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40 Jahre HIV/AIDS

und Frauen sind immer noch zu wenig sichtbar

Vor 40 Jahren, im Sommer 1981, erschien der erste Bericht von ungewöhnlichen ErkrankungsfÀllen, deren Ursache damals nicht erklÀrt werden konnte. Diese Veröffentlichung stellte quasi den sichtbaren Beginn der HIV/AIDS-Epidemie dar. Seitdem hat sich enorm viel verÀndert und im medizinischen Bereich konnte ein Erfolg nach dem anderen gefeiert werden. Im Gegensatz dazu hinkt der gesellschaftliche Umgang mit HIV immer noch hinterher. Denn selbst nach vier Jahrzehnten wird die Epidemie vor allem durch Ungleichbehandlung, Ausgrenzung und Diskriminierung vorangetrieben. Und immer noch spielen unzureichendes Wissen und mitunter auch FehleinschÀtzungen eine ausschlaggebende Rolle.

Regionale Statistik gibt Frauen weniger Gewichtung

Eine solche immer wieder auftretende FehleinschĂ€tzung ist, dass HIV vermeintlich nur homosexuelle MĂ€nner oder intravenöse Gebraucher*innen intravenöser Drogen betreffen wĂŒrde. Diese Annahme kann schwerwiegende individuelle Nachteile mit sich bringen und stimmt nicht wirklich mit der RealitĂ€t ĂŒberein, wie folgende Aspekte zeigen sollen:

In Europa liegt das VerhĂ€ltnis MĂ€nner zu Frauen bei den HIV-Neudiagnosen bei etwa 3:1. Auch in den österreichischen SchwerpunktspitĂ€lern zeigt sich dieses VerhĂ€ltnis: ca. 25% der hier behandelten Patient*innen sind weiblich. Allein auf den Ambulanzen werden somit etwa 1.250 HIV-positive Frauen medizinisch betreut. Dennoch werden sie in der Gesellschaft kaum wahrgenommen. Diese Nicht-Sichtbarkeit und eine fehlende Lobby kann den persönlichen Umgang mit HIV deutlich erschweren und die LebensqualitĂ€t spĂŒrbar beeintrĂ€chtigen.

Frauen erhalten ihre HIV-Diagnose öfter spÀt

Nachdem Frauen weniger mit dem Thema HIV in Verbindung gebracht werden, kommt es tendenziell seltener zu einem HIV-Test. Daher haben Frauen somit ein höheres Risiko, die HIV-Diagnose erst zu einem Zeitpunkt zu erhalten, an dem das Immunsystem bereits eingeschrĂ€nkt ist. In Europa werden etwas mehr als die HĂ€lfte aller spĂ€ten Diagnosen bei Frauen gestellt, obwohl sie nur ungefĂ€hr ein Viertel der Neuinfektionen darstellen. Sie sind also wesentlich hĂ€ufiger von spĂ€ten Diagnosen betroffen. Auch in Österreich werden viele HIV-Infektionen erst spĂ€t diagnostiziert. Frauen haben dabei im Vergleich zu MĂ€nnern, die Sex mit MĂ€nnern haben, ein etwas mehr als doppelt so hohes Risiko fĂŒr eine spĂ€te Diagnose. Einerseits sieht man hier also den Unterschied in Zuschreibung und Umgang mit HIV in einer Bevölkerungsgruppe und dem daraus resultierenden Testangebot. Zum anderen haben Frauen damit auch ein höheres Risiko fĂŒr gesundheitliche Nachteile, die eine spĂ€te Diagnose mit sich bringt.

Global gesehen stellt sich die Situation wieder ganz anders dar. 52% der weltweiten HIV-positiven Bevölkerung sind weiblich. Junge Frauen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren haben das höchste Risiko, wie die globalen Statistiken klar aufzeigen: jede Woche kommt es bei etwa 5.000 jungen Frauen in diesem Alter zu einer HIV-Infektion.

Mehr als die HĂ€lfte aller HIV-positiven Menschen weltweit sind Frauen

Die Ursache liegt auf der Hand: Weltweit werden Frauen nicht gleichwertig behandelt, haben weniger Zugang zu Bildung und Gesundheitsangeboten und weniger Optionen fĂŒr ein eigenstĂ€ndiges Leben und selbstbestimmte SexualitĂ€t, zusĂ€tzlich sind viele physischer und psychischer Gewalt ausgesetzt. Dies hat ganz klare Auswirkungen auf HIV-Neuinfektionen und die Möglichkeit umfassend medizinisch betreut zu werden und damit die Gesundheit der Frauen.

Als kurzes Fazit muss man sagen – egal ob auf regionaler oder globaler Ebene: Wer sich ganz allgemein dafĂŒr einsetzt, dass MĂ€dchen und Frauen gleichberechtigt leben und eine sichtbare Rolle in der Gesellschaft einnehmen können, trĂ€gt automatisch maßgeblich dazu bei, die LebensqualitĂ€t HIV-positiver Frauen zu verbessern und die HIV-Epidemie langfristig zu beenden.

Von Birgit Leichsenring

Mikrobiologin und biomed. Wissenschaftskommunikatorin (www.med-info.at)