei schlecht eingestellter Schilddrüsenunterfunktion), ein gestörtes Verhältnis zum Essen/eine Essstörung oder aber auch genetische Veranlagung. Oftmals werden übergewichtige Menschen dennoch als „faul“ über einen Kamm geschert, was im klinischen Alltag nicht selten zum nicht-Ernstnehmen von Symptomen oder dem Herunterspielen dieser führt. Wenn jemand mit starken Rückenschmerzen in die hausärztliche Praxis kommt hilft es nicht gesagt zu bekommen, dass man abnehmen sollte – die Person hat diesen Satz sicher schon viele Male von ÄrztInnen* gehört. Dennoch haben ÄrztInnen* eine Behandlungspflicht gegenüber ihren PatientInnen*. Symptome müssen IMMER ernst genommen werden und deren Ursache auf den Grund gegangen werden.

Text von Chris, Gesundheits- und KrankenpflegerIn*
arbeitet in der Gesundheitsberatung

Von Gastautor*in

Unter diesem Tag versammeln sich verschiedene Gastautor*innen der Lambda.