Diesen Herbst gibt es die HOSI Wien seit 45 Jahren. Mit einem Straßenfest vor der HOSI Wien feierten wir dieses besondere Jubiläum der Gemeinschaft und des Aktivismus für die LGBTIQ-Community. Für diesen Anlass haben wir seltene Andenken aus unserem Archiv geholt – Banner aus 45 Jahren Demonstrationen.
Die 70er
Die HOSI Wien begann 1979. Schon davor gab es natürlich bereits LGBTIQ-Aktivismus in Österreich: Zum Beispiel gründete Franz Xaver Gugg im Jahr 1963 den „Verband für freie Mutterschaft und sexuelle Gleichberechtigung“, der das Recht auf Abtreibung und die Straffreiheit homosexueller Handlungen forderte. Nach einer Denunziation durch Medien als „Sexpartei“ zerbrach der Verband. Ab 1975 sammelten sich schwule Männer auch in der informellen Gruppe Coming Out (CO) und lesbische Frauen ab 1976 innerhalb der AUF (Aktion Unabhängiger Frauen) in einer eigenen Lesbengruppe. Aber obwohl 1971 das Totalverbot homosexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen aufgehoben wurde, kam es mit der gleichen Reform zur Einführung von vier neuen Paragrafen zur Ungleichbehandlung und Unterdrückung der LGBTIQ-Community. Darunter war auch der § 220, „Verbot der Werbung für gleichgeschlechtliche Unzucht“, und der § 221 zur Untersagung von „Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht“ – was de facto einem Vereinsverbot für LGBTIQ-Vereine entsprach. Die Paragrafen wurden in Österreich, nicht überraschend, streng und konservativ ausgelegt. So war „Werbung“ alles, was Homosexualität als „gleichwertig“ hinstellte, also im Prinzip jede Form der Information. So wurden später selbst aus Deutschland importierte Aids-Aufklärungsbroschüren aufgrund des § 220 beschlagnahmt.
Aber dann ging es auch anders. Wolfgang Förster beschloss eine Schwulenbewegung in Österreich zu fördern, wie er sie in den USA kennengelernt hatte. Dazu suchte er per Zeitungsinserat nach Mitstreitern, die sich auch meldeten! Und dann zeigte sich, dass es auch Unterstützung in der Politik gab: Sepp Rieder, Sprecher des Justizministers Christian Broda (beide SPÖ), schlug nicht nur vor, nein, verlangte praktisch eine Vereinsgründung, um eine Bewusstseinsänderung der Öffentlichkeit zu ermöglichen; das Justizministerium würde dann dafür sorgen, dass der Verein nicht untersagt und eventuelle Verfahren eingestellt werden … und es funktionierte.
Lesben in Wien – gibt’s die?
Kurze Zeit später kam Helga Pankratz zur HOSI Wien und begann damit, sie maßgebend zu erweitern. 1981 war es soweit, die Lesbengruppe der HOSI Wien wurde gegründet. Geworben wurde für die Gruppe auf Frauenfesten, im Frauencafe und durch Anzeigen in der Zeitschrift Falter. Waltraud Riegler war (damals noch als Lesbensekretärin bezeichnete) Leiterin der Lesbengruppe. Sie wurde unterstützt von einigen Frauen und war auch an der 1989 von der HOSI Wien ausgerichteten ILGA Tagung in Wien tatkräftig involviert. Das erfreuliche Ergebnis war, dass mehr Lesben aus unterschiedlichen Ländern bei der Konferenz präsent waren. Auch die ILGA-Ost-Europakonferenz 1993, das ILGA-Europa-Seminar 1999, sowie die beiden Buchprojekte der HOSI Wien 1989 und 1996 fanden unter Beteiligung der Frauen aus der Lesbengruppe statt. Der Lesbenabend fand damals bereits am Mittwoch statt – diese Tradition blieb der HOSI Wien erhalten. Übrigens ist die Gruppe seit mehr als 20 Jahren explizit trans* inklusiv, als damals erste Lesben*gruppe in Europa. Die Gruppe hat sich inzwischen zur LesBiFem-Gruppe weiterentwickelt. Es werden alle willkommen geheißen, die sich als lesbische, bisexuelle und queere Frauen verstehen sowie Personen abseits der binären Geschlechterwelt, die sich selbst als queer und auf dem weiblichen Spektrum identifizieren.
An Helgas Küchentisch begann dann auch die nächste erfolgreiche Community-Gruppe der HOSI Wien. Hier trafen sich 1983 Helga und ihre Freundin Doris, dazu kamen Doris’ Bruder Hans und sein Freund Robert – und beschlossen, eine Jugendgruppe zu gründen. Die Gruppe traf sich damals und heute auch noch am Donnerstag im Vereinszentrum der HOSI Wien. Wie jede Gruppe der HOSI ist auch die Jugendgruppe eine Möglichkeit, soziale Kontakte aufzubauen und Fuß zu fassen in der Community, aber auch eine zutiefst aktivistische Gruppe, die schon kurz nach ihrer Gründung anfing, Flugzettel zu drucken, an Demonstrationen teilnahm und Interviews gab. Und all das tut sie immer noch, nun als QYVIE – Queer Youth Vienna.
