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Die Slowakei rutscht nach rechts

In Österreich gibt es eine unglaubliche Ignoranz gegenüber Geschehnissen in unseren östlichen und südlichen Nachbarländern. Die einzige Ausnahme ist Italien: Die meisten Österreicher*innen lieben ja Italien, was sich auch in den Inhalten österreichischer Medien widerspiegelt. Es beginnt schon bei banalen Themen wie einem Bärenangriff. Während wir in fast allen Newsportalen von dem Bärenangriff in Trentino, Italien gelesen haben, sorgt es hierzulande für kaum Aufregung, dass in den slowakischen Karpaten relativ oft Menschen von Bären angegriffen werden. Warum erzähle ich aber überhaupt von Bären? Sie veranschaulichen nämlich ein bestimmtes Muster, welches auch bei politisch wichtigen Themen beobachtbar ist.

Der terroristische Anschlag auf eine queere Bar in Bratislava vergangenen Herbst sorgte außerhalb der Slowakei für beachtlich wenig Aufregung wenn man die Schwere der Tat in Betracht zieht. Und das, obwohl der Hassangriff gegen die slowakische LGBTIQ* Community zwei Menschenleben kostete. Nach dem Anschlag hat das Europaparlament die slowakische Regierung dazu aufgefordert, die LGBTIQ* Community vor Hassangriffen besser zu schützen und gleichgeschlechtlichen Paaren rechtliche Absicherung zu bieten. Passiert ist seitdem nichts. Ganz im Gegenteil: Aktuell formt sich in der Slowakei eine Welle an queer-feindlichen Gesetzen.

In erster Linie ist es empörend und unverschämt, dass Ende März die Mehrheit aller Abgeordneten einer „Aufforderung gegen die Aufforderung des Europaparlaments in Bezug auf den Terroranschlag“ zugestimmt hat. Die Begründung lautete: Der Appell der EU würde die Souveränität der Slowakei verletzen. In Wirklichkeit wehren sich die slowakischen Parlamentarier*innen nur zutiefst dagegen, LGBTIQ* Personen das Mindestmaß an Rechten zuzugestehen. Dass sogar zwei Menschen aufgrund fanatischer Homophobie und Queer-Feindlichkeit sterben mussten, scheint die slowakischen Politiker*innen nicht zu beeindrucken. Weiters wurde Ende März, ein erst kürzlich erlassenes Gesetzesvorhaben, welches beide gleichgeschlechtliche Elternteile eines Kindes anerkennen würde (sofern die Adoption im Ausland stattfand), wieder zurückgenommen. In der Praxis heißt das, dass z.B. bei lesbischen Müttern nur die biologische Mutter als solche anerkannt werden würde. Der zweiten Mutter stünden keine Rechte mehr zu. Offenbar sind die Abgeordneten auf den Geschmack gekommen, queeren Personen das Leben schwer zu machen, als sie sich entschlossen, das Gesetz 301/1995 (Zákon o rodnom čísle) zu „ergänzen“. Das genannte Gesetz ist bis dato die gesetzliche Grundlage dafür, dass Trans* Personen in der Slowakei eine Personenstandsänderung des Geschlechtseintrags durchführen können. Sollte jedoch das Gesetz in Kraft treten, werden Trans* Personen künftig einen medizinisch illegitimen genetischen Test dafür vorweisen müssen. Diese Vorgabe ist maßlos absurd und würde die rechtliche Transition de facto unmöglich machen. In der ersten Lesung wurde das Gesetz von der Mehrheit der Abgeordneten unterstützt.

Die Slowakei gehört zu den letzten EU-Ländern, in denen es keine rechtlich abgesicherten Möglichkeiten für gleichgeschlechtliche Paare gibt ihre Beziehung vom Staat anerkennen zu lassen. Alle Bemühungen scheiterten bisher. Die gesellschaftliche Akzeptanz und politische Situation lässt viel zu wünschen übrig und leider zeichnet sich zurzeit auch kein positiver Trend ab. Umso erfreulicher ist es aber, dass trotz der üblichen Ignoranz gegenüber Nachrichten aus der Slowakei, zumindest ein gewisser Aufstand auch im Ausland zu beobachten ist. Organisationen wie Cha(i)nge, Amnesty und die HOSI Wien haben sich an Kundgebungen sowie wichtiger Aufmerksamkeitsarbeit beteiligt, um die prekäre Situation in der Slowakei sichtbarer zu machen.

Von Michael Stromenger

Sozialarbeiter in Wien