Liebe Lambda-Leute,
Als langjähriger zufriedener Leser der Lambda muss ich euch meinen Ärger zum Beitrag „Gänse für Martini“ in der Lambda 4/2023 ausdrücken. Zunächst: Ich stimme mit dem Autor überein, dass die Palästina-Fahne an der Villa eine Dummheit ist. Aber so einfach kann man es sich nicht machen! Natürlich würde ich als Schwuler und – nebenbei –Nachfahre von Opfern der Shoah lieber in Tel Aviv leben als in Ramallah. Aber das kann mich doch nicht hindern, mir ein Mindestmaß an universaler Menschlichkeit zu bewahren und die israelische Regierung für die Tötung tausender Unschuldiger in Gaza und die rassistische Siedlergewalt im Westjordanland zu kritisieren. Übrigens: Die Zukunft der Tel Aviv Gay Pride ist keineswegs gesichert, wenn dort die rechten Fanatiker weiter an Einfluss gewinnen; Faschisten bleiben Faschisten – auf beiden Seiten. Und in der Thora finden sie – im Gegensatz zum Koran – genügend Homophobie, um das durchzusetzen…Warum sonst solidarisieren sich nun FPÖ, AfD und Le Pen so bedingungslos mit Israel? Schon aus diesem Grund müsste sich eine LGBT-Zeitung gegen die derzeitige Politik Israels stellen. Jedenfalls sollte die Lambda nicht noch Öl in das Feuer der eh schon vergifteten Diskussion gießen und sich um etwas mehr Differenziertheit bemühen! Ansonsten gilt: Worüber man nicht reden kann, soll man schweigen (Wittgenstein). Ich werde die Lambda trotzdem weiterhin mit kritischer Neugier und Vergnügen lesen.
Mit lieben Grüßen,
Wolfgang Förster
Lieber Wolfgang,
ich danke dir herzlich für deinen Leserbrief! Deine Kritik hat mich, neben dem vielen positiven Feedback, wirklich gefreut, denn sie ist ebenso sachlich wie bedenkenswert.
Daher erlaube ich mir eine kurze Antwort darauf: In meinem Kommentar habe ich bewusst nicht über den israelisch-palästinensischen Konflikt an sich geschrieben, der wäre ein viel zu großes Thema und vor allem als solcher nur bedingt relevant für eine LGBTIQ-Zeitschrift oder die HOSI Wien. Mir ging es konkret um den LGBTIQ-Aspekt und wieso ich die Solidarisierung ausgerechnet und explizit als LGBTIQ-Bewegung mit der palästinensischen Sache für fehlgeleitet halte. Was mir offensichtlich scheint, wenn LGBTIQ-Menschen aus den Palästinensergebieten nach Israel flüchten müssen und dort Asyl bekommen, wie das Oberste Gericht erst Anfang Februar bestätigt hat. Daran ändern weder extremistische politische Minderheiten in Israel noch weitgehend ignorierte Thora-Stellen etwas.
Jeder, auch dieser, Krieg ist entsetzlich, am meisten für Zivilist:innen, aber ich verweise auf den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der in seiner jüngsten Entscheidung keine akute Notwendigkeit gesehen hat, das israelische Vorgehen zu stoppen.
Abschließend ein kurzer Transparenzhinweis: Mein Kommentar gibt ausschließlich meine persönliche Sichtweise wieder, nicht die Blattlinie der Lambda oder die Vereinsmeinung der HOSI Wien, die wir als „Editorial“ kennzeichnen. In der Lambda ist bewusst auch Platz für Diskussionen abseits davon.
Liebe Grüße
Moritz