Die 80er und 90er Jahre waren geprägt von einer der größten Gesundheitskrisen der Nachkriegszeit – der Aids Pandemie. Diese tödliche Krankheit war damals kaum verstanden und nicht behandelbar. Sie führte nicht nur zu einem unfassbaren Verlust innerhalb unserer Community, sondern auch noch zu weiterer Stigmatisierung der LGBTIQ-Personen und einer kaum glaubbare Diskriminierung in der Gesundheitsversorge. All das führte 1992 zur Gründung eines weiteren Projekts, dem Names Project der HOSI Wien durch Friedl Nussbaumer und Brigitte Zika-Holoubek. Das Names Project kommt aus den USA: 1987 nähte der Amerikaner Cleve Jones für seinen an Aids verstorbenen Lebensgefährten ein Gedenktuch in den Ausmaßen eines Grabes (90×180 cm) und schrieb dessen Namen darauf. Freunde schlossen sich an und stellten zusammen mit Jones bis zum Gay Pride Day 1987 vierzig Tücher fertig, zusammengefasst zu fünf Quadraten: Das war der Beginn des Quilt (wörtlich: Steppdecke). Auch das Names Project Wien sammelt solche Panels, geschaffen von Freunden und Familie, und verbindet sie zu bisher 12 Quiltquadrate bestehend aus 96 Tüchern mit mehr als 360 Namen plus 4 Quiltquadrate mit 124 Tüchern, die regelmäßig präsentiert werden, zum Beispiel für den Aids Memorial Day und am Welt-Aids-Tag.
“Die Tage sind heller, wenn man liebt”
Auch das Antifaschistische Komitee der HOSI Wien hat es sich neben dem aktiven Kampf gegen jede Form des Faschismus zur Aufgabe gesetzt, an die LGBTIQ-Opfer der NS-Zeit zu erinnern. Dazu organisieren wir Veranstaltungen wie Bildungsfahrten zur KZ-Gedenkstätte Mauthausen, gedenken bei den Befreiungsfeiern im KZ Mauthausen der homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus und nehmen an anderen Gedenkfeiern teil. Ein Meilenstein des Antifaschistischen Komitees war die Benennung der HOSI Bibliothek in Ruth-Maier-Bibliothek im Oktober 2023. Hierzu wurde von Barbara Fröhlich und Petra M. Springer (Eds.) eine Broschüre veröffentlicht, die das Leben der von den Nationalsozialisten ermordeten Ruth Maier einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen soll. Auch Künstler*innen präsentieren darin ihre Auseinandersetzung. Die Broschüre liegt frei im HOSI Wien Vereinszentrum auf, und kann von der HOSI Wien Webpage heruntergeladen werden.
Aktivistische Aktionen in 45 Jahren
Hier kann natürlich nur eine kleine Auswahl gebracht werden. Aber hier sind ein paar Schmankerl: 1982 stürmten HOSI Aktivist*innen zumindest zweimal eine Bühne. Zum einen gleich zu Anfang des Jahres, beim berühmten Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, dann kam es zu lesbischem Aktionismus im Künstlerhaus.
Seit 2019 gibt es nun auch in Österreich endlich die Ehe für Alle – nicht aufgrund eines politischen Wandels, sondern aufgrund eines höchstgerichtlichen Urteils. Aber immerhin. Es war ein langer Weg dorthin. 1989 bei den Warmen Wochen gab es dazu eine aufsehenerregende Aktion in der Innenstadt, in Gestalt eines informellen Hochzeitsumzugs durch und anschließender Trauung in der Wiener Innenstadt. Fünf Jahre später erschienen HOSI Wien-Aktivist*innen für gleichgeschlechtliche Eheschließungen auf dem Standesamt. Der Beamte lehnte zwar ab, sagte aber in Wiener Mentalität in etwa: „Dann machts hoid eure Zeremonie“. So geschehen, garniert mit einer medienwirksamen Pressekonferenz.
Besonders auffällig war wohl das „Pink Sheep“, das sicherlich in jeder Familie vorkommt, aber leider immer noch nicht überall akzeptiert wird.
Aber die größe Demonstration, die die HOSI Wien inzwischen organisiert, ist ungeschlagen die Wiener Regenbogenparade, die jedes Jahr gegen den Strom auf der Wiener Ringstraße für die Rechte der LGBTIQ-Community demonstriert. Mit mehreren hunderttausend Teilnehmer*innen ist es die größte LGBTIQ-Veranstaltung und eine der größten Veranstaltungen in Österreich überhaupt. Sicherlich ist sie eine der energetischsten, lustigsten und dennoch politischsten Events in Österreich. Die erste Regenbogenparade fand 1996 statt, damals bereits mit mehr als 25 000 Besucher*innen. Für die Organisation der zweiten Parade wurde der CSD (Christopher Street Day) Wien Verein gegründet, der diese Aufgabe viele Jahre erfolgreich umsetze, mit dem Höhepunkt der ersten EuroPride in Österreich im Jahr 2001. Ab 2003 übernahm dann die HOSI Wien die Organisation der Parade, und stellte so die zweite EuroPride in Österreich im Jahr 2019 auf die Beine. Heuer gestalteten wir die 28. Wiener Regenbogenparade.