Anlässlich des 40jährigen Jubiläums der Lesben*gruppe wurden im Gugg drei Fotoausstellungen unter dem Titel SICHTBAR gezeigt:
Die Schau im Salon Helga setzte sich mit der Geschichte der Lesben*gruppe auseinander. Eine Auswahl der historischen Highlights: Eine Fotografie zeigt den ersten öffentlichen Auftritt am 17. Dezember 1981 im Volkstheaterstudio bei einer Diskussion der Lesben mit Darstellerinnen, Regisseur und Publikum zu „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ von Rainer Werner Fassbinder.
Ein weiteres Foto zeigt die Gründerinnen der Gruppe, Doris Hauberger und Helga Pankratz, bei einer Podiumsdiskussion 1982 in der Alten Schmiede. Im Rahmen der ILGA-Weltkonferenz 1989 posierten 82 Frauen aus 33 Ländern für ein Gruppenfoto. Helga Schöpfleuthner fotografierte Männer in Trachtenanzügen vor dem Transparent „Lesben sind immer und überall“ und betitelte die Abbildung in den Lambda Nachrichten mit „Staunen ist immer und überall“. Der Slogan taucht bis heute in der Lesben*gruppe auf, denn 1988 weigerte sich die GEWISTA, diese Worte auf Wiener Straßenbahnen anzubringen (ein bezahlter Auftrag). Obwohl Frauen- und Lesbengruppen nach einer Klage Recht bekamen und eine Berufung der GEWISTA abgewiesen wurde, weigerten sich die Wiener Verkehrsbetriebe weiterhin, dieses Sujet zu verwenden.

Viele Fotos zeigen Lesben bei Demonstrationen zum 1. Mai, Friedensdemos, am Internationalen Frauentag am 8. März (1980 wurde dort in Wien zum ersten Mal ein Lesbentransparent bei einer Demo entrollt), am IDAHOBIT, beim Dyke March im Rahmen der European Lesbian* Conference und bei der Regenbogenparade. Während 2015 die Lesben mit einem Pritschenwagen zum Thema „Sichtbar“ bei der Parade über den Ring rollten, fuhren sie 2017-2019 auf einem eigenen, bunt geschmückten Lesben*truck.
Zwei Fotos zeigen Performances vor dem Truck von OBRA-Aktivist*innen unter kĂĽnstlerischer Leitung von Aiko Kazuko Kurosaki: VERNETZEN – VERBINDEN – STĂ„RKEN (2017) und SOMEWHERE UNDER THE RAINBOW… (2018). Auch Einblicke in die Frauen*Lesben*Feminist*innenZelte, mit Fotoausstellungen und als Präsentationsort diverser Vereine und Gruppen, wurden gegeben. Weitere Fotografien zeigen Besuche bei Politikerinnen und Politikern, die Urmutter der späteren „Aktionen Standesamt“ 1989, Helga Pankratz und Waltraud Riegler im Publikum beim LesbenfuĂźballmatch, Resis.danse mit Karin Erhart, Lesungen im HOSI-Zentrum und im Gugg. Eine Zusammenstellung von Fotos zeigt das Gedenken an den Nationalsozialismus: 1984 wurde der Gedenkstein in Mauthausen enthĂĽllt – jährlich reist eine Delegation der HOSI Wien nach Mauthausen zur Befreiungsfeier. Auch wird mit einer Kranzniederlegung am Morzinplatz an die Opfer der NS-Zeit gedacht.

Im Barbereich des Gugg war eine Ausstellung von Petra Paul zu sehen. Sie ist multimediale Künstlerin und drückt sich in verschiedenen Medien aus: Fotografie, Objekte, Menstruationskunst, Film, Installation und Performance. Sie hat in dieser Serie Lesben* fotografiert und die Fotografien mit einer Aussage zur lesbischen Sichtbarkeit der jeweiligen Person versehen. Die Bilder sind bunt, so wie die Wiener Szene. Es sind Frauen*, die sich politisch, in diversen Organisationen, als Künstler*in oder an der Universität für lesbische Sichtbarkeit einsetzen: z. B. die Film- und Medienwissenschafterin vom Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft Andrea B. Braidt, Henrie Dennis, Gründerin von Afro Rainbow Austria (ARA) und Organisatorin der WIENWOCHE, Trans-Aktivistin, Poetin und Informatikerin Rhonda D’Vine, die Politikerinnen der Grünen Faika El-Nagashi, Ewa Ernst-Dziedzic, Jennifer Kickert und Ulrike Lunacek, die Schauspielerin, Regisseurin, Sängerin und Roma-Aktivistin Sandra Selimonić, Tatjana Gabrielli von der SoHo, Literaturwissenschafterin und Theaterpädagogin vom Institut für Germanistik, Susanne Hochreiter, und Mindy, die ein Statement zu Bisexualität abgab. Es wurden natürlich auch die langjährige Lesbengruppenreferentin Barbara Fröhlich, die Lesben*gruppenreferentin Lisa Hermanns und die Obfrau der HOSI Wien, Ann-Sophie Otte, fotografiert.

Im dritten Teil der Ausstellung wurden Kunstschaffende eingeladen, drei Fotografien zum Thema Sichtbarkeit auszustellen. Alice Moe Anouk Erik, genderfluid und pansexuell, zeigte sich privat, als Aktivist*in und als Drag King. Krista Beinstein zeigte Inszenierungen weiblicher* Lust – sie war die erste lesbische Künstlerin, die im HOSI-Zentrum, damals noch in der Novaragasse, ausstellte. Christa Biedermann, die anlässlich des 5-jährigen Jubiläums der Lesbengruppe im HOSI-Zentrum ihre Arbeiten zeigte, war mit Fotos von der Regenbogenparade 2018 vertreten: „Wo sind die Lesben? Am CSD!“ Magaly Cureau machte Collagen aus einer Fotografie, wodurch verschiedene Blickpunkte auf ein Bild entstehen bzw. fast kubistisch eine Abbildung aus verschiedenen Perspektiven gezeigt wird. „Meine Collagen wirken atmosphärisch und überlassen die Interpretation den Betrachter*innen.“ AnnaLisa Erdemgil-Brandstätter will in ihren Arbeiten „die Vielfalt des Lebens, Liebens, des politischen Widerstandes, der Verletzbarkeit und der Kraft Ausdruck und Sichtbarkeit schenken.“ Sie zeigte Diversität, Solidarität und die Möglichkeit, sich aufeinander beziehen zu können.
Aus Leipzig war Sophie Krüger angereist und gedachte in einem Foto der französischen Widerstandskämpferinnen Yvonne Ziegler und Suzanne Leclézio. In einem anderen Bild teilt sie ihr Eis mit der Büste von Claire Waldorff: „Icecream with Claire“. Die Co-Direktorin der Eurocentralasian Lesbian* Community (EL*C) Leila Lohman hat bei einem Treffen im Mai in Montenegro lesbische Aktivistinnen festgehalten, wie in „Hommage to Barbara Hammer“. Petra Röbl zeigt die Diversität unserer Gesellschaft und unterschiedliche Facetten menschlichen Daseins in ihren analogen S/W-Fotografien vom Dyke March und dem CSD in Linz 2019. Sabine Schwaighofer hat sich selbst abgelichtet, im Spiegel, oder Selbstporträts geschaffen, aufgrund fotografierter Objekte, die sie umgeben.
Wer die Ausstellung versäumt hat, hat die Gelegenheit, die Fotografien im Buch SICHTBAR. 40 Jahre HOSI-Wien-Lesben*Âgruppe zu entdecken.