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Lesben* sind immer und überall

In Würde altern

Aufgrund der Verbotsgesetze traten Les-Bi- Schwul- Transgenderpersonen lange Zeit gesellschaftlich kaum in Erscheinung. Um sich zu schützen und nicht in den Fokus der Justiz zu geraten, blieben viele der heute alten LSBTI Menschen ihr Leben lang „unsichtbar…. Sie hielten sich versteckt oder führten ein Doppelleben, und doch, es gibt sie!

Das Thema les-bi-schwul-transgender Personen und Altern ist für die HOSI Wien nicht unbedingt ein neues Thema. Bereits anlässlich einer IFES-Umfrage, mit der die Bedürfnisse von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LSBT) im Bereich Wohnen, Betreuung und Pflege im Alter erhoben werden sollten, kann im Newsletter der HOSI Wien vom 9. April 2014 folgendes nachgelesen werden :„Da die gesellschaftliche Anerkennung immer weiter voranschreitet und dadurch auch ältere Lesben und Schwule vermehrt ihre sexuelle Orientierung offen leben, ist es wichtig, dass sich auch Betreuungseinrichtungen und Sozialdienstleister auf die Bedürfnisse homosexueller KlientInnen bzw. PatientInnen einstellen. Voraussetzung dafür ist natürlich die entsprechende Schulung und Sensibilisierung von MitarbeiterInnen von Wohn- und Pflegeeinrichtungen, sodass ein selbstbestimmtes und diskriminierungsfreies Altern in Würde möglich ist“, ergänzt HOSI-Wien-Obmann Christian Högl.

Auch ich kann mich noch gut erinnern, als wir in der damaligen HOSI Wien Lesben*gruppe über Seniorinnen*residenzen für Lesben gesprochen haben. Damals meist mit einem Augenzwinkern – der Wunsch nach hübschen lesbischen Pflegerinnen (Achtung Triggerwarnung für besonders streng politisch korrekte Personen) stand wohl damals im Vordergrund. Nun, die Zeit ist nicht stehengeblieben und jetzt, mehr als 30 Jahre danach, hat mich (uns) die Realität eingeholt. Wir stehen knapp davor, bzw. sind bereits im Pensionsalter. Für viele von uns wird sich möglicherweise auch in geraumer Zeit die Frage stellen, ob wir den Alltag noch selbst (zu zweit, wenn eine Partnerin vorhanden ist) schaffen können.

Durch den demografischen Wandel nimmt der Anteil an Senior/innen* zu. Laut Statistika lebten in Österreich 2023 1,8 Millionen Senior/Innen* im Alter ab 65 Jahren. Wird nun von einem ca. 5%igen Anteil an les-bi-schwul-transgender Menschen innerhalb der Bevölkerung ausgegangen, so kommt man auf eine nicht so unbedeutende soziale Gruppe von ca. 90000 Menschen mit Bezug zur queeren Community, von denen wohl so manche auch in Pflege- bzw. Senior/Innen*residenzen ihren Lebensabend verbringen.

Ich habe im Pflegeheim meiner Mutter nachgefragt, ob dort auch lesbische oder schwule Bewohner/Innen sind und als Antwort kam ein klares „Nein, nicht dass wir wüssten“. Mein Gedanke: Wirklich nicht oder einfach unsichtbar, ihre sexuelle Identität verbergend? Von der Statistik ausgehend, wahrscheinlich letzteres.

Ich denke eher, dass sich viele les-bi-schwul-transgender Menschen der jetzigen Senior/Innengeneration gegenwärtig in traditionellen Heimen nicht zu erkennen geben. Sie haben eventuell zum Teil offen gelebt, fürchten mit zunehmender Gebrechlichkeit und Pflegebedürftigkeit, in den Altenheimen ihre sexuelle Orientierung verstecken zu müssen. Sie haben Angst, nicht mehr selbstbestimmt leben zu können und als lesbisch lebend wieder abgelehnt und ausgegrenzt zu werden, um nicht von einschlägigen Diskriminierungserfahrungen im letzten Lebensabschnitt eingeholt zu werden Vielfach wohl auch nicht unbegründet, denn obwohl es schon ansatzweise queer sensible Pflegekräfte gibt (viele davon ja selbst queer), ist die Akzeptanz und Verständnis von den Bewohner/Innen noch selten bis gar nicht gegeben.

LSBTI sind jedoch häufig in alternative, queere Gemeinschaften eingebunden. Diese haben familiären Charakter und tragende Strukturen. Sie ersetzen die klassische Familie, wenn dorthin kein oder nur schwacher Kontakt besteht. Viele LSBTI haben langjährige Beziehungen zu einer „Wahlfamilie…, die selbstverständlicher Teil ihres Lebens ist.

Es gilt also beispielsweise, die Lebenspartnerin einer lesbischen Frau nicht als gute Freundin oder Nachbarin zu verkennen. Ist das nämlich der Fall, wird sie nicht in die Pflege einbezogen und es werden ihr wesentliche Informationen vorenthalten. Wenn die Lebenspartnerin jedoch als solche erkannt und anerkannt wird, kann ein Austausch an Informationen stattfinden,

Viele lesbische Frauen der Babyboomer Generation, die heute „älter“ sind, haben bereits von den Vorkämpfen der Aktivistinnen der Lesben- und Frauenbewegung der 70er- und 80er Jahre profitiert, die für lesbische Sichtbarkeit auf die Straßen gegangen sind.

Sie werden sich im Alter wohl nicht mehr zurückdrängen lassen in die Unsichtbarkeit, vor allem, da nicht wenige von ihnen auch selbst engagierte Aktivistin gegen Diskriminierung sowie für Anerkennung und Gleichberechtigung lesbischer Lebensweisen gewesen sind, sich nicht mit dem gesellschaftlichen und politischen Status Quo zufriedengeben. Sie werden sich nicht wieder zurück in die Anonymität drängen lassen.

Im Alter werden Menschen ganz allgemein vulnerable, das gilt im Besonderen für queere Personen. Sie müssen im Pflegefall fremde Personen in ihre intimsten Lebensräume lassen, etwa Schlaf- und Wohnräumen, Privates wird nun plötzlich öffentlich. Fotos von der Geliebten, der Lebenspartnerin, der „Wahlfamilie“ stehen nun offen auch für Fremde zur Ansicht. Dazu zählt aber auch der eigene Körper, der sich im Fall von Pflegebedarf in einer verletzbaren Position befindet.

Damit ergibt sich eine zukünftige Herausforderung an die Senior/Innen*residenzen: Lesben auch im Alter ein selbstbestimmtes und offenes Leben zu ermöglichen.

Das Etablieren von kultursensiblen Senior/Innen*heimen mit dem dazugehörigen Pflegepersonal für unsere älteren Les- Bi- Schwul-Transgender*Mitbürger*innen wird eine zukünftige Herausforderung sein, der wir uns unbedingt stellen müssen, gesellschaftspolitisch aber auch individuell persönlich.

Lesetipp

„Projektbericht Research Report Dezember 2021 Senior*innen-WGs für LGBTQI+-Personen Bedarfsevaluation“
Karin Schönpflug und Viktoria Eberhardt unter Mitarbeit von Isabella Juen, Maria Koepping, Zora Vakavlieva, Christine M. Klapeer; Studie im Auftrag des Fonds Soziales Wien

Von Barbara Fröhlich

Names Project Wien